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Begeisterte Kieler Fans feiern den THW-Sieg im “kleinen Nordderby” gegen den HSV Hamburg

Bundesliga

Begeisterte Kieler Fans feiern den THW-Sieg im “kleinen Nordderby” gegen den HSV Hamburg

Der THW Kiel hat sich zurück in die Erfolgsspur gearbeitet. Nach zuvor drei Niederlagen gegen Topclubs in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga und dem enttäuschenden Pokal-Aus gegen Wetzlar hatten die Zebras am Sonntagnachmittag eine dröhnende Antwort auf das Krisengerede: Die Kieler gewannen das "kleine Nordderby" gegen den Handball Sport Verein Hamburg mit 34:23 (19:15). Dabei zeigten sie in einer mitreißenden Partie großen Biss, unermüdlichen Einsatz und spielerischen Glanz und rissen damit die 10.285 Fans, die ihre Mannschaft nach Leibeskräften unterstützt hatten, von den Sitzen.

Willensstarke 60 Minuten

Bester Torschütze: Niclas Ekberg

Am Ende von 60 willensstarken Minuten holten sich die Zebras den verdienten Jubel der völlig begeisterten Zuschauer in der ausverkauften Wunderino Arena ab: Noch Minuten nach dem Schlusspfiff feierten die THW-Fans ihre Sieger, allen voran Torhüter-Neuzugang Samir Bellahcene, der insgesamt 17 Bälle hielt, eine unglaubliche Quote von 44,4 Prozent feierte. Die Umarmung aller Mitspieler nach der Partie war dem jungen Franzosen sicher. HSV-Spieler Daniel Baijens brachte die Leistung des Neu-Kielers auf den Punkt: "Unfassbar. Wenn ein Torhüter 17 Bälle hält, kannst du einfach nicht gewinnen." Doch auch im Kieler Angriff funkte es gewaltig: 34 Tore spiegelten eine Trefferquote von glanzvollen 79 Prozent wider. Am besten traf einmal mehr Rechtsaußen Niclas Ekberg, der bei zehn Versuchen neunmal ins Hamburger Tor traf, viermal von der Siebenmeterlinie. Seine bisher beste Leistung im Kieler Trikot zeigte zudem der junge Spielmacher Elias Ellefsen á Skipagötu. Der junge Mann von den Faröern erzielte nach seiner Hereinnahme in der 18. Minute sieben sehenswerte Tore selbst, war zudem ungemein wichtiger Ankurbler und Passgeber für seine Mitspieler.

Personelle Herausforderungen

Es lief zuletzt nicht wirklich rund beim THW Kiel. Pech, dass vor der wichtigen Partie gegen HSV Hamburg auch noch das Kieler Krankenlager reichlich Besuch hatte. Ein Virus hatte Trainer, Umfeld und viele Spieler während der vergangenen Woche flachgelegt. Einige Zebras hatten sich bis zum Anpfiff ein wenig erholt, doch gegen Hamburg fehlte neben Stammtorhüter Tomas Mrkva auch Abwehrchef Hendrik Pekeler. Sie erlebten das "kleine Nordderby" nur vom Fernseher aus. Mittelmann Nikola Bilyk saß nach seiner Infektion zwar auf der Bank, wurde aber keine einzige Sekunde eingesetzt. Trotz der personellen Probleme sahen die Zuschauer eine erlebnisreiche, wechselvolle und torreiche erste Halbzeit, in der die Hamburger lange Zeit auf Augenhöhe mitspielten. Domagoj Duvnjak startete als Mittelmann, in der Abwehr stellten Duvnjak und Magnus Landin Hamburgs bekannt schnelle Angreifer mit offensiver Spielweise auf den Halbpositionen vor Probleme. Eine Taktik, die aufging.

