Revanche geglückt: THW Kiel erkämpft sich Sieg in Porto

Champions League

Revanche geglückt: THW Kiel erkämpft sich Sieg in Porto

Wieder ein Thriller, dieses Mal aber mit umgekehrten Vorzeichen: Mit fünf Toren lag der THW Kiel beim FC Porto Sofarma bereits zurück, kämpfte danach verbissen um seine weiße Auswärtsweste in der Königsklasse und konnte am Ende jubeln: Vier Sekunden vor dem Ende überwand der überragende Harald Reinkind den 17-Paraden-Mann Alfredo Quintana im Tor der Portugiesen. Der achte Treffer des Norwegers - und vielleicht auch der wichtigste. Denn mit dem 30:29 (16:14)-Auswärtserfolg wurden zwei ganz wichtige Punkte im Kampf um die Tabellenführung eingefahren, zudem glückte den Zebras die schnelle Revanche für die Heimniederlage am Sonntag. Porto hingegen musste die erste Niederlage vor eigenem Publikum in der diesjährigen VELUX EHF Champions League verkraften. Bester Torschütze der Zebras war der starke Magnus Landin mit 9/6 Treffern.

Kristjansson, Weinhold und Ekberg nicht dabei

Bester Torschütze: Magnus Landin

Da waren es nur noch 13: Ohne die Langzeitverletzten Steffen Weinhold (Anriss der Plantarfaszie) und Gisli Thorgeir Kristjansson (Schulter-Luxation) sowie den Top-Torschützen Niclas Ekberg, der aufgrund einer Einblutung an der Achillessehne nicht spielen konnte, wollten die Kieler Revanche für die 27:28-Hinspiel-Niederlage drei Tage zuvor nehmen. Ein Unterfangen, das nicht nur aufgrund der Heimstärke der Portugiesen ein schwieriges werden sollte. Denn mit der Unterstützung vieler Fußball-Fans des FC Porto verwandelte sich die nur 2225 Zuschauer fassende "Dragao Arena" in einen sprichwörtlich feuerspeienden Drachen - eine hitzige Atmosphäre mit Dauergesängen, in der sich aber auch die 34 mitgereisten THW-Fans lautstark Gehör verschaffen konnten - und das, obwohl ihnen von den omnipräsenten und wenig zugänglichen Sicherheitskräften alle Lärminstrumente abgenommen worden waren.

Porto legt vor

Traumanspiel trotz bösen Fouls: Nikola Bilyk

Die Gastgeber legten von Beginn an vor, der THW Kiel blieb unter anderem durch Hendrik Pekelers Treffer nach Nikola Bilyks Traumanspiel im Falle zum 6:6 dran. Allerdings versäumten es die Zebras, aus der folgenden Überzahl Kapital zu schlagen - wie schon im Hinspiel fand Rui Silva immer wieder freistehende Spieler am Kreis, oder der bewegliche Rückraum stellte die Kieler Abwehr vor große Probleme. Nach 16 Minuten und dem 9:9 durch den sicheren Siebenmeterschützen Magnus Landin mussten die Zebras dann abreißen lassen. Ein Doppelschlag von Balasquez brachte die Gastgeber erstmals mit zwei Treffern in Führung, nach Reinkinds Anschluss wurde es dann richtig brenzlig: Kurz hintereinander bekamen Pekeler und Landin vom unsicheren isländischen Schiedsrichtergespann Eliasson/Palsson Zeitrafen aufgebrummt, dann hielt auch noch Quintana einen Wurf. In doppelter Unterzahl kassierten die Kieler das 10:13 (21.), machten Fehler und drohten, unter die Räder zu kommen.

Licht und Schatten im Dauerwechsel

Gut, dass in dieser Phase auch Porto nicht fehlerfrei blieb - und der THW Kiel endlich auch einmal aufs Tempo drückte: Pekeler und Duvnjak verkürzten auf 12:13, doch wieder zogen die Portugiesen mit drei Toren davon. Als dann auch noch Patrick Wiencek wegen einer angeblichen "Schwalbe" eine Zeitstrafe aufgebrummt bekam, stieg der Puls nicht nur bei den THW-Fans. Gut, dass die Kieler in dieser Phase nur ein Gegentor kassierten. Nicht gut, dass sie mit den Würfen acht und neun an Quintana scheiterten. Wiederum gut, dass sie nach dem 16:13 durch "Ersatz-Rechtsaußen" Fernandes dreieinhalb Minuten bis zur Pause ihren Kasten sauber hielten. Und dass Lukas Nilsson mit dem 14:16 ein wichtiges Tor gelang. Ein Rückstand, der nach dem zwischenzeitlichen Spielverlauf durchaus hätte höher ausfallen können - so aber blieben die Zebras im Rennen.

Gastgeber mit fünf Toren vorn

Mentalitätsmonster: Patrick Wiencek

Aus diesem schienen sie sich dann aber zügig zu verabschieden. Ballverluste und Paraden von Quintana ließen die Gastgeber beim 19:14 erstmals mit fünf Toren in Führung gehen. Porto strotzte vor Selbstbewusstsein, wollte die Zebras phasenweise vorführen. Doch die ließen sich nicht abschütteln: Ole Rahmel, nach Ekbergs Verletzung Alleinunterhalter auf Rechtsaußen, Pekeler und der aufdrehende Nikola Bilyk sorgten binnen 120 Sekunden und einem 3:0-Lauf für das 17:19. Der Kieler Lauf wurde durch eine erneute theatralische Aktion von Gomes, schon im Hinspiel mehrfach durch solche Aktionen aufgefallen, gestoppt: Pekeler musste zum zweiten Mal für zwei Minuten vom Feld, die Portugiesen nutzten dies zum 21:17 (37.). Doch irgendwie schien dies alles die nun "Wilde 13" zusammenzuschweißen. Die Abwehr stabilisierte sich, und Porto machte unter Druck Fehler. Trotzdem blieb der Gastgeber nach M'Bengues 23:19 mit vier Treffern vorn.

