
Tomas Mrkva im Interview: "Kiel bleibt für mich immer eine Herzensangelegenheit"
Tomas Mrkva, Torwart des THW Kiel, blickt im Interview mit dem Arena-Magazin ZEBRA zum Heimspiel gegen Hamburg auf die Saison 2024/25 zurück - seine letzte im Trikot der Zebras, mit denen er seine ersten Titel außerhalb Tschechiens feierte. Im Sommer wechselt der 36-Jährige zum SC DHfK Leipzig, doch bleibt er mit Kiel nicht nur aus sportlicher Sicht für immer eng verbunden.
"Pokalsieg war die Krönung der Saison"
ZEBRA: Tomas, eine lange Saison neigt sich dem Ende zu. Kosten die Spiele jetzt mehr Kraft als noch zu Beginn?
TOMAS MRKVA: Das ist ganz unterschiedlich. Es geht eher auf die mentale Stärke. Man könnte sagen, die Batterien sind halb leer – aber wenn der Kopf mitspielt, fühlen sie sich trotzdem voll an. Und ich finde, die Jungs machen das richtig gut. Wenn man bedenkt, dass Niko jetzt erst dazugestoßen ist und wir die Saison fast komplett mit nur drei oder vier Rückraumspielern durchgezogen haben – da muss man einfach den Hut ziehen. Das ist nicht selbstverständlich. Klar, in der Bundesliga lief es nicht so, wie wir uns das erhofft haben. Wir haben zu viele Punkte gegen direkte Konkurrenten liegen lassen. Zweimal gegen Magdeburg zweimal gewonnen, sonst leider nichts geholt. Aber im DHB-Pokal konnten wir uns belohnen - das war stark und die Krönung der Saison.
ZEBRA: Du hast die mentale Stärke angesprochen - machst du da etwas ganz bewusst? Oder ist das eher Abschalten mit der Familie, mal spazieren gehen, um den Kopf freizukriegen?
MRKVA: Ich mache kein spezielles Mentaltraining oder so. Ich glaube, mit der Erfahrung und meinem Alter weiß man einfach, was einem guttut. Dazu gehört auch, sich gut auf Spiele vorzubereiten - zum Beispiel mit Videostudium-– und genauso die Fähigkeit, mal komplett abzuschalten. Mit der Familie gelingt mir das am besten. Da kann ich wirklich runterkommen, bevor es dann wieder ernst wird. Ich denke, das ist mein "Geheimnis".
"Wir sind mental unfassbar stark aufgetreten"
ZEBRA: Spürt ihr auch im Training das Ende der Saison? Wird da anders gearbeitet?
MRKVA: Dass wir ganz anders trainieren, wäre übertrieben zu sagen, aber es ist schon gezielter und mehr auf den jeweiligen Gegner ausgerichtet und auf das, was wir konkret im Spiel brauchen. Allzu viel hat sich die letzten Wochen aber nicht verändert.
ZEBRA: Wenn du auf die Saison zurückblickst - gibt es für dich ein Highlight, das dir sofort in den Kopf kommt?
MRKVA: Ich würde das wieder mit der mentalen Stärke verbinden. Dass wir trotz dessen, dass wir nicht in voller Mannschaftsstärke waren, auch viele gute Dinge erreicht haben. Klar, es gab auch schwächere Spiele, aber über die Saison gesehen sind wir mental unfassbar stark aufgetreten. Das bleibt bei mir hängen.
ZEBRA: Und wenn du auf dich selbst schaust - wie zufrieden bist du mit deiner persönlichen Saison?
MRKVA: Zufriedenheit ist immer relativ, finde ich. Wir haben den Pokal geholt und standen im Final4 der European League - das ist top. Auf der anderen Seite waren wir in der Bundesliga nicht so erfolgreich wie erhofft und haben unser intern gestecktes Ziel verpasst. Aber was mein Spiel betrifft: Ich glaube, Andi und ich haben ein gutes Torhüter-Duo gebildet. Wenn es bei einem mal nicht lief, hat der andere übernommen - das passt sehr gut.
"Bin froh, dass ich mit 36 noch auf Top-Niveau spielen kann"
ZEBRA: Zu Beginn der Saison war die Torhütersituation ja besonders - ihr wart mit Samir Bellahcene zu dritt. Wie bist du persönlich damit umgegangen?
