KN: Zebras auf glühenden Sohlen
Herzogenaurach. Bayern glüht. Und mit ihm die Zebras des THW Kiel. Der Handball-Rekordmeister hat seine Zelte noch für eine Woche im mittelfränkischen Herzogenaurach aufgeschlagen. Trainingslager, so heiß wie nie. Am Dienstag zeigt das Thermometer zwischenzeitlich 38 Grad. Perfekte Bedingungen für ein paar Sprints am Morgen. Oder?
Trainingslager in Herzogenaurach
Um 7.15 Uhr klingelt im Novina Hotel der Wecker, 15 Minuten später schlurfen die Norddeutschen zum Frühstücksbuffet. "Moin!" geht auch mit kaum geöffnetem Mund. Reicht! Abfahrt zum Training um 8.30 Uhr. Trainer Alfred Gislason bittet in die Sporthalle des städtischen Gymnasiums. Kurze Ansage: "Jungs, nach dem Trainingslager wollen wir für die Bundesliga bereit sein." Ach ja, und: "Vielleicht verlegen wir morgen alles eine Stunde nach vorne - wegen der Temperaturen."
Das Equipment - vom Medizinball bis zum Hula-Hoop-Reifen, vom Fahrrad bis zur Geschwindigkeitsmessanlage - haben die THW-Mitarbeiter Harald Stenzel und Manuela Wöhlk in Kleinbussen gebracht. Ein Rad greift in das andere, nichts wird dem Zufall überlassen. Wöhlk holt danach Torwart-Trainer Mattias Andersson ("Ich hatte eigentlich noch Urlaub") vom Flughafen in Nürnberg ab, wohin der Schwede von Stockholm via München eingeflogen kommt. Apropos Arbeitsteilung: Das Aufwärmen und erste Passübungen leitet der neue Co-Trainer (und ehemalige Welthandballer) Filip Jicha, die ersten Wurfabläufe dirigiert Andersson. Neu für Alfred Gislason: die Beobachterrolle.
Die Zebras schwitzen bei tropischen Temperaturen bis 38 Grad
Nikola Bilyk im schweißtreibenden Taktik-Training
Neu ist auch: Alle Spieler des 18er-Kaders, der vom dritten Torwart Tom Landgraf (TSV Altenholz, Zweitspielrecht THW) ergänzt wird, sind - ausgenommen kleinere Blessuren bei Gisli Kristjánsson (Schulter) und Christian Dissinger (Muskelfaserriss Wade) fit, trainieren weitestgehend mit voller Kraft. Vergessen sind vergangene Jahre mit Akteuren wie Blazenko Lackovic, René Toft Hansen und Co., in denen Herzogenaurach immer auch ausuferndes Kranken- und Therapielager war. Alle fit? Zumindest fast. Kapitän Domagoj Duvnjak, der in den vergangenen zwei Jahren an verschiedenen schweren Verletzungen laborierte, bleibt das Sorgenkind, die "größte Baustelle" (Gislason). Morgens wird er von Physiotherapeutin (und Dauergast im Trainingslager) Susanne Bauer aus Angermünde bei Magdeburg behandelt, steigt aber nachmittags ein. Dosiert. "Wir müssen ganz sensibel auf seine körperliche Verfassung achten", sagt Viktor Szilagyi, Sportlicher Leiter der Zebras.
11 Uhr, jetzt geht’s nach draußen. Das Thermometer hat die 30 Grad längst überschritten, und auf der Agenda von Alfred Gislason steht: Schnelligkeitsausdauer. Soll heißen: Ein-, zweimal schnell sein kann ja jeder, aber immer wieder? Auf den Punkt genau? Bayern glüht, die Zebras auch. Dreimal vier kurze Sprints, bei denen die Spieler immer wieder zielgenau vorgegebene Zeiten "treffen" müssen und Punkte bekommen. Am Ende schmilzen die Sohlen in dem Stadion-Glutofen, sind Niclas Ekberg und Christian Dissinger die besten Sprinter, und ein gelbes Hütchen bekommt den Ehrgeiz (und Frust) von Torwart Andreas Wolff zu spüren. Nach fast vier Stunden und einem Abstecher ins Eisbad geht es nach 12.30 Uhr zum Mittagessen.
Der Fahrersitz gerät zur Herdplatte, der Fensterheberknopf sorgt für Brandblasen an den Fingerkuppen. KN-Redakteur und Fotografen quetschen sich nach dem Mittagessen mit den Zebras Dissinger, Vujin und Zarabec ins Auto: kurzes Shopping bei der Marke mit den drei Streifen (klimatisiert). Vujin: "Ich brauche Babyklamotten." Und der verrückte isländische Trainer hat nichts Besseres zu tun, als in der Mittagshitze eineinhalb Stunden Fahrrad zu fahren. Für die Erschöpften: Mittagsruhe. Um 15.30 Uhr geht es mit Kaffeetrinken/Videostudium weiter. Danach die zweite Trainingseinheit in der Sporthalle (17 Uhr). Der Fokus liegt auf der 6:0-Abwehr, und wieder begibt sich Alfred Gislason in die Beobachterrolle, überlässt Filip Jicha das Feld. "Lukas, du musst schneller auf den Beinen sein!", "Sehr gut, Andi!" Zur besten Abendbrotszeit geht es wie gegen eine Wand aus Wärme nach draußen. Es sind noch immer 34 Grad. Abendessen im Hotel um 20 Uhr. Alles glüht.
(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 01.08.2018, Fotos: Sascha Klahn)