Nord-Derby zum Heimauftakt: THW empfängt Flensburg am Dienstag
Auch die SG im Umbruch
Vier Spieler verabschiedet
Am Tag nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte mischte sich in die Partystimmung beim Champions-League-Sieger in Flensburg auch eine gehörige Portion Wehmut. Gleich vier Spieler nahmen an diesem Tag Abschied von ihrem Verein, von der Stadt und den SG-Fans. Allen voran der dienstälteste Spieler der SG: Kreisläufer Michael V. Knudsen kehrte nach neun Jahren in Flensburg in seine dänische Heimat zurück. Dort verstärkt der 35-Jährige wie Torwart Sören Rasmussen den ehemaligen Rasmus-Lauge-Club BSV Bjerringbro-Silkeborg. Ebenfalls nach Dänemark zog es Rückraumspieler Olafur Gustafsson, der zu Aalborg Handbold wechselte. Die Kurzzeit-Verpflichtung Goran Bogunovic, erst im Februar zur SG gestoßen, ging zu HCM Constanta nach Rumänien. Mit Nationalspieler Steffen Weinhold, der sich bekanntlich der "Zebraherde" anschloss, verließ ein weiterer erfahrener Mann die SG Flensburg-Handewitt.
Skandinavische Festspiele
Flensburg nutzte den Aderlass, um die Mannschaft fit für die Zukunft zu machen. Dafür holten die Nordlichter vor allem junge Skandinavier: Für Knudsen wird der 22-jährige Däne Anders Zachariassen (kommt aus Sonderjyske) das SG-Trikot überstreifen. Als Nachfolger von Gustafsson und Bogunovic holte man den 22-jährigen Dänen Kasper Kisum vom dänischen Erstligisten TMS Ringstedt. Und auch auf der Suche nach einem Ersatz für Rasmussen wurde man im Nachbarland fündig: Der zwei Meter große Kevin Möller (25) verließ GOG Handbold und seine dänische Heimat, um künftig hinter Mattias Andersson um Spielanteile zu kämpfen. Die dänische Fraktion im Kader der SG ist damit weiterhin die stärkste: Mit den Neuzugängen sowie den Etablierten Thomas Mogensen, Anders Eggert und Lasse Svan spielen gleich sechs Dänen in Flensburg. Die Schweden holen aber auf: Als Ersatz für Steffen Weinhold holte man den wohl erfahrensten aller Neuzugänge, den 27-jährigen schwedischen Nationalspieler Johan Jakobsson. Der Schwede Nummer fünf im SG-Trikot, der 2012 gemeinsam mit Niclas Ekberg bei den olympischen Spielen in London die Silbermedaille gewonnen hatte, kam aus Aalborg zur SG.
Kaufmann weiterer "Neuzugang"
Fünf erfahrene Abgänge, vier junge Neuzugänge: „Wir haben fertige Spieler verloren, unsere Neuzugänge müssen sich noch entwickeln. Aber das braucht Zeit“, versuchte SG-Trainer Ljubomir Vranjes, die Erwartungen in Flensburg ein wenig zu dämpfen. „Natürlich hätte ich gerne einen Joan Cañellas oder einen Mads Mensah-Larsen geholt. Aber die spielen nun in Kiel und Mannheim. Es gibt eben Clubs, mit denen wir finanziell nicht mithalten können. Das muss man akzeptieren.“ Die Flensburger gehen mit einem unveränderten Etat von rund sechs Millionen Euro in die Saison, können mit Lars Kaufmann aber auf einen weiteren Spieler bauen, der quasi als „Neuzugang“ zur Truppe stoßen wird: Nach über einem Jahr Verletzungspause soll Kaufmann für Druck aus dem linken Rückraum sorgen. „Wir brauchen Lars und machen alles, um ihn in Top-Form zu bringen“, erklärte Vranjes. „Erfahrung ist viel wert in unserem Job. Wir werden unsere junge Mannschaft mit der Erfahrung und der individuellen Qualität unterstützen, die Spieler wie Kaufmann oder Holger Glandorf haben.“
Vranjes lehnt andere Angebote ab
Saisonziel: "Leistungssteigerung bei jedem Spieler"
Angesichts des Umbruchs, keiner der Neuzugänge hatte zuvor auch nur ein Spiel in der DKB Handball-Bundesliga bestritten, tut man sich in Flensburg mit der Formulierung von Saisonzielen schwer. "Man kann Titel nicht einfach wie reife Früchte von einem Strauß pflücken, aber wir wollen gerne alles daransetzen, um auch in der neuen Saison einen Titel nach Flensburg zu holen", sagte SG-Manager Dierk Schmäschke. Vranjes ergänzte, dass man am liebsten "natürlich alle Titel gewinnen" wolle. "Aber ein Titel ist eine sehr lange Reise. Wir stehen nun vor einem Neuanfang und müssen etwas Geduld haben", schränkte der Coach ein. "Ich will immer gewinnen, will immer Titel. Aber nun wäre es großartig, wenn wir uns überhaupt wieder für die Champions League qualifizieren würden. Es wäre eine gute Saison, wenn uns die Integration und die Entwicklung der Neuzugänge gelingt. Mir ist wichtig, dass wir eine Leistungssteigerung bei jedem einzelnen Spieler erreichen. Wir wollen gute Spieler für die Zukunft entwicklen. Ich plane also nicht nur für einige Monate, sondern für mehrere Jahre."
