Kampf läuft ins Leere: THW Kiel kassiert deftige Derby-Niederlage in Flensburg

Bundesliga

Kampf läuft ins Leere: THW Kiel kassiert deftige Derby-Niederlage in Flensburg

65 Stunden vor dem Derby hatte der THW Kiel bei Aalborg Handbold einen wichtigen Sieg gefeiert, reiste mit vielen angeschlagenen Spielern - wie dem erkrankten Harald Reinkind-, aber auch mit Selbstbewusstsein nach Flensburg. Im 107. Nordderby lief dann allerdings nicht mehr viel zusammen. Die Zebras hatten nach einem guten Start der SG Flensburg-Handewitt nicht mehr viel entgegenzusetzen,. Sie verloren den Nord-Clasico mit 23:36 (12:17) Toren, kassierten die höchste Derby-Niederlage überhaupt und mussten auch die Tabellenführung abgeben. Klar, dass Flensburgs Spieler und ihre Fans völlig aus dem Häuschen waren und ein vorgezogenes Weihnachtsfest in der mit 6300 Fans ausverkauften Flens-Arena feierten. "Das war überragend, unser bestes Spiel seit sehr langer Zeit", freute sich SG-Schlussmann Benjamin Buric, der mit 17 Paraden großen Anteil am Flensburger Triumph hatte. 

Duvnjak: "Wir werden wieder aufstehen"

Die mitgereisten THW-Anhänger waren enttäuscht, genau wie Kapitän Domagoj Duvnjak. Flensburg habe verdient gewonnen, sagte "Dule", "großes Lob für die SG-Mannschaft. Wir hatten Probleme im Angriffsspiel, standen auch in der Abwehr nicht immer gut, haben viele Fehler gemacht und den Gegner zum Gegenstoß eingeladen. Wir denken jetzt vor allen Dingen an unsere erwartungsfrohen Kieler Fans, die uns riesig unterstützt haben." Die Niederlage mit 13 Toren tue weh, erklärte der Kapitän, "aber wir haben bisher eine gute Saison gespielt. Wir werden wieder aufstehen, nach vorne gucken. Das gute am Sport ist, dass es immer weiter geht. In vier Tagen haben wir ein Pokalspiel, dann geht es von vorne los." 

Erneut Kieler Personalsorgen

Kein Durchkommen: Der Kieler Rückraum hatte es in Flensburg schwer

THW-Trainer Filip Jicha musste – wie zuletzt immer – auf Eric Johansson, Steffen Weinhold und Sven Ehrig verzichten, alle fielen verletzungsbedingt aus. Mit dabei war Niclas Ekberg, der schwedische Rechtsaußen hatte in Aalborg wegen eines grippalen Infekts passen müssen, kehrte in Flensburg ins Team zurück. Dafür hatte es ausgerechnet "Alleinunterhalter" Harald Reinkind erwischt: Der Norweger gab alles, war gemeinsam mit Niclas Ekberg sogar bester Torschütze (beide 5 Treffer) der Schwarz-Weißen, aber die Luft reichte bei ihm nicht für 60 Minuten, sodass der THW Kiel in diesem Derby über weite Strecken mit drei Rechtshändern im Rückraum agierte. Diesem THW-Prunkstück fehlte gegen eine hart zupackende Flensburger Abwehr die Durchschlagskraft.

Zebras erwischen einen guten Start

Die hart zupackende SG-Abwehr stoppte auch Domagoj Duvnjak

Trotzdem erwischen die Zebras einen guten Start: Magnus Landin warf Kiel mit einem Kempa-Tor in Führung, mit 3:2 Toren lagen die Zebras in der siebten Minute vorn. Es sollte allerdings die letzte Führung bleiben, Röd glich zum 3:3 aus, Hansen erzielte das 4:3 für den Nordrivalen und Jakobsen, der mit insgesamt acht Treffern bester Flensburger Schütze war, traf wenig später zum 5:3. Sander Sagosen brachte die Kieler mit gekonntem Unterarmwurf heran, Jakobsen traf per Siebenmeter die Latte, doch einige technische Fehler und einige zum Teil diskussionswürdige Pfiffe des Schiedsrichtergespanns Schulze/Tönnies ließen die Waagschale langsam in Richtung Flensburg kippen. 

