Zebras wieder gefordert: Sonnabend Topspiel in Veszprem
Fünftes Spiel in 14 Tagen
Veszprem plant den ganz großen Wurf
Die "Zebras" treffen am Wochenende auf Ungarn, die - im vergangenen Jahr erst im Finale am FC Barcelona gescheitert - in dieser Saison den ganz großen Wurf landen wollen. Dafür verstärkten sie ihre eh schon topbesetzte und eingespielte Truppe weiter: Einzig Ergänzungsspieler Iman Jamali verließ den Club in Richtung Kristianstad, dafür holte man sich mit Mittelmann Aron Palmarsson vom THW Kiel und dem kroatischen Topstar Ivan Sliskovic (von RK Celje) zwei weitere Weltklasse-Rechtshänder hinzu. Im rechten Rückraum tat sich zuletzt allerdings eine ungeplante Baustelle auf: Nach Laszlo Nagy, der sich beim 28:24-Sieg gegen die SG Flensburg-Handewitt einen Bruch der rechten Hand zugezogen hatte, fällt wohl auch Christian Zeitz am Sonnabend aus. Der Linkshänder verletzte sich in der Partie gegen Zagreb an der Schulter. Mit dabei sein wird am Sonnabend aber Momir Ilic: Das ehemalige "Zebra" ist, obwohl es beim 21:20 in Zagreb mit einer frühen Roten Karte ausschied, mit 23 Toren vor Gasper Marguc (16) und dem ehemaligen Hamburger Kreisläufer Andreas Nilsson (15) erneut Top-Goalgetter seiner Mannschaft.
Sabaté für Ortega
Wie hoch die Ansprüche in Veszprem sind, zeigte sich kurz nach 27:27-Unentschieden zum Königsklassen-Auftakt beim polnischen Vizemeister Orlen Wisla Plock: Erfolgs-Trainer Carlos Ortega, der seine Mannschaft im vergangenen Jahr unter anderem zum Sieg in der multinationalen SEHA-League und ins Finale der "VELUX EHF Champions League" geführt hatte, wurde kurzerhand auf die Straße gesetzt. Gründe für die Trennung von Ortega, der die Ungarn seit 2012 trainiert und mit ihnen in den vergangenen drei Jahren alle nationalen Titel gewonnen hatte, gab der Verein nicht an. "Carlos Ortega verbrachte drei Spielzeiten in Veszprem und wurde einer der erfolgreichsten Trainer des Vereins. Viel Glück für den weiteren Karriereverlauf", hieß es in einem kurzen, offiziellen Statement. Die Nachfolger-Suche gestaltet sich indes offenbar schwierig: Bisher wurde kein neuer Trainer bekannt gegeben, sodass wohl auch am Sonnabend Co-Trainer Javier Sabaté an der Seitenlinie stehen wird.
Dauerbrenner in der Königsklasse
Am Sonnabend treffen zwei Mannschaften aufeinander, die in der jüngeren Vergangenheit häufig die Klingen in der "VELUX EHF Champions League" gekreuzt haben. In der Saison 2012/2013 ging es in der Gruppenphase hoch her: In Veszprem verlor der THW Kiel mit 30:31, im Rückspiel revanchierten sich die "Zebras" mit einem 32:21-Kantersieg - und mit dem höchsten Tore-Abstand in der Geschichte der direkten Duelle. Ein Jahr später war es im Viertelfinale dramatisch: Das Hinspiel sah die Kieler mit dem 31:30 knapp vorn, und nach einem heiß umkämpften 29:28-Sieg in Ungarn machte der THW den Halbfinal-Einzug klar. Wiederum ein Jahr später gewannen die "Zebras" das Halbfinale in Köln mit 29:26, und in der vergangenen Saison unterlagen sie in der Vorschlussrunde den Ungarn mit 27:31. Insgesamt gewann Veszprem fünf der elf Begegnungen, sechs Mal war bisher der THW Kiel erfolgreich (siehe Gegnerstatistik im THW-Archiv).
