Gute Reaktion: Zebras erarbeiten sich klaren Auswärtserfolg in Hamm
"Man hat heute eine andere Kieler Mannschaft als zuletzt gesehen": Patrick Wiencek war die Erleichterung nach den 60 Minuten in der ausverkauften Westpress-Arena anzusehen. Denn aus den Ergebnis-Nackenschlägen der vergangenen Tage zogen die Zebras offenbar die richtigen Schlüsse und zeigten am Dienstagabend beim Aufsteiger ASV Hamm-Westfalen eine gute Reaktion: Mit 37:24 (17:9) holte sich der THW Kiel zwei ganz sichere Auswärtszähler.
Sicherheit kehrte Minute für Minute zurück
Dabei kehrte nach einer zunächst wilden Anfangsphase auf beiden Seiten mit zunehmender Dauer die Sicherheit zurück ins Kieler Spiel. Maßgeblich hierfür waren die erfahrenen Zebras, die voran gingen: Niklas Landin hielt 15 Würfe, Domagoj Duvnjak war als Speerspitze der offensiv-ausgerichteten Kieler Abwehr ein steter Unruheherd für die Angriffsbemühungen der Gastgeber, Steffen Weinhold traf fünf Mal, und Wiencek erzielte mit sechs Toren die meisten Treffer. Einen starken Eindruck hinterließ auch Neuzugang Karl Wallinius: Der Schwede kam 19 Minuten vor dem Ende in die Partie und zeigte seine Klasse eindrucksvoll. Fünf Mal traf der 23-Jährige ins Schwarze und glänzte darüber hinaus auch als Anspieler von Rune Dahmke und Wiencek.
Traumstart in stimmunsvoller Atmosphäre
THW-Trainer Filip Jicha veränderte seine Startformation im Vergleich zum vergangenen Samstag nur auf einer Position: Niklas Landin begann im Tor, und der kompletten Mannschaft war von der ersten Sekunde an anzumerken, dass sie den ASV Hamm-Westfalen vor der stimmungsvollen Kulisse gar nicht erst zur Entfaltung kommen lassen wollen. Die Kieler 3-2-1 störte effektiv, und hinter der beweglichen Deckung schwang sich Landin schnell zu großer Form auf. Zwei Ballgewinne der Deckung, eine Parade, Nikola Bilyk, Duvnjak und Wiencek vom Kreis - 3:0 nach nicht einmal zwei Minuten. Und auch, wenn sich danach im bisweilen wilden Spiel beider Teams Fehler im Kieler Angriff mit Weltklasse-Aktionen in der Abwehr und im Tor abwechselten, blieben die Zebras am Drücker. Eric Johansson und Bilyk erhöhten auf 5:0, ehe nach 7:36 Minuten erstmals auch die Gastgeber jubeln durften. Die legten zwar schnell den nächsten Treffer nach, aber der THW Kiel blieb konsequent und ließ sich davon nicht verunsichern.
Zebras bleiben entschlossen
Mit aller Entschlossenheit hämmerte Wiencek den Ball aus schwieriger Position ins lange Eck, hielt Landin einen Siebenmeter von Savvas, ließ Johansson dem guten ASV-Torhüter Hertlein mit einem feinen Dreher keine Chance. Dann war es Bilyk, der eine weitere Landin-Parade kraftvoll mit dem 9:2 veredelte (14.). Und als es in den nächsten zehn Minuten mal wieder Hin und Her ging, sich Licht und Schatten abwechselten, war es Steffen Weinhold, der dem Treiben ein Ende setzte: Nach 17 Minuten für Reinkind gekommen, erzielte der Linkshänder bis zum Wechsel noch vier Tore. Sein Doppelschlag erstickte die leisen Hammer Hoffnungen nach dem 6:11 im Keim, und mit dem 16:8 sorgte er erstmals für die Acht-Tore-Führung, die nach Rune Dahmkes Treffer zum 17:9 auch zur Pause noch Bestand hatte.