MRKVA: Da kam bei mir die Meniskusverletzung dazwischen. Dadurch war ich erstmal raus aus dem Thema und musste mich auf mein Comeback konzentrieren. Die Entscheidung, dass Andi und ich das Duo bilden, kam dann von den Verantwortlichen - und das haben wir angenommen. Für mich war das persönlich kein großes Thema, weil ich zu Beginn gar nicht dabei war - ich hatte andere Baustellen.
ZEBRA: Du hast gerade gesagt, dass ihr als Duo gut funktioniert. Trotzdem ist man als Torwart ja oft ein bisschen 'alleine' auf dem Feld. Hattest du jemals den Wunsch, im Feld zu spielen?
MRKVA: Wenn das der Fall gewesen wäre, würden wir jetzt nicht hier sitzen und dieses Interview führen (lacht). Ganz am Anfang meiner Karriere, in der Jugend, hab ich vielleicht zwei Mal im Feld gespielt - das war's. Heutzutage ist Handball so körperbetont, das würde mein Körper gar nicht mehr mitmachen. Ich bin froh, dass ich im Tor stehe, mit 36 noch auf Top-Niveau spiele und in Leipzig nochmal zwei Jahre dranhängen kann. Darauf bin ich stolz.
ZEBRA: Du gehörst zu den Top-5-Torschützen unter den Torhütern des THW Kiel - mit drei Treffern! Da ist noch Luft nach oben …
Nur drei? Laut Statistik? (lacht) Na gut, dann muss ich wohl nochmal nachlegen. Aber ehrlich - wenn ich sehe, was da auf dem Feld an Auslöse-Handlungen und Spielsystemen passiert, bin ich doch froh, hinten im Tor zu stehen. Ich bekomme dafür ab und zu einen Ball auf die Zwölf, das gehört aber dazu. Manchmal muss man ein paar Tage pausieren, aber die meisten Kopftreffer steckt man letztlich gut weg.
"Das THW-Logo ist etwas Besonderes"
ZEBRA: Du hast deinen Wechsel nach Leipzig angesprochen. Gibt es etwas, das du aus Kiel für dich persönlich mitnimmst?
MRKVA: Ich habe einige der besten Handballer der Welt inzwischen als Freunde. Ích habe hier erlebt, wie ein Top-Top-Klub funktioniert.Wie die besten Handballer der Welt arbeiten, leben, ticken. Und dass man mit seinen Fähigkeiten ein Teil davon sein kann - das ist nicht selbstverständlich. Man muss viel investieren, um auf diesem Niveau zu bleiben, aber es zahlt sich aus. Das nehme ich mit nach Leipzig. Und natürlich: Meine Tochter wurde hier geboren - eine richtige Kielerin! Kiel bleibt für mich eine Herzensangelegenheit.
ZEBRA: In Kiel - und auch auswärts - habt ihr immer viele Fans, die euch anfeuern. Bekommst du auf dem Spielfeld eigentlich viel von dieser Unterstützung mit?
MRKVA: In der Wunderino Arena auf jeden Fall. Das ist ein Handball-Tempel. Es gibt keine andere Halle auf der Welt, wo der "Geist" so anwesend ist und man die Atmosphäre bei jedem Spiel spürt. Das ist jedes Mal ein besonderes Erlebnis. Und auch auswärts - da ist die Halle oft voll, wenn der THW Kiel kommt. Wir haben viele Fans, die uns überall hin begleiten, selbst in der European League - ob in Novi Sad oder Torrelavega. Manchmal sind es nur zehn, fünfzehn Leute - aber sie stehen auf unserer Seite.
ZEBRA: Das bringt natürlich auch eine gewisse Verantwortung mit sich - spürst du die?
MRKVA: Ja, klar. Das THW-Logo ist etwas Besonderes. Ich glaube, jedes Kind, das mit Handball anfängt, kennt es. Und wer Handball spielt, träumt davon, mal in Kiel zu spielen. Da merkt man schon, dass man eine gewisse Verantwortung hat - dem Verein, den Fans, dem Logo gegenüber. Gleichzeitig braucht man auch eine gewisse Lockerheit, damit das nicht zu schwer wiegt.
Das Interview führte Rika Finck.
Fotos: Sascha Klahn