Spanisches Schiedsrichter-Gespann in der Akustik-Hölle
Bereits um 15.15 Uhr ertönt am Sonnabend der Anpfiff in der Akustik-Hölle in Veszprem. 5.019 Fans - traditionell in Rot gewandet - werden dann mit mindestens ebenso vielen Tröten einen Heidenlärm veranstalten, in dem man sein eigenes Wort kaum noch verstehen kann. "Wir werden uns mit Zeichensprache verständigen müssen", weiß THW-Spielmacher Domagoj Duvnjak. "Das wird ein ganz heißes Spiel." In diesem sollen zwei Spanier den Überblick behalten: Oscar Raluy Lopez und Angel Sabroso Ramirez wurden mit der Leitung des Spiels beauftragt, Sotiris Migas reist als EHF-Delegierter aus Griechenland nach Ungarn. Sky Sport überträgt die Partie live, über Zwischenstände in diesem Topspiel informiert der Liveticker auf der THW-Homepage. Auf geht's, Zebras!
"Veszprem ist eine der besten Mannschaften"
"Veszprem ist eine der besten Mannschaften überhaupt", sagt THW-Trainer Alfred Gislason. Tatsächlich haben die Ungarn als einzige Mannschaft der "Hammer"-Gruppe A bisher noch kein Spiel verloren. Einziger Ausrutscher blieb bisher dieses 27:27-Unentschieden zum Auftakt der Gruppenphase in Plock. "Das haben sie etwas zu locker genommen", vermutet Gislason, "so etwas wird ihnen nicht mehr passieren. Wir müssen am Sonnabend in dieser Halle mit dieser Riesen-Stimmung mindestens genauso gut spielen wie in Plock, um etwas zu erreichen." Das sieht auch Geschäftsführer Thorsten Storm so: "Wir müssen einen richtig guten Tag erwischen, um dort zu gewinnen. Aber ich traue das meiner Mannschaft zu, sie hat sich etwas vorgenommen!"
KN: "Ein komisches Gefühl": Marko Vujin spielte sechs Jahre in Veszprem
Kiel. Eisenach, zwischen Plock und Veszprem. Am Mittwochabend fehlte den Spielern des THW Kiel in der Partie gegen den ThSV Eisenach in der ersten Halbzeit auf eine gewisse Art die nötige Spannung. Zwischen Polen und Ungarn, den Auftritten in der Champions League, schien die Körpersprache der Spieler von Coach Alfred Gislason zu sagen: Da drüben steht ein Aufsteiger, ersatzgeschwächt noch dazu. Schaffen wir schon. Schafften sie auch, aber eben erst nach der Pause. "Ich glaube, meine Mannschaft hat den Gegner auf die leichte Schulter genommen", befand auch Gislason am Donnerstag, einige Stunden nach der Begegnung, die schließlich doch mit einem Zehn-Tore-Vorsprung endete. "Aber das geht in der Bundesliga einfach gar nicht. Alle haben am Tag vorher schon mit Handbremse trainiert." Ganz so fest war die im Spiel zunächst nicht angezogen. Schnell lief der Ball über die Außen, hinzu kamen Christian Dissinger und Marko Vujin im Rückraum-Vollgas-Modus - zuweilen unglücklich beim Abschluss. Dann ließ die Spannung nach, hinzu kamen Stürmerfouls, vergebene Siebenmeter, ausgelassene Chancen. "Das hat mich geärgert", so Gislason. Weniger Grund dazu hatte der Isländer nach der Pause. Auch, weil Marko Vujin so richtig aufspielte, zwischen der 43. und 57. Minute fünf (zum Teil sehenswerte) Tore erzielte. Der 30-jährige Serbe war