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Zittern, Verlängerung, Jubel: Deutschland im Finale!

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Zittern, Verlängerung, Jubel: Deutschland im Finale!

Die deutsche Nationalmannschaft hat es geschafft! Das jüngste Team der Handball-Europameisterschaft steht im Finale! Bis zum erlösenden Jubel fünf Sekunden vor dem Ende der Verlängerung, als der nachnominierte Kai Häfner Verantwortung übernahm und mit links von der halbrechten Position ins lange Eck zum 34:33 (31:30, 27:27, 14:13) traf, ließ die DHB-Auswahl ihre Fans allerdings zittern: In einem packenden Match, in dem die Führung ständig hin- und herwechselte, lief die deutsche Mannschaft in der Schlussphase der regulären Spielzeit ständig einem Rückstand hinterher, bis Rune Dahmke schließlich das 27:27 erzielte und damit die Verlängerung erzwang.

Duell der Überraschungsteams

Das Duell der beiden Überraschungs-Teams: Für Deutschland war es das erste Halbfinale seit der EM 2008, für Norwegen das erste Semi-Final überhaupt. Nur von der Tribüne aus verfolgen konnten Christian Dissinger und Steffen Weinhold die Partie: Eigentlich sollten die beiden verletzten Kieler am Donnerstag zurück in die Landeshauptstadt reisen, doch THW-Trainer Alfred Gislason und Geschäftsführer Thorsten Storm entschieden, dass angesichts des Erfolges beide in Polen bei der DHB-Auswahl bleiben dürften. "Dafür möchte ich mich auch hier bei unserem THW-Coach Alfred Gislason bedanken, der Verständnis dafür aufbringt, dass wir bis zum letzten Spiel die Mannschaft von außen unterstützen möchten. Danke nochmals von Steffen und mir. Montag sind wir da. Versprochen, Alfred", hatten sich Weinhold und Dissinger via facebook öffentlich bedankt. 

Vier-Tore-Führung nach 16 Minuten

So erlebten die beiden Kieler Protagonisten das Halbfinale von Außen - und dürften angesichts des dramatischen Spielverlaufs einige Male nervös die Haare gerauft haben. Die deutsche Mannschaft war gut ins Spiel gekommen, hatte nach Wiedes 2:2 und der dann folgenden norwegischen 4:3-Führung das Zepter in die Hand genommen und war unter anderem durch zwei Treffer von Dahmke mit 9:5 (16.) enteilt. Allerdings: Mit einer konsequenteren Chancenverwertung hätte die DHB-Auswahl schon zu diesem Zeitpunkt höher führen können. 

Knappe Führung zur Pause

Den deutschen Angreifern stand jetzt aber immer häufiger Ole Erevik mit seinen Reflexen im Weg, und so war der Vier-Tore-Vorsprung nach 26 Minuten aufgebraucht - und Norwegen ging durch seinen achtfachen Torschützen Kristian Björnsen sogar mit 13:12 in Führung. Gut, dass der überragende Tobias Reichmann mit einem seiner 10/7 Treffer und einer 100-Prozent-Quote egalisierte, und Erik Schmidt sogar das 14:13 gelang. Die DHB-Auswahl kam sogar noch einmal in Ballbesitz - jedoch verhinderte Erevik mit einer Parade gegen Martin Strobel einen höheren Pausenrückstand der Norweger.

EM, Halbfinale, 29.01.16: Norwegen - Deutschland: 33:34 (30:31, 27:27, 13:14)

Norwegen: Erevik (16 Paraden), Christensen; Sagosen (4), Kristensen, Hykkerud, Myrhol (5), Overby, Mamelund, Tönnessen (3), Jondal (5/2), Björnsen (8/5), Lindboe, Gullerud, O’Sullivan (3), Reinkind (2), Hansen (3) Deutschland: Lichtlein (2 Paraden), Wolff (10 Paraden); Sellin, Lemke, Reichmann (10/7), Wiede (2), Pekeler (3), Strobel (1), Schmidt (1), Fäth (4), Häfner (5), Dahmke (3), Kühn (5), Ernst, Pieczkowski, Kohlbacher Schiedsrichter: Pichon/Reveret (Frankreich) Zeitstrafen: 12:4 Minuten (O'Sullivan/4, Jondal, Björnsen, Hansen, Linboe – Pekeler, Kühn) Siebenmeter: 7/8:7/7 (Jondal scheitert an Lichtlein) Spielfilm: 3:2 (5.), 4:5 (10.), 5:9 (16.), 8:10 (20.),, 10:11 (25.), 13:12 (27.), 13:14;
17:17 (35.), 17:39 (38.)  19:19 (43.) 19:20 (43.), 24:22 (50.), 26:26 (53.), 27:27 (60.), 30:31 (65.), 33:34. Zuschauer: 9100 in Krakau

Norwegen zieht mit zwei Toren weg

Jetzt ging die wilde Halbfinal-Reise aber erst richtig los: Norwegen legte sofort wieder vor, Deutschland konterte, Norwegen ging mit zwei Treffern in Führung, Deutschland setzte drei Treffer in Folge durch Steffen Fäth, den starken Julius Kühn und Reichmann zum 20:19 (44.) dagegen. Jetzt drohte bei jeder Aktion eine Vorentscheidung, doch auch wenn die Beine bei der DHB-Auswahl zunehmend schwerer wurden und die Konzentration im Abschluss in einigen Szenen fehlte, konnte sich Norwegen nicht absetzen - bis zur 53. Minute. Erst traf Jungstar Sander Sagosen, dann jagte Pekeler einen freien Ball über das Tor,und Kühn holte sich eine Zeitstrafe ab: In Überzahl traf Björnsen zum 24:22 für die Skandinavier, und die Anschlusstore von Pekeler und Häfner wurden von Tönnesen gekontert.

