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Emotionales Unentschieden im Spitzenspiel gegen Magdeburg

Bundesliga

Emotionales Unentschieden im Spitzenspiel gegen Magdeburg

Welch' eine Dramatik, was für ein Drama bei einer Handball-Demonstration auf höchstem Niveau: Das Spitzenspiel der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga zwischen dem THW Kiel und dem SC Magdeburg vor 10285 begeisterten Fans in der ausverkauften Wunderino Arena ließ keinen kalt. Die Gäste spielten eine großartige erste Halbzeit, der THW Kiel war die bessere Mannschaft in den zweiten 30 Minuten. Ein Spiel, das alles hatte - nur keinen Sieger auf dem Feld: Am Ende hieß es 34:34 (18:21). Bester Kieler Torschütze in diesem Topspiel, das seinen Namen absolut verdient hatte, war Niclas Ekberg mit 9/4 Treffern, für die Gäste traf Kay Smits zehnmal. Die Zebras verteidigten durch das Unentschieden dank der besseren Tordifferenz die Tabellenführung vor den Füchsen Berlin und ihren Zwei-Punkte-Vorsprung auf den SCM. Der THW Kiel hat damit weiterhin alles in den eigenen Händen.

Packendes Topspiel

Der SC Magdeburg hatte eine überragende erste Halbzeit aufs Kieler Parkett gezaubert, lag nach 30 Minuten Tempohandball mit 21:18 Toren vorn. Dann gehörten die ersten Minuten der zweiten Hälfte dem THW Kiel mit einem sich steigernden THW-Torhüter Niklas Landin, was sich in der ersten THW-Führung widerspiegelte. Dann ging hin und her in der zweiten Halbzeit, zwei Minuten vor dem Abpfiff lagen die Gäste mit 34:32 vorn, doch Rune Dahmke und Sander Sagosen sorgten mit ihren Treffern in den Schlussminuten für das hochverdiente Kieler Remis. Dabei hatte Magdeburg den Sieg in Händen, hatte 22 Sekunden vor dem Abpfiff Ball und Spiel in der Hand, als Trainer Bennet Wiegert eine letzte Auszeit nahm: "Dafür sind wir hergekommen, genau für diese Situation. Jetzt holen wir uns den Sieg", forderte der SCM-Coach von seinen Spielern. Doch die THW-Abwehr ließ sich nicht mehr überwinden und zwang den Gegner ins Zeitspiel - Remis in Kiel!

Erneuter Rückschlag für Steffen Weinhold

Gisli Kristjansson war kaum zu stoppen

THW-Trainer Filip Jicha musste weiterhin auf seine Langzeitverletzten Karl Wallinius und Sven Ehrig verzichten, hinzu kam kurzfristig auch der Ausfall von Linkshänder Steffen Weinhold, der sich bei seiner Rückkehr in Gummersbach erneut an der Schulter verletzt hatte. Die medizinische Abteilung hatte alles versucht, doch für einen Einsatz des Kieler Routiniers reichte es in dieser Spitzenpartie noch nicht. Der auffälligste Spieler der ersten Hälfte trug ein grünes Trikot: Gisli Kristjansson. Der ehemalige Kieler brachte den SCM in Führung, erzielte die ersten drei Treffer für seine Mannschaft mit Durchstößen ganz allein: 1:3 stand es nach drei Minuten. Niclas Ekberg und Domagoj Duvnjak glichen aus. Doch Magdeburg drückte weiter enorm aufs Tempo, angetrieben von ihren "Motoren" Kristjansson und Kay Smits legte der amtierende Meister stets ein, zwei Tore vor. Die Kieler hatten Mühe, ihr Spiel zu finden, außerdem klafften Löcher in der Abwehr, die auch Niklas Landin und der nach 14 Minuten eingewechselte Tomas Mrkva nicht stopfen konnten. "Uns fehlte in der ersten Halbzeit die Kompaktheit in der Deckung", analysierte Patrick Wiencek, "dann kann auch der Torwart nichts mehr retten."

Starke erste Magdeburger Hälfte

Niclas Ekberg traf neunmal

Der SCM präsentierte sich jedoch hellwach - so wie nach Mrkvas gehaltenem Siebenmeter von Hornke, der Abpraller landete aber erneut beim SCM-Rechtsaußen, der in der 16. Minute zum 11:9 verwandelte. Niclas Ekberg verkürzte per Einläufer, doch Kristjansson erhöhte per Doppelschlag in der 20. Minute auf 14:11 und die erste Drei-Tore-Führung der Gäste. Der starke Nikola Bilyk und Patrick Wiencek fanden die Antwort, brachten den THW erneut auf 13:14 heran. Aber als SCM-Keeper Portner in der 26. Minute ins leere Kieler Tor traf, war der SCM kurz vor dem Seitenwechsel auf 19:15 enteilt, Kristjansson bejubelte wenig später seinen siebten Treffer zur 20:16-Führung. Gut, dass sich die Zebras noch ein wenig heranarbeiteten: Ekberg und Sander Sagosen brachten den THW kurz vor dem Wechsel dann wieder auf 18:21 heran. Halbzeitpause und Zeit in der THW-Kabine, sich neu auf den Gegner einzustellen.

