Erste Niederlage im Jahr 2022: THW Kiel verliert gegen die Füchse
Der THW Kiel musste am Sonntagnachmittag in die erste Niederlage im Jahr 2022 einwilligen: Gegen die starken Füchse aus Berlin verschliefen die "Zebras" die erste Halbzeit komplett, kämpften sich dann wieder heran, um nach dem mysteriösen "Tor-Klau von Kiel" doch wieder ins Hintertreffen zu geraten. Am Ende gewannen die Hauptstädter das Spitzenspiel der LIQUI MOLY HBL auch dank des überragenden Torschützen Hans Lindberg, der neun seiner 11/2 Treffer vor dem Seitenwechsel erzielte, verdient mit 31:27 (19:15), feierten ihren ersten Sieg überhaupt in Kiel und zogen im engen Rennen um Platz zwei nach Minuspunkten vorbei an den Zebras. Besonders bitter: THW-Rückraumspieler Sander Sagosen verletzte sich nach einem starken Beginn an der Schulter und kam anschließend nicht mehr zum Einsatz.
Stilles Zeichen gegen den Krieg
Beeindruckendes Bild für Frieden und die Solidarität mit der Ukraine
Es war ein besonderes Spiel, nicht nur aufgrund der sportlichen Situation: Beide Mannschaften traten in Sondertrikots an, die Berliner in Blau-Gelb, der THW Kiel in seinem weißen Friedenstrikot mit Peace-Zeichen auf der Brust. Beide Teams drückten so in diesem in viele Länder Europas übertragenen Spiel ihre Wunsch nach Frieden und ihre Solidarität mit der Ukraine aus. Vor dem Anwurf im Peace-Zeichen-Mittelkreis zeigten auch die Fans des Handball-Rekordmeisters, dass ihre Gedanken bei den Menschen in der Ukraine sind: Mit blau-gelben Schildern sorgten sie für ein eindrucksvolles Bild, eine weitgehend stille Demonstration gegen Krieg.
Niklas Landin muss passen
THW-Trainer Filip Jicha musste im Spitzenspiel gegen Berlin auf seinen Welthandballer verzichten: Niklas Landin musste nach seiner Blinddarm-Operation passen. "Der Arzt hat es ausgeschlossen, das Spiel heute kommt für mich noch zu früh", hatte Landin vor der Partie gesagt. "Ich habe leicht für mich trainiert, aber noch nicht mit der Mannschaft. Mein Ziel ist es, gegen Magdeburg wieder dabei zu sein." Der "Handballer des Jahres" feuerte seine Mannschaft von der Tribüne aus an.
Sander Sagosen verletzt sich an der Schulter
Sander Sagosen blieb nach einem Foul von Fabian Wiede mit einer Schulterverletzung in der Kabine
Das, was er und die 6000 Zuschauer in der Wunderino Arena sahen, war allerdings so gar nicht nach dem Geschmack aller Schwarz-Weißen: Der THW Kiel verschlief den Auftakt komplett, brauchte mehr als vier Minuten für den ersten Torerfolg und lief von Beginn an der Musik hinterher. Diese spielte für Hans Lindberg: Der dänische Außen der Berliner traf nach Belieben, erzielte allein die ersten vier Treffer der Füchse, die bissiger in der Defensive waren und zudem in Milosavljev einen starken Rückhalt hatten. Bei den Zebras war es zunächst nur Sander Sagosen, der eine Lücke fand: Sein drittes Tor zum 4:5 (10.) war dann aber sein letztes in der Partie. Fabian Wiede war Sagosen rotwürdig angegangen, der nach dem Foul auch noch unglücklich fiel. Mit starken Schmerzen in der linken Schulter musste der Norweger ausgewechselt werden, er blieb nach der Pause sogar in der Kabine. Über die Schwere der Verletzung müssen jetzt intensivere Untersuchungen Auskunft geben.