Fans werden zum Motor

Echter Anführer: Domagoj Duvnjak

Kreisläufer Andreas Magaard warf die Gäste zwar mit 1:0 in Führung, doch "Dule" erzielte nach gelungenem Wackler schnell den Ausgleich. Eric Johansson traf zum 2:2, und nach prima Anspiel des jungen Schweden auf seinen Landsmann Niclas Ekberg traf dieser zur ersten THW-Führung, erhöhte in der sechsten Minute per Siebenmeter auf 4:2. Casper Mortensen verkürzte für die Hamburger, ehe Petter Överby und Eric Johansson auf 6:3 stellten. Grundlage? Zwei erste Glanzparaden von Samir Bellahcene, der zunächst den Ball von Andersen parierte, dann beim Siebenmeter von Mortensen zur Stelle war. Die Wunderino Arena kam auf Touren, zelebrierte die erhoffte Lautstärke, wurde zum Motor für Kiels mental angeschlagenen Spieler. Nachdem Mortensen per Siebenmeter zum 5:7 verkürzt hatte, legten die Zebras ihren ersten 3:0-Lauf hin: Harald Reinkind traf zum 8:5, Eduardo Gurbindo war beim 9:5 ins leere HSV-Tor zur Stelle und Magnus Landin traf - glänzend bedient von Harald Reinkind - von Linksaußen zum 10:5. 

Kieler stecken Rückschlag weg

Samir Bellahcene riss die Fans von den Sitzen

Höchste Zeit für die erste Hamburger Auszeit. Trainer "Toto" Jansen fand dann wohl auch die richtigen Worte: Seine Spieler verkürzten in der 18. Minute auf 10:8. Ein Signal für Filip Jicha, der ebenfalls auf den Buzzer drückte, seine Mannen mit ruhigen Worten zu mehr Besonnenheit aufrief. Und Jicha stellte "Skippy", den jungen Färinger, in die Mitte. Elias Ellefsen á Skipagötu brauchte ein bisschen Anlauf, war dann aber hellwach, erzielte spektakulär die 11:8-Führung. Jetzt ging es hin und her: Die Hamburger standen besser in der Abwehr, glichen in der 25. Minute durch Magaard zum 14:14 aus. Anders als zuletzt steckten die Kieler diesen Rückschlag aber überragend weg: Der HSV Hamburg hatte wenig später erneut Ballbesitz, scheiterten aber beim Versuch, in Führung zu gehen, an Bellahcene. Á Skipagötu nutzte seine nächste Chance, traf zum Kieler 15:14 ins verwaiste Hamburger Tor. Die letzten Minuten der ersten Halbzeit standen dann im Zeichen von Bellahcene, der die HSV-Angreifer wieder und wieder stoppte. Petter Överby, Niclas Ekberg mit gescheitem Dreher und erneut Elias á Skipagötu: Die Kieler zauberten einen weiteren 3:0-Lauf aufs Parkett, die 19:15-Halbzeitführung für die Zebras war die Konsequenz und Balsam auf die Seelen.

Kieler Defensive und Bellahcene vernageln den Weg zum Tor

Sieben Treffer: Elias á Skipagötu

Harald Reinkind eröffnete den Torreigen der zweiten Halbzeit, traf mit einem Hammer in den Winkel zum 20:15. Andersen und Mortensen hielten die Gäste dann nur noch kurz im Rennen, 22:18 leuchtete in der 39. Minute auf dem Hallenwürfel. Dann wurde es deutlich, was auch am Mitteblock aus Petter Överby und Domagoj Duvnjak lag: Weil Patrick Wiencek früh die zweite Zweiminuten-Strafe erhalten hatte, rückte "Dule" in die Mitte und wurde zum Störfaktor für die Hamburger Angriffsbemühungen. Und hatte Samir Bellahcene schon in den ersten 30 Minuten eine großartige Performance hingelegt, so nagelte der Franzose seinen Kasten in den zweiten 30 Minuten phasenweise zu: Er brachte die Hamburger Angreifer aus Kurz- und Nahdistanz und auch bei Tempogegenstößen zur Verzweiflung. Nach dem fantastischen Unterarmwurf von á Skipagötu, seinem Treffer zum 25:18 in der 42. Minute, rief Torsten Jansen ein weiteres Mal zur Auszeit. Allein, seine Wünsche stießen auf taube HSV-Spielerohren.