Der THW Kiel kommt zurück

Zwölf Paraden: Niklas Landin

Die Zebras kamen mit viel Wucht und mit Rune Dahmke für Magnus Landin auf Linksaußen zurück, außerdem beorderte Filip Jicha Niklas Landin zurück ins THW-Tor. Eine goldrichtige Entscheidung. Nikola Bilyk traf zunächst zum 19:21, dann war Landin gegen Damgaard, Smits und Hornke zur Stelle, außerdem warf Damgaard am THW-Tor vorbei. Auf der anderen Seite beulte sich das SCM-Netz aus: Harald Reinkind wuchtete den Ball ins Tor, Patrick Wiencek traf nach einem Traumanspiel von Bilyk. Die Atmosphäre in der Wunderino Arena schien förmlich zu exploderen. Und als Ekberg nach Foul an Nikola Bilyk den fälligen Strafwurf sicher verwandelte, lagen die Zebras nach 35 Minuten erstmals in dieser Partie vorn: 22:21 - willkommen im Tollhaus! Jetzt war es der THW, der dem Spiel seinen Stempel aufdrückte, es aber versäumte, zwei oder drei Tore zwischen sich und den Gegner zu legen. Viele Zuschauer standen auch mit dem unsicher agierenden Schiedsrichtergespann auf Kriegsfuß, machten ihrem Unmut über die unterschiedliche Stürmerfoul-, Schritte- und Zeitspielauslegung lauthals Luft.

Zebra-Verteidigung sichert einen Punkt

Orkanartig war der Jubel nach zwei Krachern von Harald Reinkind, der traf als Zeitspiel drohte und den Ball in Magdeburgs linken und rechteren oberen Winkel wuchtete. Eric Johanssons Dreher zum 28:28, das prima Anspiel des jungen Schweden auf Hendrik Pekeler, der zum 29:30 traf, waren weitere THW-Glanzlichter. Aber weil die Kieler auch Chancen liegenließen und das ein oder andere Stürmerfoul gepfiffen bekamen, ging Magdeburg erneut in Front. 29:32 hieß es nach 52 Minuten, die Waagschale schien sich wieder in Richtung des Titelverteidigers zu neigen. Doch Sander Sagosen und Hendrik Pekeler verkürzten, dann nahm der Krimi in den letzten Minuten Fahrt auf: Kiel glich durch Sagosen in der 58. Minute zum 34:34 aus. Beide Seiten hatten dann  noch jeweils die Hand am Sieg, Patrick Wiencek scheiterte mit einem Tempogegenstoß am großartig reagierenden Torhüter Portner, für Kay Smits war Niklas Landin Endstation. Noch einmal kamen die Magdeburger in Ballbesitz, spielten einen letzten, langen Angriff. Der THW Kiel warf sich mit allem, was noch möglich war, entgegen. Zeitspiel, Schlusssirene, Unentschieden. Mitreißend! 

Nächstes Spiel ist das Derby

Wundersam terminarmer April: Während die Zebras im Mai gleich sieben Begegnungen zu absolvieren haben, sind es im April nur derer drei: Deshalb ist die nächste Partie der Zebras auch gleich wieder ein Spitzenspiel – am 23. April gastiert die SG Flensburg-Handewitt an der Kieler Förde. Die Wunderino Arena ist bereits ausverkauft, noch gibt es aber Tickets für den Viertelfinal-Kracher in der Königsklasse gegen Paris Saint-Germain am Mittwoch, 10. Mai (20:45 Uhr): Diese sind in der THW-FANWELT, an allen bekannten Vorverkaufsstellen, bei CITTI, famila und online unter www.thw-tickets.de erhältlich. Weiter geht’s aber mit dem Derby, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn

LIQUI MOLY HBL, 26. Spieltag: THW Kiel - SC Magdeburg 34:34 (18:21)