Füchse mit klarer Halbzeitführung
Hans Lindberg war nicht zu stoppen
Niclas Ekberg und Domagoj Duvnjak trafen anschließend zum Ausgleich, doch die Füchse hatten stets die passenden Antworten und nutzten die Kieler Fehler konsequent: Ein 3:0-Lauf brachte sie wieder komfortabel nach vorn, und der THW Kiel lief wieder einem Rückstand hinterher, der beim 8:12 sogar auf vier Treffer anwuchs und beim 18:13 sogar schon fünf Tore betrug, auch weil die Zebras einige Vorlagen nach Paraden des 20-jährigen Torhüters Philipp Saggau nicht nutzen konnten. Trotzdem pirschten sie sich mit großen Einsatz heran: Magnus Landin traf zum 14:18, und Niclas Ekberg verkürzte nach einer Saggau-Parade sogar auf 15:18. Ärgerlich, dass Wiedes Wurf mit der Halbzeitsirene noch im langen Eck einschlug - dennoch war die 19:15-Füchse-Führung zur Pause mehr als verdient.
Endlich ein Duell auf Augenhöhe
Mit viel Energie kehrte der THW Kiel zurück aus der Kabine: Zarabec jagte den Ball mit 111 km/h in die Maschen, Dario Quenstedt hielt einige Bälle, was Landin und Duvnjak zu Treffern nutzten. Als Magnus Landin dann in der Abwehr auch noch seine langen Arme erfolgreich einsetzte und Hendrik Pekeler den Gegenstoß zum 19:19 verwandelte, war auch der Faktor Fans in der Wunderino Arena da: Lautstark wurde die Rückkehr der Kieler in dieses Spitzenspiel gefeiert. Und das wurde jetzt seinen Vorschluss-Lorbeeren gerecht: Beide Teams lieferten sich nun ein Duell auf Augenhöhe, das die Berliner mit einem 3:0-Lauf wieder im Vorteil sah, den aber Ekberg und Weinhold konterten.
Der "Tor-Klau" von Kiel
Hendrik Pekeler traf zum zwischenzeitlichen Ausgleich
Es folgte die vielleicht entscheidende Szene: Harald Reinkind traf nach einem Durchbruch den Pfosten, von dort sprang der Ball gegen Milosavljev und von dort aus ins Tor. Der Tor-Schiedsrichter hob zur Anzeige des Treffers den Arm, der Feldschiedsrichter machte sich schon auf den Weg in die Kieler Hälfte, um dann abrupt abzustoppen. Nach eingehender Beratung und Befragung des Berliner Torhüters entschieden Baumgart/Wild doch auf Abwurf - eine Entscheidung, die den Befürwortern des Videobeweises in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga als Anschauungsobjekt gute Dienste leisten wird. So oder so: Das Momentum, das sich Richtung Kiel gewandt hatte, verpuffte. Keine Kieler Führung, dafür weiter ein großartiges Aufbäumen gegen starke Berliner und das fehlende Glück: Traumhaft, wie Weinhold Wiencek zum 25:25 bediente (51.).
Erster Berliner Erfolg überhaupt in Kiel
Stoppschild Kieler Mühen: Dejan Milosavljev
Aber genauso ärgerlich, wie nun Milosavljev zum Stoppschild der Kieler Offensiv-Bemühungen wurde. Wieder legten die Füchse einen 3:0-Lauf hin, und von diesem erholten sich die Zebras nicht mehr. Spätestens nach Lindbergs elftem Treffer zum 29:26 (58.) war klar, dass den Hauptstädtern an diesem Abend Historisches gelingen würde: Sie feierten den ersten Sieg überhaupt in Kiel, während die Zebras enttäuscht über die erste Niederlage im Jahr 20022 das Feld verließen.
Nationalmannschaften und nächstes Spitzenspiel
Die Kieler Mannschaft zerstreute sich nach dem Abpfiff in viele Windrichtungen: Die erste Nationalmannschafts-Woche nach der EHF Euro fordert die aktiven Nationalspieler. Danach geht es für den THW Kiel gleich noch einmal in die Vollen: Am Samstag, 26. März, steht als nächste Partie das Spitzenspiel beim SC Magdeburg auf dem Programm. Anpfiff in der Börde ist um 18 Uhr. Sky überträgt live, und auch im Free-TV gibt es die Begegnung in der ARD-Sportschau in voller Länge zu sehen. Weiter geht’s in Magdeburg, Kiel!
