Klarer Erfolg im Heim-Hexenkessel: THW Kiel macht großen Schritt in Richtung Titel
Was für eine Stimmung, welch' ein Hexenkessel, was für eine Begeisterung! Der THW Kiel machte sein letztes Saisonspiel gegen die HSG Wetzlar zu einer Jubelfeier. Angetrieben von der total euphorisierten, lautstarken "weißen Wand" fanden die Zebras nach ruckeligen Anfangsminuten schnell in ihr Spiel, dominierten den Gast in der Wunderino Arena beinahe nach Belieben. Die Zebras, angetrieben von der lautesten Kulisse der Saison, zeigten in jeder Sekunde den unbändigen Willen, sich am kommenden Sonntag den Titel holen zu wollen. Schon vor dem Pausenpfiff lag der THW Kiel mit 19:10 vorn, schraubte das Endergebnis auf einen großartigen 38:23-Sieg, der die Schwarz-Weißen einen großen Schritt in Richtung Deutscher Meisterschaft machen ließ.
Harald Reinkind überragender Mann im Angriff
Überragender Mann im Kieler Angriff war ausgerechnet Harald Reinkind, der vor dem Anpfiff seine Vertragsverlängerung mit den Zebras bis zum Jahr 2027 auf dem Videowürfel verkündet hatte - zum ersten Mal an diesem Abend drohte sich die Arenadecke zu heben. Die Fans feierten ihren Linkshänder euphorisch, und der bedankte sich schon vor dem Seitenwechsel mit sieben Toren. Am Ende war der Norweger mit neun Treffern erfolgreichster THW-Schütze - so häufig hatte der Alleinunterhalter im rechten Rückraum in dieser Spielzeit noch nicht in einem Spiel getroffen. In der Defensive überragte einmal mehr ein Däne: Niklas Landin zelebrierte seinen Abschied von den THW-Fans in seinem letzten Heimspiel, zeigte nach anfänglichen Problemen wieder einmal eine Gala-Vorstellung: Der Däne war mit insgesamt 17 Paraden maßgeblich am klaren Erfolg beteiligt und trieb seine Vorderleute auf der Jagd nach Treffern für das Torverhältnis unermüdlich an.
Höchster Sieg gegen Wetzlar in der Geschichte
Angstgegner HSG Wetzlar? Zuletzt hatten die Mittelhessen dreimal in sechs Spielen gegen den THW Kiel gewonnen. In der Gesamtbilanz liegen die Zebras aber deutlich vorn - am Mittwoch ließen die Kieler Sieg Nummer 41 folgen. Es war der höchste gegen die HSG Wetzlar in der Geschichte - und der wohl bisher wichtigste. Denn: Die 23. Meisterschaft des Rekord-Titelschürfers ist nach diesem Torhagel greifbar, das Torverhältnis ein Riesenpfund. Um ganz sicher zu gehen, fehlt den Zebras am Sonntag in Göppingen ein noch ein Remis.
Gegner Anfangs im Vorteil
Anfangs zeichnete sich dieses Rekordspiel aus Kieler Sicht allerdings nicht ab. Ohne die Verletzten Steffen Weinhold, Erich Johansson und Sven Ehrig starteten die Zebras zwar hoch konzentriert in die Partie gegen die Mittelhessen, doch die ersten Aktionen waren begleitet von Nervosität. Wetzlar legte durch das Tor von Mittelmann Fredriksen auf 1:0 vor, Patrick Wiencek glich aus. Anfangs standen die Gäste gut in der Abwehr, waren auch im Angriff treffsicher, und so lagen die Kieler nach zehn Minuten und dem Treffer von Novak mit 4:6 zurück. Dann aber startete Niklas Landin seine letzte große Heim-Show im THW-Trikot, hatte Hand, Fuß oder andere Körperteile am Ball. Und vorne kam das THW-Schwungrad ebenfalls ins Laufen. Vor allem war es Reinkind, den anscheinend auch die Euphorie des Publikums über seine Vertragsverlängerung antrieb. Reinkind glich per Doppelschlag zum 6:6 aus, Niclas Ekberg vollendete den ersten Kieler 3:0-Lauf zur 7:6-Führung.
Neun-Tore-Führung zur Pause
Jonas Schelker glich für die Gäste zwar ein letztes Mal aus, ehe das Unheil aber über die Hessen hereinbrach. Und zwar mit einem begeisternden Kieler 7:0-Lauf - ein Tor schöner als das andere. Hinten nagelte Landin seinen Kasten zu, griffen die Abwehr-Krakenarme von Domagoj Duvnjak, Magnus Landin oder auch Patrick Wiencek zu. Vorne wurde der Ball ins Wetzlarer Gehäuse geschmettert. Nationaltorhüter Till Klimpke stand auf verlorenem Posten: Miha Zarabec traf bei seinem letzten Auftritt in der Wunderino Arena per Solo, Reinkind ließ es dreimal in Folge krachen, dann waren Nikola Bilyk, die beiden ebenfalls Abschied nehmenden Sander Sagosen und Yannick Fraatz zur Stelle: Nach 22 Minuten hielt es niemanden mehr auf den Sitzen, die Zebras waren längst auf die Siegerstraße einebogen: 14:7! Rubin machte der eigenen Torflaute dann endlich ein Ende, doch ein weiterer 4:0-Lauf durch Magnus Landin, Sagosen, dem Tempogegenstoß von Kapitän Duvnjak und Hendrik Pekelers Wurf ins leere HSG-Tor sorgten für den 18:9-Zwischenstand. Mit 19:10 wurden schließlich die Seiten gewechselt, das Publikum tobte, Torschütze war erneut Harald Reinkind.