Erfolgreiche Tour in vielerlei Hinsicht
Die Zebras blieben auch nach dem Wechsel am Drücker, verkrafteten dabei auch Phasen, in denen sich ihnen Hertlein im ASV-Tor oder das Gebälk in den Weg stellten. Wiencek schraubte nach tollem Johansson-Anspiel den Vorsprung auf 21:12 (38.) und den verteidigten die Kieler bis zum 24:17 - und dann kam Karl: Wallinius traf bei drohendem Zeitspiel zum 25:17, bediente in Überzahl mustergültig Rune Dahmke zum 26:17, spielte kurz darauf Wiencek vor dessen 28:18 - der ersten Zehn-Tore-Führung - an und vollendete nach gekonntem Eins-gegen-Eins selbst zum 29:18 (50.). Längst hatte Jicha die beiden Youngsters Luca Schwormstede und Ben Connar Battermann aufs Feld geschickt, letzterer bedankte sich mit dem 30:29. Und als dann auch noch Yannick Fraatz vom Siebenmeter-Strich traf, jubelte die ganze Bank mit. Es war im überhaupt erst siebten Strafwurf-Versuch seiner Karriere der sechs Volltreffer - und einer, der die Torejagd der letzten Minuten einläutete. Zweimal jagte Wallinius noch den Ball ins Netz, einma traf Weinhold selbst, um dann Wiencek mit einem Traumpass zu bedienen, und den Schlusspunkt setzte erneut Fraatz: 37:24, eine gute Reaktion gezeigt und zwei sichere Punkte eingefahren. Die Auswärtstour nach Westfalen war erfolgreich in vielerlei Hinsicht.
Heimspiel am Sonntag
Am kommenden Sonntag empfängt der THW Kiel den Altmeister Frisch Auf! Göppingen zum Nord-Süd-Duell in der Wunderino Arena. Die Göppinger haben vor dieser Spielzeit ordentlich aufgerüstet, um die Doppelbelastung aus European League und LIQUI MOLY HBL schultern zu können. Unter anderem verpflichteten sie den erfahrenen slowenischen Mittelmann Ja Malus, den Weltklasse-Torhüter Marin Sego und nach der Verletzung von Neuzugang Vid Poteko kurzfristig auch noch Veszprems 2,03-Meter-Kreisläufer Blaz Blagotinsek, der im Sommer 2023 weiter nach Flensburg ziehen wird. Für das Heimspiel gegen Frisch Auf!, dessen Saisonstart eher durchwachsen war, gibt es noch Tickets bei CITTI, in famila-Märkten mit Ticketservice, online unter www.thw-tickets.de und in der THW-FANWELT im Ziegelteich. Weiter geht’s gegen Göppingen, Kiel!
Fotos: ASV / Moritz Kaufmann
LIQUI MOLY HBL, 11. Spieltag: ASV Hamm-Westfalen – THW Kiel 24:37 (9:17)
ASV Hamm-Westfalen: Hertlein (1.-60., 12/2 Paraden), Bozic (n.e.), Huesmann (1), Patrail, Bratzke, Schulze, Pretzewofsky (3), Bornemann (3), Orlowski (4/2), Leventoux, Dayan, Moussa, Savvas (5), von Boenigk (5), Wieling (3), Bauer; Trainer: Lerscht
THW Kiel: N. Landin (1.-46., 15/1 Paraden), Mrkva (46.-60., 4 Paraden); Duvnjak (4), Reinkind (2), Battermann (1), Øverby (1), Weinhold (5), Wiencek (6), Ekberg, Fraatz (3/1), Johansson (4), Dahmke (2), Zarabec (1), Schwormstede, Wallinius (5), Bilyk (3); Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Steven Heine / Sascha Standke
Zeitstrafen: ASV: 3 (Bauer (18.), 2x Leventoux (25., 46.)) / THW: 0
Siebenmeter: ASV: 3/1 (Huesmann überweg (3.), Landin hält Savvas (10.)) / THW: 3/1 (Hertlein hält Ekberg (35.) und Johansson (45.))