Weltklasse-Abwehr und Zauber-Offensive

Die starke Kieler Defensive machte alles klar

Die Zebras glänzten weiter mit starker Abwehrleistung, wurden für Stoppfouls und Ballgewinne von den über 10.000 frenetisch gefeiert. Nur zwei Gegentreffer kassierten sie zwischen der 38. und 51. Minute - Weltklasse! Und sie zauberten im Angriff, setzten sich Tor um Tor ab. Die erste Zehn-Tore-Führung erzwang á Skipagötu mit seinem Treffer zum 29:19. 50 Minuten waren gespielt, die Zebras hatten immer noch unbändigen Torhunger. Jetzt durfte auch Karl Wallinius ran, traf aus dem Rückraum zum 32:21. Eduardo Gurbindo ließ das 33:21 folgen, Niclas Ekberg beendete die Zebra-Torejagd mit dem Strafwurf zum 34:22. Casper Mortensen legte dann die Klammer um ein bemerkenswertes "kleines Nordderby", verwandelte den Siebenmeter gegen THW-Nachwuchstorhüter Magnus Bierfreund zum 34:23-Endstand. Immerhin, die Hamburger hatten das erste und letzte Tor erzielt, es war nur ein schwacher Trost für den enttäuschten Nordrivalen. Die Kieler indes ließen sich feiern - und das nach einer starken Leistung zurecht. 

THW am Mittwoch in der Königsklasse gefordert

Kieler Entschlossenheit: Petter Överby

Am Mittwoch stehen die Kieler wieder zu einem Top-Spiel auf dem Feld: In der Machineseeker EHF Champions League ist dann die Weltklasse-Mannschaft von Industria Kielce, in den vergangenen beiden Jahren Finalist der Königsklasse, zu Gast in der Wunderino Arena. Anwurf ist um 20:45 Uhr. Für das Spiel, das als "Match of the week" live bei DAZN und Dyn übertragen wird, gibt es noch Tickets unter www.thw-tickets.de , in der THW-FANWELT und bei CITTI. "Die Stimmung heute war fantastisch", sagte THW-Kapitän Patrick Wiencek, "unsere Fans haben uns enorm geholfen. Die Atmosphäre hat uns Energie gegeben. Und wir würden uns freuen, wenn uns am Mittwoch eine ähnliche Stimmung unterstützen würde!" Weiter geht’s gegen Kielce, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn

LIQUI MOLY HBL; 8. Spieltag: THW Kiel – Handball Sport Verein Hamburg 34:23 (19:15)

THW Kiel: Bierfreund (3 Siebenmeter, keine Parade), Bellahcene (1.-60., 17/1 Paraden); Ehrig, Duvnjak (1), Reinkind (3), Landin (1), Battermann, Øverby (4), Wiencek (2), Ekberg (9/4), Johansson (3), Dahmke (1), Gurbindo (2), Wallinius (1), Bilyk (n.e.), á Skipagøtu (7); Trainer: Jicha
HSV Hamburg: Bitter (1.-16., keine Parade), Vortmann (16.-60., 12 Paraden); Magaard (3), Mortensen (11/7)), Tissier (1), Lassen (1), Weller, Axmann, Bo Andersen (4), Hartwig, Severec (1), Bergemann, Valiullin, Baijens (2); Trainer: Jansen