sich der Situation bewusst: "Die Bundesliga ist kein Spaß, Du musst richtig Handball spielen. Wir haben schon sechs Minuspunkte, müssen bis Weihnachten einfach jedes Spiel gewinnen." Klare Worte des Linkshänders, der sich auf die Reise nach Veszprem irgendwie freue. Und irgendwie auch nicht. Zwölf Titel holte Vujin zwischen 2007 und 2012 mit MKB Veszprem, am Sonnabend (15.15 Uhr) auswärts nächster Gegner des THW in der Champions-League-Gruppe A - fünf Meistertitel, vier Pokalsiege, zweimal den nationalen Supercup und 2008 den Europapokal der Pokalsieger. Von 2003 bis 2007 stand der 2,01-Meter-Mann zuvor bei Dunaferr SE in Ungarn unter Vertrag. Rückkehr in die ungarische "Heimat"? "Nicht ganz Heimat, aber fast", sagt Vujin. "Aber mit sechs, sieben Spielern habe ich noch zusammen im Team gestanden, zudem habe ich mit Aron Palmarsson, Christian Zeitz und Momir Ilic in Kiel zusammen gespielt. Es ist immer ein komisches Gefühl, wieder dort zu spielen." Wirklich komisch ist die Atmosphäre in der Halle indes nicht. „Eine der schönsten Hallen im Handball, die Stimmung ist einmalig“, schwärmt Alfred Gislason zwar. Aber: "Ein Auswärtsspiel in Veszprem ist das Schwerste, was es gibt", sagt Marko Vujin, und der muss es nun wirklich wissen. "Wir müssen dort richtig gut spielen, um zwei Punkte zu holen", weiß der Serbe, der nach einigem Sand im Getriebe ("Bei Alfreds Vorbereitung habe ich immer bis Ende September Probleme, bin müde") stetig Fahrt aufnimmt und besonders im Wechsel mit Steffen Weinhold ein brandgefährliches Duo im halbrechten Rückraum bildet. "Jetzt habe ich ein richtig gutes Gefühl auf dem Feld, auch mit den Neuen klappt es besser. Aber die ganze Mannschaft kann es noch besser - ich auch." Je länger Vujin erzählt, desto mehr Vorfreude auf die neuerliche magyarische Stippvisite ist bei dem 120-maligen serbischen Nationalspieler spürbar. "Die Arena ist super laut, die Leute sind heiß auf die Champions League. Ja, ich freue mich." Gestern hat Gislason in Training und Videostudium den Fokus voll auf Veszprem gelegt. Mit dabei: Linksaußen Torsten Jansen. Zweimal hat der 38-Jährige bereits ohne Beschwerden mittrainiert, tritt die Reise nach Ungarn zwar nicht mit an, soll allerdings womöglich schon am kommenden Mittwoch im Spiel gegen Celje im Kader stehen. Zwischen Plock, Eisenach, Veszprem und all den Strapazen: eine gute Nachricht. (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 16.10.2015)
KN: In dieser Hölle geht es fair zu
Veszprem/Kiel. 2013, 2014, 2015: In jedem Jahr lockte der ungarische Dauer-Champion MKB Veszprem einen Rückraumspieler des THW Kiel an den Balaton. Links, Mitte, Rechts, eine ganze Achse: zuerst Momir Ilic, dann Christian Zeitz, jetzt Aron Palmarsson. 2013, 2014, 2015: In den vergangenen Jahren trafen sich die Kieler Zebras und die Magyaren stets in K.o.-Fights in der Champions League. Gründe genug dafür, dass das Aufeinandertreffen in der Gruppe A der Königsklasse heute (15.15 Uhr) ein ganz besonderes wird.