Flensburg setzt sich ab

Die SG ging beim 9:6 erstmals mit drei Treffern in Führung, der THW Kiel hielt aber dagegen. Zarabec brachte Tempo ins Kieler Angriffsspiel, und doch zogen die Flensburger dank einer kompromisslosen Abwehr und Buric im Kasten jetzt Tor für Tor davon. Als Harald Reinkind beim Stand von 8:11 bei einem Wurfversuch gefoult wurde, der Pfiff aber erneut ausblieb, Jakobsen im Gegenzug auf 12:8 erhöhte, suchte Filip Jicha ein kurzes Gespräch mit den Schiedsrichtern. Die Folge war eine fragwürdige Zeitstrafe gegen Sander Sagosen, was die Gastgeber in ein 17:11 ummünzten. Duvnjak traf kurz vor dem Wechsel noch zum 12:17 - noch war dieses Derby nicht entschieden.

Kurze Hoffnung

Harald Reinkind traf fünf Mal

Hoffnung bei den THW-Fans kehrte kurz nach dem Wechsel ein, als die Kieler einen 3:0-Lauf in 90 Sekunden aus dem Hut zauberten. Nach dem Doppelschlag von Harald Reinkind und dem Solo von Domagoj Duvnjak hatten sich die Kieler nach 32 Minuten auf 15:17 herangerobbt. Alles schien wieder möglich, doch die SG antwortete augenblicklich mit einem eigenen 3:0-Lauf, was auch an etlichen Buric-Paraden lag. Gottfridsson erhöhte nach 40 Minuten auf 23:17. Die erste und einzige Zeitstrafe kassierte die SG dann nach 46 Minuten (!), wenig später sah Hendrik Pekeler Rot nach einem kurzen Zupfer an Gottfridssons Bein. Jetzt brachen die Kieler Dämme, landeten Abpraller beim Gegner, ging der Ball nach eigenen Paraden ins Seiten- statt ins Toraus, was die weiter konsequent agierende SG in eigene Treffer ummünzte.  

Gastgeber nicht mehr aufzuhalten

Die Zebras traten enttäuscht die Heimreise an

Die Gastgeber waren nicht mehr aufzuhalten, Buric hielt sich in einen Rausch, und auch vorn lief es für die Flensburger richtig rund. Spätestens nach dem 29:20 durch Jacobsen in der 48. Minute war die Partie entschieden, die SG-Fans feierten zurecht ihre Mannschaft für die vielleicht beste Saisonleistung, während die Zebras nicht mehr die Energie aufbringen konnten, das Ergebnis in erträgliche Bahnen zu lenken. Der Kampf der Schwarz-Weißen - er verpuffte. Da kam nicht einmal mehr Freude über Henri Pabst Bundesliga-Torpremiere auf. Der 18-Jährige Nachwuchsmann traf zum 22:34. Ansonsten lief an diesem Tag aber einfach alles gegen den THW Kiel, der zudem auf eine starke und kräftemäßig besser aufgestellte Mannschaft des Nordrivalen traf. "Wir haben auf einem Top-Level gespielt", sagte Trainer Maik Machulla, "das tat brutal gut, ich bin sehr, sehr stolz auf meine Truppe."

Es geht weiter mit einem K.o.-Spiel

Auch wenn die Derby-Niederlage weh tat, es geht weiter für die Zebras: Noch einmal müssen die Kieler vor Heiligabend weit reisen. Am Donnerstag steht um 19:30 Uhr das Pokal-Achtelfinale bei der SG BBM Bietigheim auf dem Plan der Zebras. Die EgeTrans-Arena in Bietigheim-Bissingen ist ausverkauft, und mehrere hundert Fans der Schwarz-Weißen und einige der THW-Trommler werden ihre Mannschaft im so wichtigen K.o.-Spiel in Baden-Württemberg unterstützen. Auch der mobile THW-Fanshop wird vor Ort sein und direkt vor dem Haupteingang Fanartikel der Zebras anbieten. Sportdeutschland.TV wird die Pokal-Partie live im kostenpflichtigen Stream zeigen. Weiter geht’s in Bietigheim, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn

