Spitzenspiel gegen Magdeburg
Der THW Kiel hat das erste Heimspiel der neuen Saison für sich entschieden: In einem packenden Duell rangen die "Zebras" am Sonntagmittag den bis dato im Kalenderjahr 2017 ungeschlagenen SC Magdeburg mit 34:32 (17:20) nieder. Dabei hatten die Kieler gegen einen bärenstarken Gast 40 Minuten lang das Nachsehen. Mit einem furiosen 13:4-Lauf zwischen der 41. und 59. Minute drehten sie aber einen Sechs-Tore-Rückstand in eine klare Führung, die sie bis zum Schlusspfiff leidenschaftlich verteidigten. Bester Kieler Torschütze war Niclas Ekberg mit 8/4 Toren, bester Feldtorschütze Steffen Weinhold (7). Die ebenfalls starken Patrick Wiencek und Rune Dahmke trafen je sechs Mal. Einen großen Rückhalt hatten die Zebras in Andreas Wolff: 15 Würfe parierte der THW-Torhüter und leitete mit seinen Glanztaten hinter einer zupackenderen Abwehr die Aufholjagd ein.
Gäste agieren ausgeschlafener
Hartes Ringen um jeden Ball: Rune Dahmke und Michael Damgaard
Die 10.285 Zuschauer feierten den ersten Heim-Auftritt ihrer Mannschaft nach beinahe drei Monaten Pause euphorisch - auch zur bisher ungewohnten Mittagszeit. Allerdings schien diese den Zebras mehr zuzusetzen als den Gästen, die von Beginn an wacher wirkten. Vor den Augen von Ministerpräsident Daniel Günther, Bundestrainer Christian Prokop und Liga-Präsident Uwe Schwenker büßte der THW nach sieben Minuten zum ersten Mal seine knappe Führung ein, die Gäste fanden trotz angedrohtem Zeitspiel immer wieder ihre Außen, die traumwandlerisch sicher verwandelten. Ebenfalls nicht zu stoppen war Olympiasieger Michael Damgaard, der alle seine sechs Treffer vor dem Seitenwechsel erzielte. Und so neigte sich die Partie Stück für Stück in Richtung des SCM - auch, weil der THW nach Zeitstrafen häufig in Unterzahl agieren musste: Nach Wienceks spektakulärem 7:7 (12.) trafen Weber und Musche zum 9:7 für die Magdeburger.
Halbzeit-Rückstand
Bester Torschütze: Niclas EkbergEs wurde nickelig. Bezjak rannte gegen Weinhold und ließ sich spektakulär fallen, wofür der Kieler eine Zeitstrafe erhielt. Bezjak hatte sich damit keine neuen Freunde in Kiel gemacht, was er ohrenbetäubend laut zu hören bekam. Auch Zejko Musa trug nicht zu einer freundlichen Atmosphäre bei, als er Ekberg zu Fall brachte, diesen danach provozierend zur Rede stellen wollte - was auf der Bank mehrere seiner Mitspieler mit kräftigem Körpereinsatz verhindern mussten. Spätestens jetzt war richtig Feuer in der Partie - und dieses fachte auch die Stimmung auf den Rängen an. Gislason brachte Andreas Wolff für den hinter der löchrigen Defensive allein gelassenen Niklas Landin, und der Europameister parierte gleich in seiner ersten Aktion einen Ball von Musche. Auf der anderen Seite hatte Miha Zarabec Pech, als sein Wurf auf der Torlinie entlang trudelte, Jannick Green ihn aber noch zu fassen bekam. Nach Lukas Nilssons Pfostentreffer erhöhte Mads Christiansen auf 13:10 für die Sachsen-Anhaltiner, die sogar in doppelter Unterzahl trafen. Mit einem Anwurf ins leere Tor und Weinholds wuchtigem Wurf glichen die Kieler wieder aus (25.). Weil ihnen aber weiterhin viele Fehler unterliefen, gelang dem SCM sofort wieder der Konter: Nach Dahmkes 15:16 trafen Weber und Damgaard und Musche zur ersten Vier-Tore-Führung für die Gäste, die Dahmke mit seinem Tor zum 17:20 vor dem Halbzeitpfiff immerhin noch um einen Treffer reduzieren konnte.
