Eine packende Saison mit Höhen, Tiefen und der 23. Meisterschaft für den THW Kiel
Als sich nach dem Schlusspfiff in Göppingen die Zebras tanzend in den Armen lagen und immer wieder "Deutscher Meister ist nur der THW" anstimmten, war dem THW Kiel das gelungen, was ihm Anfang März kaum noch jemand zugetraut hatte – der 23. Titelgewinn im 100. Jahr des Handballs im Traditionsverein. Nach der Heim-Niederlage gegen Leipzig waren die Kieler von Experten, Medien und selbst von einigen der eigenen Fans abgeschrieben worden, was Domagoj Duvnjak & Co. nur noch enger zusammenrücken und eine starke Serie starten ließ.
Stetiges Auf und Ab
Eine kräftezehrende Saison mit Auf und Abs - der Weg der Kieler zum 23. Meistertitel war in dieser Saison steinig. Der Start gelang, auch wenn Sander Sagosen und Hendrik Pekeler dem THW Kiel nach ihren schweren Verletzungen zum Saisonende des Vorjahres noch lange fehlen sollten. Doch die klare Auswärts-Niederlage in Berlin kostete im Oktober die Tabellenführung und machte auch dem letzten klar, dass mit den Berlinern in diesem Jahr zu rechnen sein würde. Das 32:33 zu Hause gegen den TBV Lemgo Lippe ließ die Zebras in der Tabelle kurzzeitig auf Platz fünf rangieren, ehe sie sich Stück für Stück wieder nach oben arbeiteten. Nach dem 24:22-Heimerfolg gegen Melsungen standen sie Mitte Dezember wieder an der Spitze der LIQUI MOLY HBL - doch nur für eine Woche: In Flensburg setzte es für die Zebras beim 23:36 die höchste Derby-Niederlage der Geschichte. Doch der Tiefpunkt der Saison war das 31:34 gegen den SC DHfK Leipzig am 5. März, als man eigentlich wieder an die Tabellenspitze zurückkehren wollte, sich nun aber hinter den Rhein-Neckar Löwen und den Füchse auf Rang drei einordnen musste. Die zweite Heim-Niederlage in der Saison - sie war eine Zäsur.
Enttäuschung gegen Leipzig
Die Zebras reagierten so, wie sie schon immer auf schwierige Situationen reagiert hatten. Mit intensiver, aber vor allen Dingen interner Analyse. "Wir müssen uns fragen, warum wie die Tore nicht machen, warum wir schlechte Entscheidungen treffen, warum können wir das, was wir uns vornehmen, nicht umsetzen. Wir müssen uns alle hinterfragen, beginnend bei mir. Ich werde das sehr intensiv tun", hatte THW-Trainer Filip Jicha direkt nach Abpfiff der Begegnung gesagt. Die Aufarbeitung auf allen Ebenen begann nur wenige Minuten später: Stundenlang schlossen sich die Zebras in ihrer Kabine ein, machten untereinander reinen Tisch. "Wir haben uns Sachen gesagt, die nicht nett waren", fasst Filip Jicha die vielleicht entscheidenden Stunden der Saison im großen Interview der Kieler Nachrichten für das ZEBRA JOURNAL zum Saisonende, das am 24. Juni erscheint, zusammen. "Es ging nicht um Stellschrauben, sondern um die Grundeinstellung. Dabei kam heraus, dass man einfach mehr investieren, alle anderen Sachen zur Seite schieben muss. Und die Jungs haben sich in jedem folgenden Training, jedem folgenden Spiel daran gehalten."
Kieler rückten zusammen
Die Zebras rückten zusammen - noch enger als zuvor. "Das ist eine große Familie", fasste Sander Sagosen das Geschehen zusammen, "Nach dem Leipzig-Spiel zuhause hätte ich nie gedacht, dass wir am Ende mit der Schale und unseren Fans feiern würden. Ich bin unfassbar stolz auf diese Truppe." Auch für Rune Dahmke war der Titelgewinn deshalb etwas Besonderes: "Nach dem Leipzig-Spiel haben auch nicht viele von uns geglaubt, dass wir das noch schaffen. Dass wir es so rumreißen konnten, bedeutet richtig viel." Das Einschließen in der Kabine und die stundenlangen Gespräche an den Tagen danach zeigten Wirkung: Die Zebras trotzten dem Verletzungspech, stellten sich allen Widrigkeiten entgegen und präsentierten sich fortan als Einheit, die alles dem großen Ziel unterordnet. Was folgte, war ein Endspurt, der es in sich hatte: Der THW Kiel befreite sich von dem Druck, gewinnen zu müssen, wollte aber unbedingt siegen. Und das taten die Zebras auch, holten in Melsungen wichtige Auswärtszähler, fegten danach die Füchse Berlin mit 36:29 aus der Halle, holten sich die notwendige Sicherheit und das Selbstvertrauen mit jeder gelungenen Aktion zurück. Und konnten sich dabei auch wieder auf ihre "weiße Wand" verlassen, die spürte, dass sich eine Menge getan hatte, der Wille zu harter Arbeit, hundertprozentiger Einsatz und die Leidenschaft zurück waren.
Schritt für Schritt zum Ziel
Im Heimspiel gegen den SC Magdeburg holten die Kieler mit ihrer Kulisse in der Schlussphase einen Drei-Tore-Rückstand auf, das 34:34 am 26. Spieltag war in der Rückschau ganz klar ein Punktgewinn für den THW Kiel, der fortan die Tabelle in einem irren Fünfkampf mit Berlin, Magdeburg, den Löwen und Flensburg anführte. Mit dem 29:19 gegen die SG rehabilitierten sich die Zebras ein wenig für die klare Hinrunden-Klatsche, triumphierten auch bei starken Rhein-Neckar Löwen. Längst hatte auch das Rennen um die bessere Tor-Differenz begonnen, und längst war der Titelverteidiger aus Magdeburg wieder der ärgste Verfolger. Aber die Kieler, gefestigt und heiß auf die Deutsche Meisterschaft, arbeiteten Schritt für Schritt ab und ließen sich auf der langen Zielgeraden nicht mehr aus dem Tritt bringen, spielten souverän und mit der Gewissheit, noch einmal als "Familie" großes bewirken zu können.
"Unheimlich stolz auf die Jungs"
"Es war eine der geilsten Saisons meiner Karriere", sagte Duvnjak nach der Meisterschalen-Präsentation, "vier oder fünf Mannschaften waren ganz oben. Wir haben um jedes Tor und jeden Punkt gekämpft." Filip Jicha war nach dem Coup, seiner insgesamt zehnten Meisterschaft als Spieler und Trainer mit dem THW Kiel, einfach "unheimlich stolz auf die Jungs, mit welcher Energie und Performance sie die Rückschläge der Saison wegstecken konnten." Für Rune Dahmke war dieser 11. Juni "einer der schönsten Tage in meiner Karriere. Der Titel bedeutet richtig viel. Wir hatten viele Höhen und Tiefen." Da schaltete Kapitän Duvnjak, der seinen Co-Kapitän Niklas Landin zur Schalenpräsentation nach vorn rief, längst in den Feiermodus: "Wir sind überglücklich, diese Meisterschale haben wir uns verdient. Wir waren sehr stark, haben eine starke Saison gespielt. Ich bin einfach glücklich, da die Deutsche Meisterschaft sehr viel für unseren Verein, unsere Geschäftsstelle und unsere Stadt bedeutet."