Zittern, Verlängerung, Jubel: Deutschland im Finale!
Duell der Überraschungsteams
Vier-Tore-Führung nach 16 Minuten
So erlebten die beiden Kieler Protagonisten das Halbfinale von Außen - und dürften angesichts des dramatischen Spielverlaufs einige Male nervös die Haare gerauft haben. Die deutsche Mannschaft war gut ins Spiel gekommen, hatte nach Wiedes 2:2 und der dann folgenden norwegischen 4:3-Führung das Zepter in die Hand genommen und war unter anderem durch zwei Treffer von Dahmke mit 9:5 (16.) enteilt. Allerdings: Mit einer konsequenteren Chancenverwertung hätte die DHB-Auswahl schon zu diesem Zeitpunkt höher führen können.
Knappe Führung zur Pause
Den deutschen Angreifern stand jetzt aber immer häufiger Ole Erevik mit seinen Reflexen im Weg, und so war der Vier-Tore-Vorsprung nach 26 Minuten aufgebraucht - und Norwegen ging durch seinen achtfachen Torschützen Kristian Björnsen sogar mit 13:12 in Führung. Gut, dass der überragende Tobias Reichmann mit einem seiner 10/7 Treffer und einer 100-Prozent-Quote egalisierte, und Erik Schmidt sogar das 14:13 gelang. Die DHB-Auswahl kam sogar noch einmal in Ballbesitz - jedoch verhinderte Erevik mit einer Parade gegen Martin Strobel einen höheren Pausenrückstand der Norweger.
EM, Halbfinale, 29.01.16: Norwegen - Deutschland: 33:34 (30:31, 27:27, 13:14)
17:17 (35.), 17:39 (38.) 19:19 (43.) 19:20 (43.), 24:22 (50.), 26:26 (53.), 27:27 (60.), 30:31 (65.), 33:34. Zuschauer: 9100 in Krakau
Norwegen zieht mit zwei Toren weg
Jetzt ging die wilde Halbfinal-Reise aber erst richtig los: Norwegen legte sofort wieder vor, Deutschland konterte, Norwegen ging mit zwei Treffern in Führung, Deutschland setzte drei Treffer in Folge durch Steffen Fäth, den starken Julius Kühn und Reichmann zum 20:19 (44.) dagegen. Jetzt drohte bei jeder Aktion eine Vorentscheidung, doch auch wenn die Beine bei der DHB-Auswahl zunehmend schwerer wurden und die Konzentration im Abschluss in einigen Szenen fehlte, konnte sich Norwegen nicht absetzen - bis zur 53. Minute. Erst traf Jungstar Sander Sagosen, dann jagte Pekeler einen freien Ball über das Tor,und Kühn holte sich eine Zeitstrafe ab: In Überzahl traf Björnsen zum 24:22 für die Skandinavier, und die Anschlusstore von Pekeler und Häfner wurden von Tönnesen gekontert.
Norwegen am Drücker
Dahmke erzwingt Verlängerung
Jetzt war Norwegen am Drücker: Nach einer Auszeit hielt Wolff aber den Wurf von O'Sullivan, 58 Sekunden vor dem Ende kam Deutschland dadurch wieder in Ballbesitz. 19 Sekunden vor Schluss wurde Dahmke freigespielt, und der Kieler - zuvor dreimal an Erevik gescheitert - versenkte den Ball zum 27:27 ins Netz. Eiskalt warf er den Ball an Erevik vor bei in die lange Ecke. Was dann folgte, war eine Abwehrschlacht, die DHB-Defensive ließ keinen Wurfversuch der Norweger mehr zu. Das Drama ging in den nächsten Akt: Zum ersten Mal in der Geschichte der Europameisterschaft musste ein Final-Teilnehmer in der Verlängerung gefunden werden.
Dramatik pur
Es sollten die zehn Extra-Minuten werden, in denen sich der Hannoveraner Kai Häfner ins Gedächtnis der Handball-Fans warf: Er brachte Deutschland nach Reinkinds 29:28 mit 30:29 in Führung. Björnsen glich aus, Häfner bediente Reichmann: 31:30 nach den ersten fünf Minuten der Extra-Zeit. Nach dem Seitenwechsel glich Sagosen wieder aus, Fäth legte vor, Jöndal glich aus (68.). Wiede nahm sich ein Herz und traf zum 33:32 (69.), aber Reinkind glich aus. 51 Sekunden waren da noch zu spielen - und die Spannung, die Dramatik eines zu jeder Zeit ausgeglichenen Matches gipfelte in diesem einen, letzten Angriff der deutschen Mannschaft.
Häfner wird zum Helden
Kai Häfner ließ Handball-Deutschland jubeln. Von seiner angestammten halbrechten Position kreuzte er, sah die Lücke im norwegischen Deckungsverbund und nagelte den Ball nach exakt 69:55 Minuten zum 34:33 ins Netz - Deutschland steht im Finale der Handball-Europameisterschaft! Zum dritten Mal nach 2002 und 2004 greift die DHB-Auswahl, die so viele Rückschläge vor und während des Turniers verkraften musste, nach dem kontinentalen Titel, den sie bisher nur 2004 gewann. Am Sonntag spielt die DHB-Auswahl um 17.30 Uhr gegen Spanien (live in der ARD) - und auch im Kieler Handballbahnhof, in dem viele hundert Fans den Sieg ausgelassen feierten, werden wieder die Daumen gedrückt. In Polen wird Handball-Geschichte geschrieben!