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THW Kiel gewinnt Kampfspiel bei der HSG Wetzlar und nimmt zwei Punkte mit nach Hause

Bundesliga

THW Kiel gewinnt Kampfspiel bei der HSG Wetzlar und nimmt zwei Punkte mit nach Hause

Es war nickelig, es war schmutzig, es war Wetzlar: Drei Tage nach dem Champions-League-Wunder gegen Montpellier führte der Spielplan den THW Kiel am Sonntag zurück in den Alltag der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga. Die Zebras meisterten die schwierige Aufgabe bei der HSG Wetzlar mit einem 29:27 (13:14)-Erfolg in der mit 4421 Zuschauern ausverkauften Buderus-Arena. Es war ein hart erkämpfter Arbeitssieg. Die Zebras entführten die Punkte nach einer hitzigen Partie mit vielen Provokationen vonseiten der Gastgeber, die Linkshänder Harald Reinkind unter dem Jubel seiner Mitspieler wenige Sekunden vor dem Schlusspfiff mit seinem Tor zum 29:27 entschied.

Patrick Wiencek humpelt vom Feld

Eric Johansson und Nikola Bilyk waren mit je sechs Treffern beste Kieler Torschützen. Auf Seiten der Gastgeber traf Lukas Becher am besten, Wetzlars Linksaußen netzte siebenmal ein. Dicker Wermutstropfen war die Verletzung am Knie von Patrick Wiencek: Der THW-Kapitän blieb in der 40. Minute nach einem Zusammenprall mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen und humpelte anschließend mit Hilfe seiner Mitspieler vom Feld. Nach einer ersten Untersuchung in der Kabine kehrte Wiencek später auf die Bank zurück und verfolgte die letzten Minuten als Zuschauer. Eine Untersuchung am Montag ergab eine schwere Prellung am linken Knie, Wiencek wird damit etwa acht bis zehn Tage ausfallen. 

Klimpke fällt mit Paraden und Provokationen auf

Auffälligster Akteur auf dem Feld war indes HSG-Schlussmann Till Klimpke - im positiven wie negativen Sinne. Der Torhüter hielt 15 Bälle und erzielte ein Tor, fiel aber vor allem mit Provokationen gegen die Zebras auf. Negativer Höhepunkt war ein Tritt gegen den Kopf von Karl Wallinius: Beim Stand von 12:10 war Wallinius in den Kreis gesprungen, Klimpke riss nach der Parade aber noch den Fuß nach oben und traf den Schweden am Kopf. Der musste in der Folge das Spiel ebenfalls von draußen verfolgen. "Emotionen sind okay", sagte Eric Johansson nach den schweren 60 Minuten in Mittelhessen und schüttelte den Kopf, "aber die Provokationen und der Tritt, nach dem mein Mitspieler Schmerzen am Kopf hatte, waren nicht emotional, sondern schlichtweg unsportlich." 

Das "Wunder von Kiel" hat Kraft gekostet

Die Donnerstag-Gala gegen die Franzosen hatte viel Kraft gekostet. Mental und körperlich. Mit dieser Hypothek im Rucksack und einer 600-Kilometer-Bustour in den Beinen trafen die Zebras ausgerechnet auf jene HSG, die es den Kielern zuletzt oft schwer gemacht hatte. THW-Trainer Filip Jicha musste dabei weiterhin auf Magnus Landin (Handbruch) und Steffen Weinhold (Muskelverletzung) verzichten, hatte aber Elias Ellefsen á Skipagötu für Kurzeinsätze wieder dabei. Die Kieler starteten mit Tomas Mrkva im Tor, im Rückraum vertraute Jicha zunächst der Formation Nikola Bilyk, Harald Reinkind und Karl Wallinius, der nach kurzer Anlaufzeit gut ins Kieler Spiel fand. Bilyk eröffnete den Torreigen der ersten Halbzeit, Domen Novak glich aus. Eric Johansson traf von der Siebenmeterlinie zum 2:1, und Jarnes Faust erhöhte nach gelungenem Ballklau auf 3:1 für die Zebras. Den Zwei-Tore-Vorsprung hielten die Gäste bis zur zehnten Minute, dann egalisierten Cavor und Rubin auf 5:5.

Wetzlar kontert Kieler Vier-Tore-Führung

Aber die Antwort der Zebras ließ nicht lange auf sich warten: Mit einem sehenswerten 4:0-Lauf setzten sich die Kieler bis zur 19. Minute auf 9:5 ab. Nach feinem Johansson-Zuspiel überwand Rune Dahmke Wetzlars Schlussmann mit einem sehenswerten Heber, Johansson verwandelte einen Strafwurf. Petter Överby war nach Bilyk-Anspiel vom Kreis erfolgreich und Wallinius krönte sein Solo mit dem Treffer zum 9:5. Der Startschuss zu einem ungefährdeten Erfolg? Nicht in Wetzlar. Die Zebras spielten sich in der Folge zwar überragende Torchancen heraus, brachten den Ball aber nicht mehr an Klimpke vorbei. Seine Mitspieler nutzten Fehler und die Unentschlossenheit der Zebras gnadenlos, brachte die Buderus-Arena mit einem 7:1-Lauf zum Kochen. Nach 26 Minuten lag die HSG vorne, führte mit 12:10 Toren. 

