KN: Typen, die Zeichen setzen

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KN: Typen, die Zeichen setzen

Wetzlar. Lange nach Spielende machte Franz Semper am Mittwochabend in der Rittal Arena in Wetzlar Fotos mit Freunden und Familie, die allesamt Semper-Masken vor dem Gesicht trugen. Frech hatte sich der 21-Jährige vom SC DHfK Leipzig beim 37:21 der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB, siehe Spielbericht) gegen Handball-Zwerg Israel ins Bewusstsein der Fans gespielt. Bei der Heim-Weltmeisterschaft im Januar wird der Linkshänder aller Voraussicht nach trotzdem nicht dabei sein.

Casting für die Heim-WM im Januar hat begonnen

Denn Semper ist die Nummer vier auf der halbrechten Rückraumposition im Kader von Bundestrainer Christian Prokop hinter den verletzten oder angeschlagenen Steffen Weinhold (THW Kiel), Fabian Wiede (Füchse Berlin) und Kai Häfner (TSV Hannover-Burgdorf). Semper, der längst auch in den Notizbüchern der THW-Verantwortlichen steht, reagiert realistisch auf die Situation. "Ich weiß, dass es schwer für mich wird, wenn alle drei wieder fit sind. Ich habe einfach versucht, das zu machen, was Christian von mir kennt."

Von Christian, dem Bundestrainer, gab es nach den 60 Minuten, in denen Semper vier Tore erzielte, viel Druck entwickelte und in der 6:0-Deckung eine passable Figur machte, aber zuweilen auch ungestüm und vorschnell agierte, ein Lob: "Wir wissen, was wir an Franz haben. Er weiß, wo das Tor steht, hat wenig Respekt." Semper ist ein Mann für die Zukunft, das weiß auch Prokop, der jedoch nichts dem Zufall überlassen will. "Alle im 28er Kader haben die Möglichkeit und das Vertrauen, es bis zur Heim-WM zu schaffen. Man sieht ja, wie schnell es gehen kann: Mit Wiede, Häfner, Weinhold sind uns auf einmal drei Spieler, dreimal Erfahrung weggebrochen. Und Franz hat seit einem Jahr noch mal einen Sprung gemacht, hat sich die Nominierung verdient."

Während den Bundestrainer bei den Rückraum-Linkshändern, am Kreis und auf den Außenpositionen eher Luxusprobleme bewegen, bleiben die Rückraum-Mitte und der linke Rückraum große Baustellen. Den bei den Rhein-Neckar Löwen starken Steffen Fäth hat Prokop vor dem Start in die EM-Quali zum Ersatzmann degradiert, Philipp Weber gar nicht berücksichtigt, der Berliner Paul Drux ist noch verletzt. Darum feierte ein Europameister und Olympia-Bronze-Gewinner von 2016 sein Comeback, nach dessen klassischem, zuweilen spießigem, aber höchst effektivem Aufbauspiel sich der deutsche Handball bei den verkorksten Turnieren 2017 und 2018 so sehr gesehnt hatte: Martin Strobel. Der 32-Jährige - 2016 aus der Nationalmannschaft zurückgetreten - zieht beim HBW Balingen-Weilstetten die Fäden, derzeit Sechster der Zweiten Bundesliga. "Martin ist enorm wichtig, ein klassischer Mittelmann, Denker und Lenker. Schön, dass er wieder da ist", sagte Kiels Kreisläufer Patrick Wiencek am Mittwoch. Zustimmung gab es vom DHB-Chefcoach: "Martin hat unser Spiel mit viel Passgeschwindigkeit angetrieben, Schwung reingebracht, hat variabel spielen lassen. In der Rückraum-Mitte habe ich viel Schwung und Kreativität gesehen, auch bei Tim Suton. Mir sind Typen wichtig, die Zeichen setzen", so Prokop.

Semper, Strobel, Suton - schillernde Typen der Marke Stefan Kretzschmar sind das eher nicht. Schon eher der vollbärtige, derzeit überragende Linksaußen Matthias Musche, der zu alter Form zurückgekehrte Tobias Reichmann, der klug auch neben dem Feld reflektierende Kieler Hendrik Pekeler oder die beiden Keeper Andreas Wolff und Silvio Heinevetter. Am 10. Dezember muss Christian Prokop seinen 28er Kader bekanntgeben, darf schließlich mit 16 Spielern zur WM fahren. "Unser erstes Abwehrsystem war sehr stabil, wir haben den Kreis gut verteidigt, das Zusammenspiel mit dem Torwart verbessert, denn das zwischen den Pfosten ist ja keine One-Man-Show. Im Kosovo (nächster Quali-Gegner am kommenden Sonntag um 19.30 Uhr, die Red.) wird es darum gehen, die Dinge zu vertiefen. Wir werden unsere Angriffe auch noch etwas verändern", sagte Prokop am Mittwoch. Das Casting, das er möglichst nicht bis in den Dezember hinein in die Länge ziehen möchte, hat also begonnen.

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 26.10.2018, Foto: Sascha Klahn)