THW Kiel: N. Landin (1.-14., 31.-60., 12 Paraden), Mrkva (14.-30., 1/1 Paraden); Duvnjak (1), Sagosen (3), Reinkind (4), M. Landin (1), Øverby (2), Wiencek (3), Ekberg (9/4), Pabst (n.e.), Fraatz (n.e.), Johansson (2), Dahmke (1), Zarabec (n.e.), Bilyk (4), Pekeler (4); Trainer: Jicha
SC Magdeburg: Jensen (39.-54 und 2 Siebenmeter, 2 Paraden), Portner (1.-39., 54.-60., 8 Paraden); Meister (2), Chrapkowski, Lipovina, Musche, Kristjansson (8), Pettersson, Hornke (4), Weber, Mertens (2), O’Sullivan, Bezjak, Smits (10/4), Damgaard (5), Bergendahl (2); Trainer: Wiegert

Schiedsrichter: Sebastian Grobe / Adrian Kinzel
Zeitstrafen: THW: 4 (Øverby (7.), 2x Pekeler (21., 25.), Wiencek (34.)) / SCM: 3 (Smits (15.), 2x Bergendahl (24., 28.))
Siebenmeter: THW: 4/4 / SCM: 5/4 (Mrkva hält Hornke, der den Nachwurf verwandelt (16.))
Spielverlauf: 0:1, 1:3 (4.), 3:3 (5.), 3:5 (7.), 5:7, 7:9 (12.), 11:12 (18.), 11:14 (19.), 13:14 (21.), 13:17 (23.), 15:17, 15:19 (27.), 18:21;
22:21 (35.), 24:23, 27:26 (43.), 27:28 (47.), 28:30 (50.), 29:32 (52.), 31:32, 32:34 (56.), 34:34.
Zuschauer: 10285 (ausverkauft) (Wunderino Arena, Kiel)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Es war ein super Spiel. Sehr intensiv, sehr kampfbetont. In der ersten Hälfte hatten wir unglaubliche Probleme, den Magdeburger Angriff zu stoppen, hinzu kam, dass wir hinten zu wenig Bälle gehalten haben. Unser Angriff und unser Wille haben uns in die Kabine gerettet mit einem Drei-Tore-Rückstand, der eigentlich höher für Magdeburg hätte ausfallen können. Ich habe den Jungs dann gesagt, dass wir im Soll sind, uns aber überall steigern müssen. Wir sind dann gut aus der Pause gekommen, und dann ging es hin und her – ein echtes Spitzenspiel, das durch Kleinigkeiten geleitet wurde: Als wir uns auf zwei Tore absetzen hätten können, springt der Ball vom Innenpfosten raus, und es gibt direkt wieder den SCM-Ausgleich. Es war super spannend, und auf die Frage, ob das nun ein gewonnener oder verlorener Punkt war, kann ich nur sagen: Es war ein super Spiel. Punkt.

SCM-Trainer Bennet Wiegert: Dieses Spiel hat dem normalen Handballfan alles gegeben, was unseren Sport ausmacht. Kampf, Leidenschaft, viele Tore – eine intensive Partie, die für uns Trainer super aufregend und anstrengend zu coachen war. Deshalb kann ich nicht sagen, ob der Punkt gewonnen oder verloren war. Aber es war ein echt gutes Auswärtsspiel von uns, bei dem uns natürlich die ersten Minuten nach der Kabine weh tun. Dann wechselte das Momentum eher auf Kieler Seite, aber wir kommen zurück. Der Punkt war verdient. Aber was er wert ist, wird man erst am Saisonende sehen.

THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi: Dieser Punkt kann uns am Ende fehlen, aber auch Gold wert sein. Wir haben noch immer alles in unseren eigenen Händen.

THW-Kapitän Patrick Wiencek bei Sky: Natürlich haben wir heute noch einen Punkt geholt, aber wir haben schon so viele Punkte zuhause liegen gelassen. Das ist für uns keine schöne Situtation. In der ersten Hälfte hatten wir keine Kompaktheit, wir haben Magdeburg bei den Durchbrüchen einfach nicht zu fassen bekommen. Und wenn die Abwehr nicht gut steht, kann der Torwart auch nicht so viel machen. Auch die nächsten Partien sind attraktive Spiele. Es geht um eine Menge, und wir wollen es in diesen Topspielen besser machen als heute.“

SCM-Rückraumspieler Gisli Thorgeir Kristjansson bei Sky: Mit dem Unentschieden bin ich nicht zufrieden. Wir hätten das Spiel früher entscheiden müssen, aber das ist die Stärke vom THW Kiel: Sie kommen immer zurück. Wir haben es gut gemacht, aber Niklas Landin hat ein paar wichtige Bälle gehalten. Vor dem Spiel hätten wir wohl gesagt, dass wir den Punkt nehmen, aber wir wollten die zwei Punkte auf jeden Fall. Wir hatten im gesamten Spiel gute Chancen, in der zweiten Halbzeit hatten wir aber nicht mehr den überragenden Flow der ersten Hälfte.