Norwegen am Drücker

Doch irgendwie kam die deutsche Mannschaft, der nun die Felle davon zu schwimmen drohten, wieder zurück. Auch, weil Andreas Wolff im richtigen Moment einige Bälle hielt. Und auch, weil die Abwehr nun den Kämpfermodus eingeschaltet hatte. Pekeler traf zum 25:26 (54.) und Kühn zum Ausgleich (55.). Tönnesen legte vor und hatte die Chance, nach einem DHB-Fehlwurf wieder auf zwei Tore zu erhöhen. Doch sein Wurf wurde geblockt, die Zeit verrann (57.). Auch, weil Kühn die Chance zum Ausgleich liegen ließ. 

Dahmke erzwingt Verlängerung

Jetzt war Norwegen am Drücker: Nach einer Auszeit hielt Wolff aber den Wurf von O'Sullivan, 58 Sekunden vor dem Ende kam Deutschland dadurch wieder in Ballbesitz. 19 Sekunden vor Schluss wurde Dahmke freigespielt, und der Kieler - zuvor dreimal an Erevik gescheitert - versenkte den Ball zum 27:27 ins Netz. Eiskalt warf er den Ball an Erevik vor bei in die lange Ecke. Was dann folgte, war eine Abwehrschlacht, die DHB-Defensive ließ keinen Wurfversuch der Norweger mehr zu. Das Drama ging in den nächsten Akt: Zum ersten Mal in der Geschichte der Europameisterschaft musste ein Final-Teilnehmer in der Verlängerung gefunden werden.

Dramatik pur

Es sollten die zehn Extra-Minuten werden, in denen sich der Hannoveraner Kai Häfner ins Gedächtnis der Handball-Fans warf: Er brachte Deutschland nach Reinkinds 29:28 mit 30:29 in Führung. Björnsen glich aus, Häfner bediente Reichmann: 31:30 nach den ersten fünf Minuten der Extra-Zeit. Nach dem Seitenwechsel glich Sagosen wieder aus, Fäth legte vor, Jöndal glich aus (68.). Wiede nahm sich ein Herz und traf zum 33:32 (69.), aber Reinkind glich aus. 51 Sekunden waren da noch zu spielen - und die Spannung, die Dramatik eines zu jeder Zeit ausgeglichenen Matches gipfelte in diesem einen, letzten Angriff der deutschen Mannschaft.

Häfner wird zum Helden

Kai Häfner ließ Handball-Deutschland jubeln. Von seiner angestammten halbrechten Position kreuzte er, sah die Lücke im norwegischen Deckungsverbund und nagelte den Ball nach exakt 69:55 Minuten zum 34:33 ins Netz - Deutschland steht im Finale der Handball-Europameisterschaft! Zum dritten Mal nach 2002 und 2004 greift die DHB-Auswahl, die so viele Rückschläge vor und während des Turniers verkraften musste, nach dem kontinentalen Titel, den sie bisher nur 2004 gewann. Am Sonntag spielt die DHB-Auswahl um 17.30 Uhr gegen Spanien (live in der ARD) - und auch im Kieler Handballbahnhof, in dem viele hundert Fans den Sieg ausgelassen feierten, werden wieder die Daumen gedrückt. In Polen wird Handball-Geschichte geschrieben!

"Unglaublich"

Einfach "unglaublich". In der Mixed-Zone hörte man dieses Wort in jedem Beitrag. Bundestrainer Dagur Sigurdsson erklärte: "Ich bin unglaublich stolz und glücklich, was wir hier heute und insgesamt bei dieser Europameisterschaft erreicht haben. Heute war unsere härteste Bewährungsprobe bei dieser EURO, denn Norwegen war ein herausragender Gegner. Leider muss es auch nach einem solchen Spiel einen Verlierer geben. Aber ich kann nicht erklären, wie glücklich ich im Moment bin, dass wir gewonnen haben." Tobias Reichmann sprach nach dem größten Erfolg seit dem WM-Gewinn 2007 über eine "riesige Mannschaftsleistung. Jetzt stehen wir im Finale und jetzt wollen wir alles." Auf geht's, DHB!

Norwegen legt Protest ein

Zittern auch nach dem Spiel: Norwegen hat Protest gegen die Wertung des 34:33-Halbfinal-Sieges der DHB-Auswahl eingelegt: In den letzten fünf Sekunden soll neben Torhüter Andreas Wolff ein weiterer deutscher Spieler mit einem Torwart-Leibchen auf dem Feld gestanden haben. Ein Urteil der EHF soll erst am Sonnabend um 11 Uhr vorliegen. "Wir sehen der Verhandlung gelassen entgegen und freuen uns auf das Finale", sagte Bob Hanning - und sollte mit dieser Ansicht Recht behalten: Sonnabendmorgen zogen die Norweger ihren Protest zurück. Finale!