Fotos: Sascha Klahn
LIQUI MOLY HBL, 24. Spieltag: THW Kiel - Füchse Berlin 27:31 (15:19)
THW Kiel: Saggau (21.-30., 3 Paraden), Quenstedt (1.-21., 31.-60., 8 Paraden); Ehrig (n.e.), Duvnjak (5), Sagosen (3), Reinkind (4), M. Landin (4), Weinhold (1), Wiencek (3), Ekberg (5/4), Ciudad (n.e.), Dahmke, Zarabec (1), Horak (n.e.), Bilyk, Pekeler (1); Trainer: Jicha
Füchse Berlin: Genz, Milosavljev (1.-60., 13/1 Paraden); Wiede (4), Holm (3), Dieffenbacher (n.e.), Andersson (3), Lindberg (11/2), Morros, Langhoff, Chrintz, Beneke (2), Matthes (5), Kopljar, Vujovic, Marsenic (2), Drux (1); Trainer: Siewert
Schiedsrichter: Fabian Baumgart / Sascha Wild
Zeitstrafen: THW: 2 (Sagosen (3.), Pekeler (19.)) / Füchse: 4 (Wiede (10.), 2x Marsenic (23., 44.), Morros (57.))
Siebenmeter: THW: 5/4 (Milosavljev hält Ekberg (27.)) / Füchse: 2/2
Spielfilm: 0:3 (5.), 2:5 (7.), 4:6, 6:6 (11.), 6:9 (14.), 8:10 (16.), 8:12 (18.), 10:14, 12:15 (23.), 12:17 (24.), 13:18, 15:18 (30.), 15:19;
19:19 (35.), 20:20, 20:23 (38.), 21:24 (40.), 24:24 (49.), 25:25, 25:28 (57.), 27:29 (58.), 27:31.
Zuschauer: 6000 (ausverkauft) (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Glückwunsch an die Füchse zum Spiel und zu den zwei Punkten. Wir haben heute gerade in der ersten Halbzeit nicht die nötige Leistung gezeigt, die Abstimmung zwischen Abwehr und Torhüter funktionierte nicht wie gewollt, und so liefen von Beginn an unseren Plänen hinterher, und die Füchse konnten eine komfortable Führung mitnehmen. In der Halbzeit haben wir dann erfahren, dass Sander nicht wiederkommen würde, damit war unser zentraler Angriffsspieler auch aus dem Rennen. Ich muss meine Jungs dann dafür loben, wie wir wieder aus der Kabine gekommen sind. Da haben wir Willen und Charakter gezeigt, aber wir sind nie wieder in die Situation gekommen, das so genannte Momentum noch einmal auf unsere Seite zu bekommen. Dann fehlte uns auch ein bisschen das Spielglück, und am Ende war das dann alles zu viel. Wir hätte gerne gewonnen, das war nach der ersten Halbzeit aber nicht möglich. Es ist eine sehr schmerzhafte Niederlage für uns.“
Füchse-Trainer Jaron Siewert: Ich bin extrem stolz. Die erste Halbzeit war überragend. Da hat fast alles geklappt. Wir sind dann schlecht in die zweite Hälfte gekommen, was mich an das letzte Spiel hier in Kiel erinnert hat. Aber dann hatten wir auch ein wenig Glück. Landin, der uns das Leben häufig schwer gemacht hat, war heute nicht dabei und konnte deshalb nicht die Nadelstiche setzen. Wir sind überglücklich und froh über den Sieg.
THW-Kapitän Patrick Wiencek bei Sky: Für die Zuschauer war es ein spannendes Spiel. Wir sind zurückgekommen und dachten, dass wir es wieder im Griff bekommen. Aber dann ist Berlin wieder mit drei Toren vorn. Es war kein guter Tag von uns. Wir haben keine Lösungen gefunden, und Berlin hat heute verdient gewonnen.
Füchse-Toptorschütze Hans Lindberg bei Sky: Wir konnten heute das Torhüterduell gewinnen, was in Kiel selten passiert. Wir haben viele Dinge sehr gut gemacht und die ganze Zeit dran geglaubt. Ich freue mich riesig und wir werden am Ende sehen, ob es für die Champions-League reicht.
