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Starke zweite Halbzeit: THW Kiel gewinnt deutlich in Leipzig

Bundesliga

Starke zweite Halbzeit: THW Kiel gewinnt deutlich in Leipzig

Das Ziel des THW Kiel vor der Auswärtsaufgabe bei SC DHfK Leipzig? Einen weiteren dicken Brocken auf dem Weg zur Qualifikation für die EHF Champions League aus dem Weg räumen! Es gelang - und zwar in ungemein beeindruckender Weise und nach einer überragenden Leistung in der zweiten Halbzeit, die die Kieler mit sage und schreibe 18:6 für sich entschieden. So gewannen die Zebras, die sich 30 Minuten lang schwer taten mit den Gastgebern, am Donnerstag mit 31:20 (13:14) in der "Quarterback Immobilien Arena" von Leipzig, machten ihr Vorhaben wahr und ließen den nach Europa schielenden Tabellen-Siebten DHfK aus Sachsen gekonnt an der eigenen Auswärtsstärke abprallen.

Niclas Ekberg bester Torschütze

Damit festigte der amtierende Meister in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga jenen wichtigen zweiten Rang, der die Tür zur europäischen Königsklasse öffnet. Bester Torschütze der Schwarz-Weißen war einmal mehr Rechtsaußen Niklas Ekberg, der fünf von fünf Siebenmetern verwandelte, insgesamt neunmal für Kiel traf. Dem schwedischen Europameister am nächsten kam Harald Reinkind, von sieben Versuchen aus dem Rückraum brachte der Norweger sechs Bälle im Tor der Sachsen unter - fünf davon allein vor dem Wechsel. Beim vor allem im zweiten Durchgang enttäuschten Gastgeber zeigte lediglich Sime Ivic Normalform im Abschluss, der Kroate traf fünfmal.

Schlüssel zum Erfolg: Sieben-gegen-Sechs

THW-Trainer Filip Jicha war nach den 60 Minuten in der stimmungsvollen Arena gut gelaunt. Seine Mannschaft habe sehr gut gespielt, lobte der Tscheche, schon in der ersten Halbzeit das durchgezogen, "was wir uns vorgenommen hatten. Da haben wir die Grundlage gelegt für einen sehr hohen Sieg, über den ich wirklich froh bin." Jicha ließ den THW in der zweiten Halbzeit mit Sieben gegen Sechs angreifen, eine Taktik, die vollends aufging. "Als Spieler hätte ich diese Spielweise nicht gemocht", gestand Jicha mit einem Lächeln. "Aber es macht den Jungs Spaß, es schafft Räume, und die haben meine Jungs fantastisch genutzt."

Verschlafener Start

Den Start in die Partie verschliefen die Zebras, lagen nach sieben Minuten mit 1:4 Toren zurück. Binder, Krzikalla, Milosevic und Witzke trafen für die Sachsen, lediglich Ekberg funkte dazwischen, warf in der fünften Minute den ersten Kieler Treffer des Spiels zum 2:1 an Torhüter Saeveraas vorbei. Doch die Kieler, erneut ohne ihr angeschlagenes Rückraum-Ass Sander Sagosen angetreten, fanden schnell hinein in die Partie, stellten eine fest zupackende Abwehr und erzwangen mit viel Bewegung Fehler bei den Leipziger Angreifern. Die Folge: Domagoj Duvnjak und zweimal Harald Reinkind glichen in der 11. Minute zum 4:4 aus.