Kieler stürmen zum 15-Tore-Sieg
Und die zweite Halbzeit? Ein einziger Sturmlauf der Kieler. Nachdem Duvnjak und Sagosen zum 21:10 getroffen hatten, forderte das HSG-Trainergespann schon nach vier Minuten die erste Auszeit ein. Doch die Kieler kämpften weiter um jeden Ball, um jedes Tor, wollten ihr Torkonto weiter nach oben treiben. Und immer wieder Niklas Landin, der Däne trieb nahezu jeden HSG-Angreifer zur Verzweiflung - und machte seine Vorderleute lautstark darauf aufmerksam, im Sieben-gegen-Sechs schneller zurück zu wechseln. Beim 22:14 war die Führung auf acht Tore "geschrumpft", dann aber drehte der THW Kiel wieder auf. Die Folge: Nach 45 Minuten lagen die Zebras mit zwölf Toren vorn, Magnus Landin verwandelte einen Konter zum 28:16. 13 Tore Differenz standen nach 55 Minuten auf dem Videowürfel, und als Niklas Landin seine 17. und letzte Parade vollbracht hatte, netzte Bruder Magnus kurz vor dem Ende zum 38:23 ein. Der Jubel auf den Rängen kannte keine Grenzen, die Spieler tanzten ihren letzten Saison-Ringelreihen auf eigenem Parkett. Der letzte soll am Sonntag folgen - dann wollen die Zebras mit einem Erfolg in Göppingen den Titel zurück nach Kiel holen.
Finale am Sonntag in Göppingen
Die Entscheidung über die Deutsche Meisterschaft - wie sollte es am Ende dieser packenden, verrückten Saison auch anders sein - fällt also erst am letzten Spieltag, wenn der THW Kiel und der SC Magdeburg im Fernduell um die Schale streiten. Der SCM ist bei der HSG Wetzlar gefordert, während der THW Kiel zu Gast in der „Hölle Süd“ bei Frisch Auf Göppingen ist. Beide Begegnungen werden parallel um 15:30 Uhr angepfiffen, Sky überträgt live. In Kiel kann man das Saison-Finale live in den Sky-Bars verfolgen. Am Abend reisen die Kieler direkt zurück nach Kiel, wo sie sich bei der Saisonabschluss-Feier in der Wunderino Arena bei ihren Fans für die Unterstützung in dieser schwierigen Spielzeit bedanken wollen. Der Eintritt ist frei. Auf geht’s nach Göppingen, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
LIQUI MOLY HBL, 33. Spieltag: THW Kiel – HSG Wetzlar 38:23 (19:10)
THW Kiel: N. Landin (1.-60., 17 Paraden), Mrkva (n.e.); Duvnjak (2), Sagosen (7), Reinkind (9), M. Landin (5/1), Øverby (2), Wiencek (2), Ekberg (2), Pabst (n.e.), Fraatz (2), Dahmke, Zarabec (1), Wallinius (n.e.), Bilyk (5), Pekeler (1); Trainer: Jicha
HSG Wetzlar: T. Klimpke (1.-18., 31.-60., 9 Paraden), Grazioli (18.-30., keine Parade); Nyfjäll (3), Schmidt, O. Klimpke (2), Becher (2/2), Weissgerber (1), Schelker (1), Fredriksen (1), Pliuto, Wagner (3), Mellegard (4), Rubin (3), Novak (1), Cavor; Trainer: Camdciz
Schiedsrichter: Lucas Hellbusch / Darnel Jansen
Zeitstrafen: THW: 2 (Duvnjak (21.), Wiencek (50.)) / HSG: 2 (Schmidt (19.), Cavor (20.))
Siebenmeter: THW: 1/1 / HSG: 2/2
Spielverlauf: 0:1, 1:2 (2.), 3:2 (4.), 4:3, 4:6 (9.), 7:6 (14.), 7:7, 14:7 (22.), 14:9 (25.), 18:9 (28.), 19:10;
21:10 (34.), 21:12, 22:19 (40.), 24:19 (41.), 26:15 (44.), 28:17, 31:17 (49.), 32:20 (53.), 34:22, 37:22 (57.), 38:23.
Zuschauer: 10.285 (ausverkauft) (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Kapitän Patrick Wiencek: Wir haben das Spiel gewonnen, es kann aber immer noch nicht viel passieren. Wir hatten trotz der vielen, emotionalen Abschiede heute ein Ziel vor Augen: Wir wollten das Spiel nicht nur gewinnen, sondern hoch gewinnen, um etwas für unser Torverhältnis zu tun. Jetzt warten wir einfach ab, es sind ja nur noch ein paar Tage. Wir haben alles in der eigenen Hand, gefeiert wird aber erst, wenn wirklich alles klar ist.