Zebras kämpfen bis zum Umfallen

Auswärtssieg!

Es folgte die vielleicht beste Phase der Scharz-Weißen: Bilyk sah den an den Kreis eingelaufenen Rahmel, Wiencek blockte einen Gomes-Wurf direkt in die Arme des startenden Landin, Pekeler blockte Gomes, und der am gegnerischen Kreis gegen die Hünen wie besessen ackernde Patrick Wiencek holte einen Siebenmeter heraus. Als dann auch noch Bilyk von Halbrechts traf, hatten die Kieler den Fünf-Tore-Rückstand wettgemacht, erstmals seit dem 9:9 zum 23:23 ausgeglichen. 13 Minuten vor dem Ende kündigte sich ein neuerlicher Thriller an, und der behielt seine Spannung bis in die Schlussphase. Als Porto in der 57. Minute durch ein irreguläres Gegenstoß-Tor von Iturriza Alvarez das 29:27 erzielte, schien sich das Storyboard vom Sonntag zu wiederholen. Doch nicht mit den kämpfenden Zebras: Wiencek holte wieder einen Siebenmeter heraus, den Landin cool verwandelte. Hinten tippte der Kieler Kreisläufer einen Pass an den Kreis heraus, Duvnjak schloss die zweite Welle erfolgreich ab: Ausgleich! 57 Sekunden vor Schluss nahm Porto die Auszeit, 37 Sekunden vor Schluss unterlief Balasquez ein klares Stürmerfoul. Der THW Kiel spielte die Zeit herunter, brachte durch den einlaufenden Landin Unruhe in den Deckungsverband, und Reinkind traf. Nach Wienceks finalem Block gegen Iturriza lagen sich müde, abgekämpfte und glückliche Kieler in den Armen: Auswärtssieg!

Sonntag Spitzenspiel gegen Hannover

Der THW Kiel behält seine weiße Auswärtsweste

Erst am späteren Donnerstagabend werden die Kieler von der weitesten Auswärtstour der Gruppenphase wieder zurück in Kiel erwartet. Die Zeit drängt, denn die nächste schwere Partie steht bereits vor der Tür: Am Sonntag empfangen die Zebras in der seit Wochen ausverkauften Sparkassen-Arena den Tabellenführer TSV Hannover-Burgdorf zum absoluten Spitzenspiel der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga. Die Niedersachsen, die sich seit dem Unentschieden in Wetzlar am Sonntag auf die Begegnung in Kiel vorbereiten, reisen mit einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein nach Kiel: "Wir fahren nach Kiel, um dort zu gewinnen", sagt Hannovers Nationalspieler Fabian Böhm. "Und wir wissen, dass wir in der Sparkassen-Arena gewinnen können." Anwurf ist Sonntag um 13:45 Uhr, die THW-FANWELT öffnet bereits um 11 Uhr. Für alle, die keine Tickets für das Top-Spiel mehr bekommen haben, überträgt wie gewohnt Sky die Begegnung live. Zudem wird die Partie auch im Free-TV zu sehen sein: Das NDR-Fernsehen zeigt die 60 Minuten ebenfalls live, ein Nachbericht wird in der "ZDF Sportreportage" und in der "ARD Sportschau" zu sehen sein. Vierter gegen Erster, vier Minuspunkte gegen vier Minuspunkte. Mehr Spitzenspiel geht nicht. Es wird wieder Zeit für den "weiße Wand"-Hexenkessel: Weiter geht's, Kiel! 

Fotos: FC Porto Sofarma

VELUX EHF Champions League, 8. Spieltag: FC Porto Sofarma (POR) - THW Kiel: 29:30 (16:14)

FC Porto Sofarma: Quintana (1.-60., 17/1 Paraden), Bauer (2 Siebenmeter, keine Parade); Iturriza Alvarez (5), Balasquez (5), Soares (1), M'Bengue (3), Sousa (3), Salina (1), Ribeiro, Fernandes (2), Hernandez (1), Branquinho (4/1), Pegas, Gomes (3), Magalhaes; Trainer: Andersson
THW Kiel: N. Landin (20.-42., 52.-60., 3 Paraden), Quenstedt (1.-20., 42.-52., 2 Paraden); Duvnjak (2), Reinkind (8), M. Landin (9/6), Wiencek, Rahmel (2), Dahmke, Zarabec, Horak, Bilyk (4), Pekeler (4), Nilsson (1); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Jonas Eliasson / Anton Palsson (ISL) 
Zeitstrafen: Porto: 3 (Gomes (12.), Saline (28.), M'Bengue (45.)) / THW: 4 (2x Pekeler (20., 36.), M. Landin (20.), Wiencek (26.))
Siebenmeter: Porto: 2/2 / THW: 7/6 (Quintana hält Landin, der den Nachwurf verwandelt (13.))
Spielfilm: 1:0, 3:2 (4.), 5:4 (8.), 6:5 (11.), 8:7 (14.), 9:9 (16.), 11:9 (19.), 11:10, 13:10 (21.), 13:12 (23.), 15:12 (24.), 16:13 (26.), 16:14;
19:14 (33.), 19:17 (35.), 21:17 (37.), 21:18, 23:19 (43.), 23:23 (47.), 24:24 (50.), 26:24 (51.), 27:25 (53.), 27:27 (57.), 29:27 (58.), 29:29 (59.), 29:30 (60.).
Zuschauer: 2225 (ausverkauft) (Dragao Arena, Porto (POR))