Schiedsrichter: Martin Thöne / Marijo Zupanovic
Siebenmeter: THW: 4/4 / HSVH: 8/7 (Bellahcene hält Mortensen (8.))
Zeitstrafen: THW: 3 (2x Wiencek (8., 16.), Gurbindo (45.)) / HSVH: 2 (Baijens (12.), Weller (24.))
Spielfilm: 0:1, 1:2, 4:2 (6.), 6:3, 7:5 (11.), 10:5 (14.), 10:8 (19.), 14:11 (22.), 14:14 (25.), 16:15 (28.), 19:15;
2. Hz.: 20:15 (32.), 22:18 (38.), 25:18 (42.), 25:19, 30:19 (52.), 32:21 (53.), 33:22 (58.), 34:23.
Zuschauer: 10285 (ausverkauft) (Wunderino Arena, Kiel)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin froh, dass sich meine Jungs für die geleistete Arbeit in den vergangenen Tagen und heute belohnen konnten. Und ich habe mich gefreut, dass sie Spaß an diesem Prozess hatten und festgestellt haben, dass Handball bunt ist, Fehler und Fehlwürfe erlaubt sind. Mit unseren vielen erkrankten Spielern hatten wir in dieser Woche nicht die Möglichkeiten im Mittelblock, deswegen ist Dule dort reingerückt. Er ist ein Phänomen, und es ist kein Wunder, dass er bereits Welthandballer war. Ich bin auch froh, wie sich Samir in der ausverkauften Arena präsentiert hat. Seine Emotionalität und sein Willen haben heute ebenfalls geholfen. Und dann kommt da noch ein 21-Jähriger von den Faröer Inseln, dem wir eine klare Struktur an die Hand gegeben haben und der sehr druckvoll gespielt hat. Jetzt würde ich gerne die gute Laune und den Arbeitswillen beibehalten, damit den wir den Prozess fortsetzen können. Heute haben alle, auch die jungen Spieler, gezeigt, wie man diesen Verein repräsentieren muss und Spaß dabei haben kann. Das hat mir gut gefallen.

HSVH-Trainer Torsten Jansen: In den vergangenen Tagen wurde viel geredet über den THW Kiel und ob er in der Krise ist. Und natürlich wollten wir dieses Momentum ausnutzen. Anfangs ist uns das gut gelungen, nach dem 14:14 machen wir aber drei abenteuerliche Fehler und helfen dem THW Kiel damit wieder aufs Pferd. Uns war dann klar, dass wir zur zweiten Halbzeit vernünftig aus der Kabine kommen müssen. Nach 40 Minuten stand dann fest, dass der THW Kiel seinen Rhythmus gefunden hat - vielleicht auch wegen der frühen zweiten Zeitstrafe für Patrick Wiencek, nach der Dule in den Mittelblock rückte. Mit ihm auf dieser Position sind wir überhaupt nicht zurechtgekommen, wir haben gar keine Bälle mehr aufs Tor bekommen. Glückwunsch an den THW und viel Erfolg für die nächsten Aufgaben!

Top-Torschütze Niclas Ekberg: Es war ein überragendes Spiel von uns. Genauso wollten wir uns heute präsentieren. Wir hatten einen sehr großen Willen und den Glauben an das, was wir vorbereitet haben. Wir wussten, dass die Ergebnisse kommen werden, wenn wir uns an den Plan halten. Dann können auch die jungen Spieler leichter hineinwachsen in unser Konzept. Das war heute ein Beweis dafür. Für mich persönlich war der Druck heute nicht größer als sonst. Ich bin ein erfahrener Spieler, kenne solche Situationen aus den Vorjahren. Man muss das Geschehene hinter sich lassen und nach vorne blicken. Genau das gleiche gilt auch für heute: Nach einem super Spiel müssen wir bodenständig bleiben und uns auf die nächste Aufgabe vorbereiten. Denn jedes Spiel in der EHF Champions League ist eine Herausforderung auf allerhöchstem Niveau. Kielce war in den vergangenen zwei Jahren im Finale und hat die Mannschaft weitestgehend zusammengehalten. Das wird ein echtes Top-Spiel.