LIQUI MOLY HBL, 17. Spieltag: SG Flensburg-Handewitt - THW Kiel: 36:23 (17:12)

SG Flensburg-Handewitt: Buric (1.-60., 17 Paraden), K. Möller (n.e.); Golla (7), Hald (1), Kirschberger,  Einarsson (2), Mensah (3), Sögard, Gottfridsson (5), Hansen (2), Pedersen, Jakobsen (9/3), Semper, Mensing, L. Möller (3), Röd (5); Trainer: Machulla
THW Kiel: N. Landin (1.-51., 12 Paraden), Mrkva (52.-60., keine Parade); Duvnjak (3), Sagosen (3), Reinkind (5), M. Landin (1), Øverby, Wiencek, Ekberg (5/3), Pabst (1), Fraatz, Dahmke (), Zarabec (3), Wallinius (2), Bilyk, Pekeler; Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies
Zeitstrafen: SG: 1 (Röd (46.)) /THW: 3 (Pekeler 12.), Sagosen (28.), M. Landin (52.))
Disqualifikation: Pekeler (grobes Foulspiel, (47.))
Siebenmeter: SG: 4/3 (Jakobsen an die Latte (12.)) / THW: 3/3
Spielverlauf: 0:1, 2:1 (4.), 2:3 (7.), 4:3 (12.), 4:4, 6:4 (14.), 7:6 (18.), 9:6 (19.), 10:8, 12:8 (22.), 13:10 (24.), 16:10 (28.), 17:12;
17:15 (32.), 20:15 (36.), 21:17, 23:17 (40.), 24:17 (40.), 26:18 (43.), 28:20, 32:20 (53.), 36:23
Zuschauer: 6300 (ausverkauft) (Flens-Arena, Flensburg)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Glückwunsch an Maik und seine Mannschaft zu diesem verdienten Sieg. Wir hatten uns viel vorgenommen, aber es war relativ schnell klar, dass unser Kampf heute ins Leere laufen wird. Wir hatten nicht die Durchschlagskraft und Qualität im Rückraumspiel, um heute Flensburg Paroli bieten oder etwas mitnehmen zu können. Wir hatten gewaltige Probleme mit ihrer schnellen Mitte, und wir kamen deshalb nicht in die Situation, gegen ihren Positionsangriff verteidigen zu können. Dann starten wir gut in die zweite Halbzeit, am Ende können wir der SG aber nur zu diesem kontrollierten Sieg gratulieren – auch wenn es weh tut. Es sieht so aus, als wenn wir die Kombination Donnerstag 20:45/Sonntag 14 Uhr nicht mögen (schmunzelt). Die Jungs sind unglaublich traurig, aber auch so etwas gehört zum Dezember dazu.

SG-Trainer Maik Machulla: Wir haben heute von der ersten bis zur letzten Minute unglaublich konsequent gespielt, waren in der Abwehr und im Angriff sehr strukturiert. Wir wussten, dass der THW am Donnerstag ein schweres Spiel hatte und mit nur einem Rückraum-Linkshänder anreist, weswegen wir gegen die Wechsel mit hohem Tempo agieren wollten. Und dann hilft es natürlich, dass Buric noch den einen oder anderen Ball wegnimmt und wir uns dann absetzen können. Alles, was wir uns für dieses Spiel vorgenommen hatten, hat funktioniert. Und so kommt dann ein Spiel zustande, von dem wir vorher nicht geglaubt hätten, dass es das gibt. Die Schiedsrichter haben ein Spiel zugelassen, wie man es international zulässt. Jim Gottfridsson hat einen Pferdekuss, hätte aber noch spielen können, wenn es nötig gewesen wäre.

THW-Kapitän Domagoj Duvnjak: Wir sind gut gestartet, hatten dann aber Probleme im Rückzug und haben viele Fehler gemacht. Wir denken heute auch an unsere Fans, Danke für die Unterstützung! Das Derby mit 13 zu verlieren, tut weh. Das darf nicht passieren, aber es gibt solche Tage, an denen es doch passiert. In vier Tagen haben wir wieder ein wichtiges Spiel. Wir wollen beide Spiele in diesem Jahr gewinnen.