Spielverlauf: 0:5 (7.), 2:5 (9.), 2:9 (14.), 3:10 (18.), 5:10 (22.), 6.11, 6:13 (25.), 8:16, 9:17;
10:19, 12:19 (35.), 12:21, 15:24 (44.), 18:26 (47.), 18:29 (49.), 20:31, 22:35 (58.), 24:37.
Zuschauer: 2650 (ausverkauft) (Westpress-Arena, Hamm)
Stimmen zum Spiel:
THW-Kapitän Patrick Wiencek bei Sky: Wir haben heute ein anderes Bild abgegeben. Die letzten Partien waren leider nicht unsere Spiele, da haben wir nicht gut gespielt und wir hatten eine Menge aufzuarbeiten. Ich glaube, wir haben die richtigen Schlüsse gezogen. Man hat heute eine andere Mannschaft gesehen als bei den letzten Spielen. Wir wollten defensiv heute Hamm mit der 3-2-1 vor Aufgaben stellen. Denn wenn man keine Sicherheit im Spiel hat, ist jede Abwehrvariante nicht gut. Heute standen wir aber gut und Niklas hat überragend gehalten.
An die große Belastung dürfen wir nicht denken. Unsere vielen Spiele lassen wir als Ausrede nicht gelten, den Magdeburgern, Flensburgern und Berlinern geht es ja genauso. Entspannung ist nie, man hat ja am Wochenende gesehen, dass man in dieser Liga gegen jede Mannschaft verlieren kann – egal, wo in der Tabelle sie steht. Das ist ja auch das Reizvolle an der LIQUI MOLY HBL.
ASV-Keeper Felix Hertlein bei Sky: Wir haben es wie zuletzt gegen Melsungen nicht geschafft, ins Spiel zu kommen. Da steht es 5:0 für den THW -und das tut weh. Dann kommen wir besser rein, holen uns Selbstvertrauen, machen phasenweise ein ganz ordentliches Spiel, verlieren aber in guten Phasen zum Schluss wieder den Kopf. Da schmeißen wir die Bälle weg, ins Aus oder machen dumme Pässe an den Kreis. Insgesamt machen wir es auch den Kieler Torhütern zu leicht. Ein bisschen mehr Konsequenz bei den freien Abschlüssen – auch wenn es nichts Neues ist, dass Niklas Landin auch überragend hält – dann gehen wir mit neun oder zehn Toren Differenz raus. Dann machst du an heute einen Haken, und dann kommen die wichtigen Spiele für uns.
THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin sehr froh, dass wir das Spiel gewonnen und mit Leichtigkeit und Spielfreude präsentiert haben. Das ist nicht immer einfach, wenn es im Profisport mal nicht so gut läuft. Die Jungs hatten sich viel vorgenommen, daher musste ich sie eher bremsen. Mir hat die Einstellung heute gefallen. Uns tat es gut, dass wir nach Samstag gleich wieder spielen konnten und nicht lange warten mussten. Mit der 3-2-1 konnten wir Hamm gerade in den ersten Minuten unter Druck setzen, das tat gut und wir hatten das Spiel gut im Griff.
ASV-Trainer Michael Lerscht: Wir haben innerhalb kürzester Zeit in Flensburg und heute gegen Kiel zu Hause zweimal erlebt, dass Mannschaften dieser Güteklasse für uns schwer zu bespielen sind. Für uns ist es wieder einmal schade, dass wir zu viele freie Würfe liegen lassen. Natürlich zeigt Niklas Landin das nicht zum ersten Mal in seiner Karriere. Trotz allem müssen wir die Möglichkeiten besser nutzen, um in die Partie zu rutschen. Wir müssen defensiv mehr und härter Foul spielen, um dem Gegner den Druck zu nehmen. Das haben wir nicht geschafft, und dann ist Kiel auch zu gut, um das kurze Aufblühen zur Ergebniskosmetik dann auch über die Zeit zu bringen.