Arena wird zum Tollhaus
Ganz stark: Steffen Weinhold glänzte mit sieben Toren
Doch das Leiden der THW-Fans war damit nicht beendet: Der SCM erwischte den deutlich besseren Neustart, und nach fünf Minuten im zweiten Durchgang war es richtig deutlich: Weber hatte einmal mehr bei angedrohtem Zeitspiel die Lücke gefunden und zum 24:18 eingenetzt. Egal, was die Zebras auch anstellten: Der SCM hatte immer eine passende Antwort parat. Und doch schien jetzt ein Ruck durch die THW-Reihen zu gehen. In der Abwehr wurde aufmerksamer gearbeitet, und immer wieder feuerten sich die Schwarz-Weißen nach gelungenen Aktionen an, rissen so auch ihre Fans wieder mit. Nach O'Sullivans 26:21 (41.) begann das große Comeback des THW - zunächst unspektakulär mit Nikola Bilyks Wurf, dann zunehmend leidenschaftlicher in der Abwehr mit einem großartigen Andreas Wolff dahinter. Ekberg traf vom Siebenmeterstrich, Zarabec wühlte sich durch, zwischendurch verpasste Wiencek aus der eigenen Hälfte das leere Tor - aber die Zebras waren urplötzlich drin in dieser Partie. Und mit ihnen ihre Fans, die nun ein Heidenspektakel auf den Rängen veranstalteten. Erst recht, als Wiencek es besser als zuvor machte und ins leere Tor traf: 25:26. Mit stehenden Ovationen wurde der Ausgleich von Ekberg gefeiert, und als der immer mehr aufdrehende Bilyk zum 27:26 einnetzte (47.) war aus der Sparkassen-Arena längst ein Tollhaus geworden.
Kampf um jeden Zentimeter
Leidenschaft pur: Nikola Bilyk
Mit zwei schnellen Toren ging der SCM seinerseits wieder in Führung, doch die Zebras zeigten nun mit jeder Faser, dass sie dieses Spiel gewinnen wollen. Packten beherzt zu, kämpften um jeden Abpraller, ließen den zuvor so starken Magdeburger Angriff mit einer Beton-6:0 nicht mehr zur Entfaltung kommen. Weinhold traf bei angedrohtem Zeitspiel mit viel Willen zum Ausgleich, Bilyk startete nach einer tollen Abwehraktion seinen Sprint über das Feld und vollendete wuchtig zum 29:28, kassierte hinten aber nach einer Wolff-Parade gegen Musa eine Zwei-Minuten-Strafe. Doch davon ließen sich die Kieler nicht beirren, Zarabec spielte Weinhold grandios frei, der mit einem unfassbaren Dreher das 30:28 erzielte. Die Grün-Roten blieben aber dran, verkürzten nach Schneller Mitte. Bilyk erhöhte, Weber traf.
Sieg zum 500. Pflichtspiel für Alfred Gislason
Befreiter Jubel: THW-Trainer Alfred Gislason nach dem Sieg gegen den SCM
Sechs Minuten vor dem Ende zog Gislason den Grünen Karton, um seine Mannen auf die letzte Phase des Spiels einzustimmen. Allerdings verzog Zarabec, auf der Gegenseite stand Ekberg bei einem versuchten Pass auf Weber goldrichtig: Er sicherte den Ball, verhinderte damit den Ausgleich und leitete das 32:30 von Dahmke ein. Wolff hielt gegen Bezjak, Dahmke ging von der Außenposition den weiten Weg nach Halbrechts und drosch den Ball zum 33:30 ins Netz - 170 Sekunden vor dem Ende die Vorentscheidung, die Ekberg von Außen endgültig fixierte. Die Fans riss es von den Sitzen - mit großem Einsatz und noch mehr Willen hatte der THW Kiel seinem Trainer Alfred Gislason in dessen 500. Pflichtspiel an der Seitenlinie der Zebras doch noch einen Sieg geschenkt: Auf den Tag genau neun Jahre nach seinem ersten Einsatz für Schwarz-Weiß hatten die junge THW-Mannschaft ein packendes Spitzen-Spiel doch noch gedreht!