Überragender Mann der ersten Hälfte: Harald Reinkind

Zwölf Paraden: Niklas Landin drehte nach dem Wechsel auf

Überhaupt Reinkind. Der agile Norweger ließ Leipzigs Abwehr immer wieder ins Leere laufen, narrte seine Gegenspieler und ließ den Torhütern in den ersten 30 Minuten bei seinen Krachern aus dem Rückraum keine Chance. Fünfmal traf Reinkind bei fünf Versuchen, er war die entscheidende Stütze des THW-Angriffs und hielt den frischgebackenen DHB-Pokalsieger stets auf Tuchfühlung gegen den SC DHfK. Der agierte zunächst auf Augenhöhe, lag bis zur 23. Minute gar knapp in Führung. Hendrik Pekeler nutzte dann in der 25. Minute das glänzende Anspiel von Reinkind zur ersten Kieler Führung der Partie: 12:11 in der 25. Minute. Allerdings verpassten des die Schwarz-Weißen in der Folge, diese Führung auszubauen. Die Gastgeber indes behielten noch die Ruhe, glichen durch Jotic aus und legten - erneut durch Jotic - direkt mit dem Pausenpfiff die 14:13-Halbzeitführung vor. Der Handballhimmel in Sachsen hing zu diesem Zeitpunkt voller Geigen.

THW Kiel dreht auf

Beton angerührt: Die Kieler Abwehr war im zweiten Durchgang nicht zu bezwingen

Das änderte sich gleich nach Wiederanpfiff. Domagoj Duvnjak veredelte zunächst sein Solo zum 14:14, Ivic erzielte per Siebenmeter in Minute 32 zwar das 15:14 für Leipzig. Doch dann brachen bei den Grünhemden alle Dämme. Die THW-Abwehr rührte Beton an, Niklas Landin nagelte sein THW-Tor zu, und in der Offensive glückte den Zebras mit sieben Angreifern nahezu jeder Spielzug. Als Niclas Ekberg in der 39. Minute per Strafwurf zum 19:15 traf, griff DHfK-Coach Andre Haber bereits zur dritten Grünen Karte, nahm früh seine letzte Auszeit. Doch seine mahnenden Worte verhallten ungehört, seine Mannschaft ging im THW-Wirbel regelrecht unter. Mit einem 9:0-Lauf entmutigten die Kieler ihren Gegner. Sie ließen 15 Minuten lang kein einziges Gegentor zu, und zogen vom 14:15 auf 23:15 davon. Das erste Gegentor der zweiten Halbzeit aus dem Feld heraus kassierten die Zebras erst in der 50. Minute, auf der anderen Seite wurde der Zauberkasten ausgepackt: Pekeler auf Ekberg, Ekbergs Bogenlampe ins verwaiste Leipziger Tor, Magnus Landins feiner Leger nach Duvnjak-Anspiel: Der THW fabrizierte Traumhandball, in der Halle jubelten nur noch die vielen Fans, die Weiß trugen. 

Zauber-Handball und Einsatzzeiten für alle

Traum-Tor zum Abschluss: Nikola Bilyk

Nahmen sich die Kieler angesichts des komfortablen Vorsprungs zurück? Nein! Es war eine Augenweide, den Zebras zuzuschauen, der Regiekunst von Duvnjak, der Schnelligkeit von Miha Zarabec. Dann die Eiseskälte von Niclas Ekberg oder Magnus Landin vor dem gegnerischen Tor. Es passte nahezu alles im Spiel der Zebras, auch wenn Filip Jicha die ganze Breite seines Kaders nutzte und am Ende auch seinen jungen Spielern Einsatzzeiten gab: Sven Ehrig nagelte einen Gegenstoß ins Tor, und auch Leon Ciudad dankte seinem Trainer mit dem Treffer zum 30:19. Am Ende zauberte Bilyk noch einen Rückhand-Wurf ins Leipziger Tor - die lange Busfahrt zurück nach Kiel dürfte den Kielern nach dieser Leistung viel kürzer vorkommen als die Hinfahrt ...

Alle Augen auf die Königsklasse

In den nächsten beiden Wochen richtet Handball-Europa die Augen auf die EHF Champions League: Im Viertelfinale kommt es für den THW Kiel zum Giganten-Duell mit der Weltklasse-Mannschaft Paris Saint-Germain. Das Hinspiel findet am Mittwoch in Paris statt. DAZN und ServusTV Deutschland übertragen ab 20:45 Uhr live aus der französischen Hauptstadt. Am Donnerstag, 19. Mai, fällt dann die Entscheidung in Kiel: Für das Rückspiel in der Wunderino Arena, das ebenfalls um 20:45 Uhr angepfiffen wird, sind noch einige Plätze in der „weißen Wand“ frei. Tickets gibt es in der THW-FANWELT und online unter www.thw-tickets.de! Weiter geht’s in Paris, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Karsten Mann/DHfK