Rudelbildung nach dem Pausenpfiff

Dann folgte der Tritt von Klimpke an Wallinius Kopf, nachdem der Torhüter dem Schweden sogar Schauspielerei unterstellte und in der Folge überhaupt nicht mehr zu bändigen war und mehrfach verbal gegen die Zebras austeilte. Bis zum Halbzeitpfiff des jungen Schiedsrichter-Duos Cesnik/Konrad blieb der Sport dank des ungebremsten Klimpke-Schaums Nebensache. Die Ausfälle des Keepers bestimmten die Restspielzeit. Immerhin behielt Eric Johansson die Contenance, legte kurz vor dem Pausenpfiff den dritten Siebenmeter an Klimpke vorbei zum 13:14-Halbzeitstand - und feierte diesen ausgiebig. Das wiederum gefiel Klimpke nicht, der sich nicht einmal von seinen Mitspielern bändigen ließ. Die erste Hälfte endete mit einer Rudelbildung - die gereizte Stimmung ließ sich nicht einmal durch den "Pausentee" legen. Es blieb hektisch. Becher legte für Wetzlar auf 15:13 vor, Rune Dahmke traf von Linksaußen kurz und trocken, erzielte das 14:15.

Zebras biegen auf den Erfolgsweg ein

So schleppte sich die Partie mit kleinem Vorsprung für die Gastgeber bis zum 16:18 in der 39. Minute. Dann bekamen die Zebras das Spiel wieder in den Griff. Die offensive Kieler 3:2:1-Abwehr mit Domagoj Duvnjak als Speerspitze war die Basis für den folgenden 5:0-Lauf. Bilyk traf mit Links, Wiencek wuchtete das Johansson-Anspiel im Fallen in den rechten oberen Torwinkel. Dahmke und Överby waren erfolgreich. Und als Domagoj Duvnjak einen Steal von Ekberg zum 21:18 einnetzte, bogen die Zebras in der 44. Minute auf den Erfolgsweg ein. 

Reinkind macht den Deckel drauf

Wetzlar konterte mit Härte und neuerlichen Provokationen, kassierte Zeitstrafen, trafen aber selbst in doppelter Unterzahl zum 21:23 (50.). Die Kieler aber blieben trotzdem cool, lagen durchweg mit drei, vier Toren in Front – auch, weil Tomas Mrkva den einen oder anderen schwierigen Ball aufhielt. Als Nikola Bilyk in der 58. Minute zum 28:25 traf und Rubin im Gegenzug über das THW-Tor warf, schien alles gelaufen. Doch Rubin und Becher machten es noch einmal spannend. 30 Sekunden vor dem Ende war beim 27:28 aus Sicht der HSG wieder ein Punkt drin. Filip Jicha drückte 17 Sekunden vor dem Ende auf den Buzzer: Auszeit. Ermahnung zur Ruhe und zur Bewegung ohne Ball gegen die offene HSG-Manndeckung. Seine Jungs hielten sich an die Vorgabe, der Ball landete bei Harald Reinkind. Und Kiels Linkshänder wuchtete das Spielgerät unter dem Jubel seiner Mitspieler und der mitgereisten Fans in die HSG-Maschen. Die Zebras jubelten, die Buderus-Arena pfiff erst, ehe sie verstummte.    

Nationalmannschafts-Pause und Heimspiel-Doppelpack

Nach der Partie teilten sich die Wege der Zebras: Die Nationalspieler reisten zu ihren Lehrgängen, alle Nicht-Nationalspieler kehrten mit „KI-EL 1“ noch am Abend zurück nach Kiel. Die zumindest in der Liga spielfreie Woche kommt den Zebras, die zuletzt nach der unglaublichen Energieleistung gegen Montpellier, der anschließenden Busfahrt nach Wetzlar und der Partie in Mittelhessen auf dem Zahnfleisch krochen, sicherlich entgegen. Danach können die Zebras zweimal auf die Unterstützung ihrer „weißen Wand“ bauen: Am Donnerstag, 16.5., kommen die Rhein-Neckar Löwen nach Kiel, am Pfingstmontag, 20. Mai, empfangen die Kieler Frisch auf Göppingen. Für beide Begegnungen gibt es noch Eintrittskarten bei CITTI, in der THW-FANWELT und online unter www.thw-tickets.de. Weiter geht’s gegen die Rhein-Neckar Löwen, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: HSG Wetzlar 

