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KN: In letzter Sekunde

Bundesliga

KN: In letzter Sekunde

Kiel. Der THW Kiel hat in der Handball-Bundesliga Gas gegeben, ist geschlingert und hat erst ganz am Ende in die Spur zurückgefunden. Das 32:31 (20:16, siehe THW-Spielbericht) gegen eine ebenfalls ersatzgeschwächte MT Melsungen war eine torreiche Begegnung – keine für Liebhaber des Abwehrspiels - und hatte einige Geschichten zu erzählen. Der große Held ist am Ende Marko Vujin.

In letzter Sekunde

Da ist zum Beispiel die Geschichte des Comebacks von Linksaußen Raul Santos. Der Österreicher macht sein erstes Pflichtspiel für die Zebras seit dem 29. April 2017, steht völlig überraschend in der Anfangsformation, weil Rune Dahmke an einer Schambeinentzündung laboriert. THW-Trainer Alfred Gislason muss auf Domagoj Duvnjak, Steffen Weinhold und René Toft Hansen verzichten, beginnt im Rückraum mit Nikola Bilyk, Miha Zarabec und Marko Vujin. Und eben Santos auf Linksaußen. Santos trifft, Vujin trifft, Vujin bedient Patrick Wiencek zum 4:1 (5.). Sieht nach (neuem) Selbstbewusstsein aus. Die 3:2:1-Deckung mit Christian Dissinger an der Spitze setzt den Angriff der Nordhessen unter Druck. Die müssen ohne Abwehrchef Finn Lemke (Oberschenkelzerrung) antreten. Auch Rechtsaußen Tobias Reichmann ist nicht dabei, der Ex-Kieler fehlt aus familiären Gründen.

Selbstbewusstsein ja, Sicherheit, Souveränität nein. Melsungen kann den Abstand mit gewohnt rustikalen Mitteln und solidem Kreuzen immer wieder gering halten, reüssiert allzu oft über Johannes Golla am Kreis. Santos trifft, Melsungen gleicht aus (12:12/21.), weil dem THW in Unterzahl ein Fehler nach dem anderen unterläuft. Es geht hin und her. In der 29. Minute fasst sich Santos ein Herz. "Ich habe meine Chance bekommen und das Beste aus mir rausgeholt." Ein Steal, ein Gegenstoß, 19:16. Zur Pause liegen die Zebras mit vier Toren in Führung.

Ansehnlicher wird das Spiel in der zweiten Halbzeit nicht. Im Gegenteil. Niclas Ekberg - vor dem Anpfiff aufgrund seiner Vertragsverlängerung umjubelt - hat nicht seinen besten Tag erwischt. Ole Rahmel kommt für ihn aufs Feld, liefert erneut ab. Bei seinem 23:19 (36.) ist die Welt noch in Ordnung, nach seinem 24:22 (40.), das er mit einem "Flieger" zelebriert, wieder ein bisschen schöner. Marko Vujins Selbstbewusstsein ist Minute für Minute wieder aus dem Körper des Serben gewichen. Wieder Pfiffe. Sechs Fehlversuche und einige Fehler sind es am Ende. Vujin hat aber auch geniale Momente. Da ist sein tolles Anspiel auf Wiencek zum 26:22 (42.). Doch den Kielern gleitet wieder einmal ein Spiel (fast) durch die Finger. Die Abwehr findet kein Rezept gegen Michael Müller oder Shooter Julius Kühn. Als Vujin wieder einmal an Sjöstrand im MT-Tor scheitert, muss er schon wieder raus, aber auch mit Niclas Ekberg auf Halbrechts sucht der THW Stabilität. Nach drei Minuten kommt Vujin zurück, und das letzte Kapitel dieses Abends beginnt. Jetzt steht auch Niklas Landin im Tor (11 Paraden) seinen Mann, er war zwischendurch durch Andreas Wolff ersetzt worden.

Beim 29:30 (54.) geht Melsungen zum ersten Mal überhaupt in Führung. Geht das noch schief? Beim 30:31 bekommt der THW einen Siebenmeter zugesprochen. Und wer übernimmt Verantwortung? Marko Vujin! Ausgerechnet! Vujin trifft (31:31/57.). Dann noch ein Strafwurf. Nur noch fünf Sekunden sind zu spielen. Wieder Vujin! Tor! Sieg! Das Spiel ist aus. "Marko! Marko!"-Rufe hallen durch die Arena. Und das ist dann die Geschichte, die sich besonders die einmal durchlesen sollten, die ihren Helden eben noch ausgepfiffen haben.

(Von Tamo Schwarz und Merle Schaack, aus den Kieler Nachrichten vom 02.03.2018, Foto: Sascha Klahn)