fbpx

THW besiegt Gummersbach nach Acht-Tore-Rückstand

Bundesliga

THW besiegt Gummersbach nach Acht-Tore-Rückstand

Bundesliga, 4. Spieltag: 11.09.2013, Mi., 20.15: THW Kiel - VfL Gummersbach: 31:30 (14:20)

Update #2: KN-Artikel und Videos ergänzt

Was für ein Wahnsinns-Spiel! In der 37. Minute der Heimpartie der "Zebras" gegen den VfL Gummersbach hätte am Mittwochabend wohl niemand der 10.285 Fans in der Sparkassen-Arena noch an einen Sieg der Kieler gegen den Altmeister geglaubt. Der überragende Florian von Gruchalla (9 Tore) hatte per Heber zum 23:15 für die Gäste getroffen. Doch in den folgenden Minuten wurde der Handball-Tempel zum Tollhaus: Angetrieben von den Fans und einem in der zweiten Hälfte bärenstarken Filip Jicha drehten die "Zebras" dieses bereits verloren geglaubte Spiel. Zehn Sekunden vor dem Ende markierte der beste Kieler Torschütze Marko Vujin (7/3) den 31:30 (14:20)-Siegtreffer vom Siebenmeterstrich, der anschließende Angriff der Gäste endete in den Armen der THW-Abwehr. Der Rest war Jubel.

Palicka muss früh raus

THW-Trainer Alfred Gislason musste im Spiel gegen den VfL Gummersbach den verletzten Rasmus Lauge ersetzen, da zudem Johan Sjöstrand mit Kniebeschwerden zu kämpfen hatte, begann Andreas Palicka im Tor der Kieler. Doch nach fünf Minuten musste Sjöstrand doch zwischen die Pfosten: Palicka hatte einen Ball ins Gesicht bekommen und musste mit blutender Nase das Feld räumen. Zu diesem Zeitpunkt war allerdings bereits absehbar, dass es gegen den VfL ein schwerer Gang werden würde. Auch, weil der THW-Angriff Fehler in Reihe produzierte. Die Gäste schickten so ein ums andere Mal von Gruchalla auf die Reise, der die Gegenstöße nahezu traumwandlerisch sicher verwandelte.

Toft Hansen wurde "beackert"

Nach einer ausgeglichenen Anfangsphase entriss der VfL dem THW das Heft des Handelns in dessen eigener Arena. Nach von Gruchallas fünftem Gegenstoßtor zum 7:4 für die Gäste zog Gislason erstmals den grünen Auszeit-Karton. Nicht einmal zehn Minuten waren da gespielt - und die "Zebras" wirkten müde und unaufmerksam. Gislason brachte - früher als erhofft - Aron Palmarsson. Der Rekonvaleszent sollte nach seiner Knie-Operation Anfang Juni eigentlich ein bedächtiges Comeback feiern, doch angesichts der Kieler Unordnung im Angriff musste der Isländer früh ran. Palmarsson führte sich wenige Sekunden später mit seinem Tor zum 5:8 gut ein, und wenig später verkürzte Rene Toft Hansen, der 60 Minuten lang von der gegnerischen Abwehr "beackert" und dabei kaum geschützt wurde, zum 7:9. Doch dichter ließen die Gäste die "Zebras" zunächst nicht heran.

Sechs-Tore-Rückstand zur Pause

Gislason reagierte erneut und brachte Christian Zeitz für Vujin. Zeitz traf nach 23 Minuten per Gegenstoß zum 11:12 und bediente kurz darauf Toft Hansen zum 12:13, doch dann agierte der Linkshänder ebenso unglücklich wie seine Nebenleute: Die Folge waren vier VfL-Treffer binnen zweieinhalb Minuten, die Gäste enteilten auf 17:12 und erhöhten mit einem feinen Kempatrick des Sprungwunders Raul Santos wenig später sogar auf 19:13. Der Sechs-Tore-Vorsprung hielt bis zum Pausenpfiff, weil der ebenfalls gute Barna Putics ein Geschoss ins Netz drosch.

Gäste erhöhen

Früh kamen die Kieler aus der Kabine zurück. Kapitän Filip Jicha versammelte seine Mannen kurz vor dem Wiederanpfiff um sich und gab die Marschrichtung vor: Aus einer sicheren Abwehr wollten die Kieler mit Tempo nach vorn spielen und so den Rückstand drehen. Dafür schickte Gislason die pfeilschnellen Gudjon Valur Sigurdsson und Christian Sprenger aufs Feld, im Tor vertraute er wieder auf Andreas Palicka. Eine gute Entscheidung, denn der Schwede führte sich mit einigen Paraden gut ein. Doch seine Vorderleute konnten daraus zunächst kein Kapital schlagen: Sprenger setzte einen Kempatrick gegen die Latte, Sigurdsson scheiterte mit einem Gegenstoß an Lichtlein, und Fredrik Larsson erhöhte für die Gäste. Diese legten nach: Erst fischte Lichtlein erneut einen Sigurdsson-Wurf aus dem Eck, dann traf Santos, und als Niclas Ekberg mit einem Siebenmeter an Ristovski scheiterte, nutzte von Gruchalla ein weiteres Loch in der Kieler Abwehr mit einem frechen Heber zum 23:15 (37.).

