Zebra: Der Meister und sein verlängerter Arm

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Zebra: Der Meister und sein verlängerter Arm

Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus, denn vom 12. bis 28. Januar ist Kroatien Gastgeber der nächsten Europameisterschaft der Männer. In einer vierteiligen Serie widmet sich das ZEBRA-Magazin, das zu den Bundesliga-Heimspielen des Rekordmeisters erscheint, dem Turnier, bei dem auch zahlreiche aktuelle und ehemalige Kieler an den Start gehen werden. Heute Teil drei: Wie Domagoj Duvnjak und Lino Cervar den Gastgeber zum ersten EM-Gold der Geschichte führen sollen.

Cervar ist zurück

Dieser Artikel ist im Arena-Magazin ZEBRA zum Heimspiel gegen GWD Minden erschienen

Wenn Kroatien am 12. Januar ausgerechnet gegen Serbien in die Heim-WM startet, gibt es für ein ganzes Land nur ein Ziel: endlich den EM-Fluch beenden. Olympiasieger und Weltmeister waren sie schon, aber den Europameistertitel haben die Balkan-Handballer noch nie gewonnen. Zwei Männer sollen diesen Traum vor allem erfüllen: Kiels Spielmacher Domagoj Duvnjak und die kroatische Trainer-Legende Lino Cervar.

Denn seit Frühjahr ist der Meister zurück - mit 66 Jahren übernimmt Cervar noch einmal die kroatische Nationalmannschaft, die unter ihm ihre "goldene Zeit" hatte - mit dem Olympiasieg 2004, dem WM-Titel 2003, WM-Silber 2005 und beim Heimturnier 2009 sowie EM-Silber 2008 und 2010. Wenige Monate bevor Kroatien Gastgeber der nächsten EURO wird - und nachdem die Nationalmannschaft das WM-Finale von Paris verpasst hatte - wurde Cervar zurückbeordert. Seit 2009 war der "Magier von Umag" Trainer von Metalurg Skopje, seit 2016 auch der mazedonischen Nationalmannschaft.

"Nationalmannschaft ist meine Familie"

Kroatiens Nationaltrainer: Lino Cervar

Cervars Hauptbeweggrund für die Rückkehr ist ganz einfach: "Die Nationalmannschaft ist meine Familie, die ich als Trainer in 157 Spielen führen durfte. Und somit habe ich jetzt das Gefühl, dass ich als alter Mann zu meiner Familie - meinen Söhnen und Enkeln - nach Hause gekommen bin. Daher konnte ich dieses Mal dem kroatischen Verband nicht mehr nein sagen, nachdem ich bereits einmal nein gesagt hatte, nach all' den Erfolgen, die wir gemeinsam hatten. Ich liebe diese neue Herausforderung. Jetzt soll sich für mich der Kreis nach 40 Jahren als Trainer auch schließen."

Aber Cervar gibt auch zu, dass ihm die Entscheidung nicht leichtgefallen sei: "Ich konnte nicht gut schlafen, aber: Ich weiß, wo mein sportliches Zuhause ist. Die meisten Fans in Mazedonien konnten diese Entscheidung verstehen. Sie haben meinen Einsatz speziell für Metalurg nicht vergessen."

"Jeder muss sich für die Sache opfern"

Dass die handballverrückten Kroaten seit seinem Abschied keinen Titel mehr gewonnen haben, ja nicht einmal mehr ein Finale erreicht hatten, macht er nicht an seinen Nachfolgern fest: "Slavko Goluza und Zeljko Babic haben sehr gute Arbeit geleistet. Die kroatische Nationalmannschaft gehört konstant zur Weltspitze, das ist ihr Verdienst." Viel mehr nimmt Cervar nun die Spieler in die Pflicht: "Sie müssen verinnerlichen, dass es das Größte überhaupt ist, für die Nationalmannschaft zu spielen. Denn es ist ein Privileg, dein Land und deine Fahne zu repräsentieren."

Dass die Fans, Medien und Öffentlichkeit gerade in Kroatien einen übergroßen Druck auf die Mannschaft aufbauen, verneint der 66-Jährige: "Damit müssen wir leben. Die großen Schlachten der Weltgeschichte haben gezeigt, dass nicht unbedingt der Bessere gewann, sondern der mit dem größten Selbstvertrauen. Und Druck kann man dadurch abbauen, dass man eine homogene Mannschaft aufbaut, in der jeder für den anderen kämpft und für die kein Berg zu hoch ist. Jeder muss bereit sein, sich für die Sache zu opfern."

"Sollten in die Zukunft schauen"

Cervar kann auch damit leben, dass sich bei seiner Rückkehr vieles um 2009 dreht, als WM-Gastgeber Kroatien das Finale gegen Frankreich verlor: "2009 hatten wir so viel investiert, in diese tollen Hallen, in denen im Januar wieder gespielt wird, in die Organisation und natürlich auch in die Mannschaft. Aber wir haben es damals nicht geschafft, diese Goldmedaille zu gewinnen. Aber wir sollten mit Blick auf 2018 nicht immer nur in der Vergangenheit wühlen, sondern in die Zukunft schauen. Wir müssen den kroatischen Fans Spaß bereiten und mit positiven Gefühlen an die Sache herangehen. Aber: Im Endeffekt zählt nur das, was du auf dem Feld ablieferst. Und dort wird uns kein Gegner etwas schenken, nur weil wir Gastgeber sind." Aber er betont auch, dass man bei aller Euphorie realistisch bleiben sollte: "Wenn man für die EM 2018 eine Goldmedaille als einziges Ziel setzt, wird man scheitern. Das ist arrogant und unfair gegenüber den anderen Konkurrenten."

"Dule wird die große Führungsfigur"

Auf ihn zählt Kroatien: Domagoj Duvnjak

Dabei liegt der Fokus Cervars erst einmal nicht auf Taktiken für Angriff oder Abwehr, sondern: "Die Auswahl der richtigen Spieler ist das A und O, dann das Verhältnis der Spieler untereinander, das Teambuilding und die Disziplin und der Enthusiasmus." Taktisch gesehen will sich Cervar mehr in Richtung Skandinavien orientieren, mit dem schnellen Umschalten aus einer starken Abwehr. Zudem habe er Schwächen im Positionsspiel entdeckt, die es auszumerzen gelte. Dabei ist es ihm egal, ob er mit alten oder jungen Spielern arbeiten wird, "Hauptsache, die Chemie stimmt."

Auf einen setzt Cervar dabei ganz besonders: Domagoj Duvnjak, den er seinerzeit entdeckt und in Zagreb und dem Nationalteam als Nachfolger von Ivano Balic aufgebaut hatte. Nun ist er sicher, dass sein verlängerter Arm nach der langen Verletzungspause auch einschlagen wird: "Dule wird bei der Heim-EM die große Führungsfigur in unserer Mannschaft sein."

(Von Björn Pazen, aus dem Arena-Magazin "ZEBRA" zum Bundesliga-Heimspiel gegen Minden)