Donnerstag kommt der Flensburg-Bezwinger
Statistik, 3. Spieltag, 03.09.17: THW Kiel - SC Magdeburg: 34:32 (17:20)
THW Kiel: Landin (1.-18., 4 Paraden), Wolff (18.-60., 15 Paraden); Firnhaber, Weinhold (7), Dissinger, Wiencek (6), Ekberg (8/4), Zeitz, Frend Öfors (n.e.), Rahmel (n.e.), Dahmke (6), Zarabec (2), Vujin, Bilyk (4), Nilsson (1); Trainer: Gislason
SC Magdeburg: Green (1.-46., 6 Paraden), Quenstedt (46.-60. und drei Siebenmeter, 4/1 Paraden); Musa (3), Chrapkowski (1), Musche (6), Molina (n.e.), Pettersson, Christiansen (3), Mertens, O'Sullivan (2), Bezjak (1), Weber (10/4), Kalarash, Damgaard (6), Zelenovic; Trainer: Wiegert
Schiedsrichter: Peter Behrens / Marc Fasthoff
Strafzeiten: THW: 4 (Zarabec (14.), Weinhold (17.), Zeitz (20.), Bilyk (51.)) / SCM: 4 (Musa (22.), Kalarash (24.), Damgaard (42.), Christiansen (44.))
Siebenmeter: THW: 5/4 (Ekberg scheitert an Quenstedt, verwandelt im Nachwurf (33.)) / SCM: 4/4
Spielfilm: 1:0 (1.), 2:1, 3:2, 3:4 (7.), 5:6, 7:7 (12.), 7:9 (14.), 10:11 (19.), 10:13 (22.), 12:14 (24.), 14.14 (25.), 15:16, 15:19 (29.), 16:20, 17:20;
17:22 (32.), 18:24 (35.), 19:25, 21:26 (41.), 27:26 (47.), 27:28 (48.), 30:28 (51.), 31:30 (54.), 34:30 (59.), 34:32.
Zuschauer: 10.285 (ausverkauft) (Sparkassen-Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
Sechs Treffer und eine Weltklasse-Leistung: Patrick Wiencek
THW-Trainer Alfred Gislason: Es ist ein komisches Gefühl, als Sieger vom Platz zu gehen, nachdem man 40 Minuten lang die schlechtere Mannschaft war. Der SCM war in diesen 40 Minuten deutlich besser, unsere Abwehr war in der ersten Halbzeit katastrophal. In der zweiten Halbzeit geht die Abwehr-Misere gegen diese routinierte Magdeburger Mannschaft weiter, aber dann hat unsere Mannschaft endlich wie eine Mauer zusammengearbeitet. Durch die bessere Abwehr kam Andi richtig gut ins Spiel, und mit Bilyk kam mehr Druck in unseren linken Rückraum. Auch Steffen Weinhold hat sehr gut gearbeitet, gleiches gilt für Miha Zarabec. Insgesamt war ich mit unserem Angriff eigentlich zufrieden.
SCM-Coach Bennet Wiegert: Ich kann kein Geheimnis aus meinem Herzen machen. Ich bin sehr enttäuscht und traurig, dass sich meine Mannschaft nicht belohnen konnte. Ein Sieg war möglich - und durchaus auch ein hoher Erfolg. Aber ab der 40., 45. Minute hatten wir Angst davor, in Kiel zu gewinnen - und wir haben uns aus dem Konzept bringen lassen. In vier Minuten Unterzahl werfen wir unseren Vorsprung weg, und Wolff hat uns das Leben schwer gemacht. Es tat mir sehr leid, mit anzusehen, wie unsere Anker nicht gegriffen haben, und wie der THW so doch noch zu seinen Stärken gefunden hat.
THW-Geschäftsführer Thorsten Storm: Der SCm war heute richtig stark, hat ruhig durchgespielt und kam so immer noch zur Torchance. Unsere Mannschaft hat dann durch Aggressivität ins Spiel gefunden, hat die Fans und sich selbst gepusht. Der Wille unserer Mannschaft hat gezeigt, was gehen kann. Dieser leidenschaftlich erkämpfte Sieg ist mehr wert als ein glatter Erfolg - auch wenn man heute Herztropfen brauchte.
THW-Regisseur Miha Zarabec: Wir haben eine ganz schlechte erste Halbzeit gespielt. Dann war es überragend, wie wir mit Hilfe der Fans ins Spiel zurück gekommen sind. Die Atmosphäre war unglaublich, und wir sind froh, dieses erste Heimspiel gewonnen zu haben. Donnerstag wollen und müssen wir aber besser spielen.