LIQUI MOLY HBL, 29. Spieltag: SC DHfK Leipzig – THW Kiel: 20:31 (14:13)

SC DHfK Leipzig: Saveraas (1.-25., 39.-55., 4 Paraden), El-Tayar (25.-39., 55.-60., 4 Paraden); Wiesmach, Ernst, Witzke (2), Krzikalla (4), Binder (1), Mamic, Jotic (4), Ivic (5/2), Remke, Sunnefeldt (1), Gebala, Milosevic (2), Esche (1), Hanemann; Trainer: Haber
THW Kiel: N. Landin (1.-25., 31.-60., 12 Paraden), Quenstedt (25.-30., keine Parade); Ehrig (1), Duvnjak (2), Sagosen (n.e.), Reinkind (6), M. Landin (3), Weinhold (1), Wiencek (1), Ekberg (9/5), Ciudad (1), Dahmke, Zarabec (3), Horak, Bilyk (2), Pekeler (2); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Marcus Hurst / Mirko Krag
Zeitstrafen: Leipzig: 1 (Ernst (20.)) / THW:2 (Wiencek (21.), Weinhold (42.))
Siebenmeter: Leipzig: 1/1 / THW: 5/5
Spielfilm: 2:0 (4.), 2:1, 4:1 (7.), 4:4 (11.), 8:8 (20.),11:10 (23.), 11:12 (24.), 12:13 (27.), 14:13;
14:14, 15:14 (32.), 15:23 (46.), 16:25 (50.), 17:28 (55.), 19:31 (60.), 20:31.
Zuschauer: 4047 (Quarterback Immobilien Arena, Leipzig)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Wir haben sehr gut gespielt, das super durchgezogen. In der ersten Halbzeit hätte ich mir beim 6-6 gewünscht, dass wir die klaren Würfe reinmachen. Dann hätten wir zur Pause bereits geführt, zumal wir schon in der ersten Halbzeit sehr gut verteidigt haben. Das 7-6 in der zweiten Halbzeit ist richtig gut aufgegangen. Wir haben damit Erfolg, und die Jungs wollen das spielen. Sie haben Spaß an dieser Alternative. Und wir verschaffen uns - erlaubt durch das Regelwerk - eine weitere Alternative. Als Spieler habe ich das nicht gemocht, als Fan mag ich diese Variante nicht, aber als Trainer finde ich es legitim, das zu spielen, die Räume zu nutzen und uns damit einen Vorteil zu verschaffen. Ich bin froh und glücklich darüber, dass wir gewonnen haben.
Wir haben jetzt ganz schwere Brocken vor uns. Die Jungs wollen sich messen. Für uns gilt das gleiche Programm wie im ganzen Jahr 2022: Wir versuchen ganz langweilig, die Aufgaben abzuarbeiten. Die drei kommenden Spiele sind ganz sicher aber diejenigen, die die Jungs unbedingt gewinnen wollen. Aber einfach wird das nicht.

Leipzigs Kapitän Alen Milosevic: Die zweite Halbzeit macht mich sprachlos. Wir spielen eine fantastische erste Halbzeit, aber mit nur sechs Toren in der zweiten Halbzeit gewinnt man gegen keine Mannschaft der Welt. Am Ende stand es da 18:6 für den THW, das ist einfach zu viel. Das ist kein Zweit-, Dritt- oder Viertligist – das ist der THW Kiel. Keine Chance. Es war eine tolle erste Halbzeit, und dann machen wir genau das, was Kiel will. Wir spielen sehr fehlerhaft, werfen die Bälle in den Block, wir werfen unvorbereitet – dann kommt Kieler Tempo eins, zwei, drei, vier fünf – und dann bist du weg. Aber: Die Liga ist verrückt, es kann noch alles passieren, und Platz fünf ist noch drin.