LIQUI MOLY Handball-Bundesliga, 31. Spieltag: HSG Wetzlar - THW Kiel 27:29 (14:13)

HSG Wetzlar: T. Klimpke (16 Paraden, 1 Tor), Grazioli (n.e.); Pedersen (1), Meyer (2), Schmidt, O. Klimpke (3), Vranjes (1), Becher (7/4), Fredriksen, Wagner (3), Mellegard, Zelenovic (1), Rubin (6), Fuchs, Novak (1), Cavor (1); Trainer: Carstens
THW Kiel: Mrkva (1.-27., 51.-60., 6 Paraden), Bellahcene (27.-51., 3 Paraden); Duvnjak (1), Reinkind (3), Øverby (3), Wiencek, Ekberg, Faust (1), Johansson (6/3), Dahmke (4), Szilagyi, Gurbindo, Wallinius (2), Bilyk (6), Pekeler (1), á Skipagötu (2); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Marvin Cesnik / Jonas Konrad
Siebenmeter: HSG:4/4 / THW: 3/3
Zeitstrafen: HSG: 6 (Rubin (4.), Wagner (14.), Zelenovic (24.), 2x Novak (38., 49.), Meyer (48.)) / THW: 5 (Wallinius (13.), Johansson (25.), Wiencek (28.), á Skipagötu (30.), Faust (33.))
Spielfilm: 1. Hz.: 1:1 (2.), 1:3 (5.), 2:4 (8.), 3:5 (11.), 5:5 (13.), 5:9 (18.), 8:10 (22.), 12:10 (27.), 14:12 (30.), 14:13;
2. Hz.: 15:13, 16:14 (35.), 18:16 (39), 18:21 (44.), 19:23 (46.), 21:23 (50.), 21:25 (51.), 22:26 (54.), 24:26 (55.), 25:28 (57.), 27:28 (60.), 27:29 .
Zuschauer: 4421 (ausverkauft) (Buderus Arena, Wetzlar)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft, wie sie diese schwere Auswärtshürde gemeistert hat. Gerade nach den Emotionen und dem Highlight am Donnerstag, mit nur einer Trainingseinheit und der langen Anreise gestern. Es ist hier sehr schwierig, sehr emotional. Deshalb bin froh, dass wir das mit zurücknehmen, warum wir hergekommen sind – und das sind die zwei Punkte. Wetzlar ist und bleibt für uns ein schwieriges Spiel, wie wir das vor der Nationalmannschaftspause gelöst haben, macht mich stolz. Deshalb will und muss ich meine Jungs loben.

HSG-Trainer Frank Carstens: Glückwunsch zum unter dem Strich verdienten Sieg. Wir haben viel investiert in dieses Spiel, Emotionalität, Einsatz. Es war ein wichtiges Element, um das Spiel heute ausgeglichen und interessant zu gestalten. Leider hatten wir zwei Phasen, die uns vom Weg abgebracht haben und dem THW Kiel Sicherheit gegeben haben. Nach der Zwei-Tore-Führung kurz nach Wiederanpfiff machten wir sieben technische Fehler, und das ist dann zu viel. Für den Kampfgeist und die Art und Weise, wie wir gespielt haben, möchte ich mein Team loben. Leider stehen wir ohne Punkte da.

THW-Rückraumspieler Eric Johansson bei Dyn: Nach dem Donnerstagabend war es richtig schwer, heute auswärts in Wetzlar zu spielen. Wir haben aber den Kampf angenommen und sind glücklich, zwei Punkte mit nach Hause zu nehmen. Wenn ich nach den Emotionen im Spiel gefragt werde, kann ich nur sagen: Wenn mein Mitspieler nach einem Tritt gegen den Kopf Schmerzen hat und weiter provoziert wird, dann ist das nicht emotional, sondern einfach nur unsportlich.

HSG-Rückraumspieler Lenny Rubin bei Dyn: In der zweiten Halbzeit hat Kiel die Deckung auf die 3-2-1 mit Duvnjak an der Spitze umgestellt. Das ist schwierig zu bespielen und hat uns verunsichert. So haben wir das Spiel dann noch aus der Hand gegeben. Nachdem wir in den letzten zwei Spielen ordentlich einen aufs Dach bekommen haben, wollten wir eine Reaktion zeigen. Wir brauchen Emotionen für unser Spiel, und die haben wir heute gezeigt.

HSG-Toptorschütze Lukas Becher bei Dyn: Es war ein heißes Spiel, in dem es hoch her ging. Nach 5:9 drehen wir das Spiel und gehen in Führung, hintenraus hat es dann nicht zum Punktgewinn gereicht. Da ist es kurz nach dem Spiel schwierig zu analysieren, woran es lag.