Aufholjagd beginnt langsam

Acht Tore Rückstand, nur noch 23 Minuten zu spielen: Die Situation schien aussichtslos, und doch glaubten die THW-Fans auf den Rängen an eine Aufholjagd. Sie feuerten die "Zebras" an, feierten jede gelungene Aktion und ärgerten sich über einige der zahlreichen strittigen Situationen. Als Marko Vujin mit einem Doppelpack verkürzte und nach einer Palicka-Parade Patrick Wiencek den Gegenstoß zum 18:23 versenkte, tobten die Fans auf den Rängen. Hallensprecher Thomas Lorenzen sah die "Zebras wieder im Spiel" - und sorgte so für zusätzliche Stimmung unter dem Arena-Dach. Angeheizt wurde der Hexenkessel auch durch Mark Bult, der nach seinem 25:19 Rene Toft Hansen ungeahndet umriss und so die schnelle Mitte verhinderte. Danach spielten die "Zebras" wie aufgedreht: Filip Jicha machte nach jedem Ballgewinn ein unglaubliches Tempo und führte seine Farben nun mit großer Dynamik ins Feld. Vujin - erneut stark - traf zum 20:25, Sigurdsson versenkte einen Gegenstoß zum 21:25, und Jicha bediente Toft Hansen mustergültig zum 22:25 - VfL-Trainer Emir Kurtagic sah den THW-Express an Fahrt aufnehmen und nahm eine Auszeit (44.).

Jicha dreht auf

Es folgte eine der wohl intensivsten Schluss-Viertelstunden der vergangenen Jahre. Denn obwohl Jicha sich nun zu ganz großer Form aufschwang, als Torschütze, Antreiber und Vorbereiter glänzte, kam der THW nicht heran. Die Kieler Abwehr agierte nun bissiger und beweglicher, das Team kämpfte, und von den Rängen gab es Rückenwind: Trotzdem fanden die Gäste immer wieder eine Lücke - und profitierten auch weiterhin von der Kieler Abschlussschwäche. Doch als Jicha, der seine sechs Tore zwischen der 46. und 60. Minute erzielte, zum 25:26 und wenig später zum 26:27 (51.) verkürzte, glaubten Spieler und die Fans wieder an eine sensationelle Aufholjagd. Doch die Gäste blieben cool, erhöhten durch Bult und profitierten von Ristovski-Paraden.

THW gleicht aus

Doch gegen einen Filip Jicha, der seine Kollegen derart mit- und das Spiel an sich riss, war an diesem Abend kein Kraut gewachsen: Der Tscheche verkürzte mit seinem dritten Tor in Folge auf 27:29 und ließ kurz darauf nach zweiter Welle das 28:29 folgen. Als Jicha dann 20 Sekunden später im Eins-gegen-Eins den Ausgleich erzielte, riss es die Fans von den Sitzen. Drei Minuten vor dem Ende hatte der THW Kiel einen Acht-Tore-Rückstand aufgeholt, in zwanzig Minuten aus einem 15:23 mit einem 14:6-Lauf ein 29:29 gemacht - Wahnsinn.

Vujin markiert Siegtreffer

Doch dieser war noch längst nicht beendet: Kopco traf für den VfL, Sigurdsson antwortete nach Schneller Mitte. Da waren noch 2:20 Minuten zu spielen. Der THW kam wieder in Ballbesitz, Palmarsson traf und wurde zurückgepfiffen. Jicha traf - und wurde zurückgepfiffen - allerdings zugunsten eines Siebenmeters. 13 Sekunden Restspielzeit standen bei 30:30 auf dem Videowürfel, und Marko Vujin übernahm Verantwortung: Er drosch das Leder zum 31:30 in die Maschen, Kurtagic reagierte sofort mit der Auszeit. Der VfL-Trainer brachte einen siebten Feldspieler für die verbliebenen zehn Sekunden, doch der Angriffsversuch der Gummersbacher blieb in der vielarmigen Kieler Abwehr hängen. Der Rest war Jubel. Nach dem optimalen 8:0-Start dürfen sich die Kieler nun aber nicht lange ausruhen: Am Sonnabend fordert Aufsteiger ThSV Eisenach die "Zebras" zum Duell auf. Anwurf in der hitzigen Atmosphäre der engen Werner-Aßmann-Halle ist um 19.00 Uhr.