Auswärtsspiele in Veszprem und Flensburg seien "die schwersten", Veszprem momentan "neben Paris einer der härtesten Gegner" überhaupt, sagt THW-Coach Alfred Gislason, betont jedoch den Unterschied zwischen der Flensburger "Hölle Nord" und der rund 5000 Zuschauer fassenden Veszprem Arena: "Die ungarischen Fans stehen voll hinter ihrem Team, sind aber nicht so unfair. Und es ist einfach unbeschreiblich laut dort, auf dem Feld verstehst du dein eigenes Wort nicht." Ruppig geht es derweil in der Führungsetage zu, die mit hohen Erwartungen in die Saison gestartet war. Nach dem Auftakt in der Champions League, einer 27:27-Überraschung gegen Wisla Plock, wurde über Nacht Erfolgscoach Carlos Ortega gefeuert. Ein Nachfolger wurde noch nicht gefunden, seitdem führt Co-Trainer Xavier Sabaté die Geschäfte an der Seitenlinie und das Team mit 7:1 Punkten die Gruppe A an.
Es geht also auch um die Tabellenführung, die am Ende der Gruppenphase den direkten, kräfteschonende Sprung ins Viertelfinale bedeuten würde. Mit Aron Palmarsson und Ivan Sliskovic (RK Celje) hat sich Veszprem vor der Saison noch einmal verstärkt, ist auf allen Positionen doppelt stark besetzt. "Zum ersten Mal, und genau zu diesem Zeitpunkt musste ich gehen", klagte Ex-Coach Ortega nach seiner Demission. Auf der Position im halbrechten Rückraum sind allerdings beide Leistungsträger ausgefallen. Kapitän Laszlo Nagy zog sich in der Partie gegen Flensburg einen Bruch der linken Wurfhand zu. Christian Zeitz ist ebenfalls verletzt. Als Ersatz rückt seither der slowenische Rechtsaußen Gasper Marguc auf die Halbposition und "macht das ganz gut" (Gislason). "Wir müssen uns gegen Kiel enorm auf unsere Offensive konzentrieren", fordert Xavier Sabaté. "Kiel hat eine großartige Performance gegen Plock gezeigt. Wir dürfen uns im Angriff keine Ballverluste erlauben."
Vor zwei Jahren konnte sich der THW im Viertelfinale der Champions League nach einem 32:31 im Hinspiel in Kiel auch im Lärm von Veszprem mit 29:28 behaupten und zog ins Final Four ein und scheiterte später dort am HSV Hamburg. 2014 trafen sich die Kontrahenten im Halbfinale in Köln: Wieder siegten die Zebras (29:26), angeführt von einem überragenden Regisseur Aron Palmarsson, der zudem sieben Treffer erzielte. Und wieder war danach gegen einen deutschen Gegner, die SG Flensburg-Handewitt, Endstation. In diesem Jahr in Köln lief es nicht so gut: Halbfinale, 31:27 für Veszprem, dieses Mal reichten sogar neun Palmarsson-Tore nicht für den THW.
Momir Ilic (33) ist mit bis dato 23 Treffern der stärkste Königsklassen-Schütze der Ungarn. Der Serbe - von 2009 bis 2013 ein Kieler Zebra - freut sich auf das Match und fürchtet: "Es wird hart. Kiel hatte am Anfang der Saison Probleme, aber jetzt sind sie wieder so richtig gut in Form. Wir müssen uns auf einen großen Kampf einstellen." Christian Zeitz (34), der den THW im vergangenen Jahr nach elf Jahren (2003-2014) verließ, muss sich das Geschehen von der Tribüne aus ansehen. Der Linkshänder laboriert seit der Begegnung gegen Zagreb an einer Schulterverletzung. Eine Fraktur wurde zwar nicht diagnostiziert, aber Zeitz wird voraussichtlich erst Ende Oktober wieder im Kader stehen. "Der 14-Tore-Sieg gegen Plock war wirklich bemerkenswert, meine Mannschaft muss gegen den THW wirklich 100 Prozent geben", sagt der ehemalige Kieler Publikumsliebling, der den Fokus zudem auf Niklas Landin im Kieler Tor legt. Aron Palmarsson (25) zeigt sich vor dem Duell aufgeregt und bringt den Reiz der Partie auf eine einfache Formel: "Der THW ist der THW."
(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 16.10.2015)