Drei der letzten fünf Spiele gingen an die SG
Bei allen Understatement aus dem hohen Norden glaubt zumindest der ehemalige Lemgoer Nationalspieler Florian Kehrmann an die SG: "Schaffen es die Flensburger, ihr außergewöhnliches Niveau in der Defensive zu halten, sind sie für mich der THW-Verfolger Nummer eins", erklärte Kehrmann in der „Handballwoche“. Titelfavorit ist für Vranjes natürlich der THW Kiel. "Und das, obwohl wir von den letzten fünf Spielen gegen Kiel drei gewonnen haben …" In der Tat: In der DKB Handball-Bundesliga setzte es im vergangenen Jahr auswärts eine 30:34-Niederlage, in der Sparkassen-Arena gewannen die "Zebras" dann im Saison-Endspurt klar mit 33:25. Das letzte Aufeinandertreffen beider Mannschaften sorgte dann für Jubel in Flensburg: Anfang Juni gewann die SG gegen eine müde und ersatzgeschwächte Kieler Mannschaft das Finale der "VELUX EHF Champions League" mit 30:28.
79. Landesderby
Weitere Informationen
Kieler Nachrichten: Flensburger Zuversicht nach der Kieler Auftaktpleite
Kiel. Nach dem ersten Spieltag der Saison in der Handball-Bundesliga hat das 79. Landesderby zwischen dem THW Kiel und der SG Flensburg-Handewitt eine ganz neue Brisanz erfahren. Wenn heute um 20.15 Uhr in der Kieler Sparkassen-Arena der Anpfiff erfolgt, dann kämpft der THW nicht nur um das Prestige und die Chance, für das verlorene Endspiel in der Champions League Revanche zu nehmen, sondern auch darum, den letzten Tabellenrang zu verlassen. Denn die Auftaktniederlage in Lemgo (21:27) ließ den Meister in den Keller rutschen. Eine Situation, die die Konkurrenz – vor allem in Flensburg – sichtlich genoss. Als am Sonnabend die Kunde von der Kieler Niederlage in Lemgo in der Flens-Arena die Runde machte, erklangen Gesänge: „Die Nummer eins im Land sind wir.“ Die erste kursierende Tabelle mit dem THW Kiel als Schlusslicht sorgte für manche Witzelei. Ljubomir Vranjes, Trainer der SG Flensburg-Handewitt, stimmte in diesen Kanon nicht ein. Er dachte bereits an das bevorstehende Landesderby. „Die Kieler werden gegen uns dann ja richtig heiß sein und werden sich unbedingt beweisen wollen", mutmaßte der Schwede. Für ihn bleiben die Zebras der Top-Favorit auf die Meisterschaft. „Von der individuellen Qualität her hat der THW den besten Kader in der Welt", meint Vranjes. „Aber Handball ist so komplex, auch so eine Truppe brauchte eine Eingewöhnungszeit.“ Vom ersten Auftritt seiner Truppe war er durchaus angetan, gegen Friesenheim kritisierte er lediglich die magere Quote im Abschluss. Das galt nicht für Lars Kaufmann, der lange unter Knie-Beschwerden litt und nun nach fast 16 Monaten sein Bundesliga-Comeback feierte. Sechs Tore bei acht Würfen lautete seine Bilanz. Von den Rängen kam frenetischer Applaus. „Das ging runter wie Öl“, freute sich der Rückkehrer. „Schon als er im Juli in die Vorbereitung eingestiegen war, hatte er ein richtiges Pfund im Arm", erzählte Vranjes. „Diesmal hat er getroffen, er hat aber noch Schwierigkeiten im Timing.“ Gegen Friesenheim setzte der Coach auf die bewährte 6:0-Defensive mit Abwehrchef Tobias Karlsson. Als dieser in der Testphase zeitweilig wegen einer Daumen-Prellung passen musste, studierten die Flensburger einer 5:1-Formation mit den langarmigen Drasko Nenadic als Spitze ein. Ob da eine Variante für das Derby vorbereitet wurde? Zumindest kann der Champions-League-Sieger personell fast aus dem Vollen schöpfen. Nur Jim Gottfridsson (Ermüdungsbruch am Fuß) pausiert. Die SG-Fans sind derweil gespannt, wie sich ihr Team in der ersten großen Bewährungsprobe der neuen Saison aus der Affäre ziehen wird. Mit Kreisläufer Michael Knudsen und Steffen Weinhold sind zwei Leistungsträger ausgeschieden. Letzterer veränderte sich ausgerechnet gen Kiel. „Es wird schon merkwürdig sein, Steffen im THW-Trikot zu sehen", meint Vranjes. „Aber nun ist er unser Gegner – so einfach ist das.“ Holger Glandorf, der im Juni noch mit Steffen Weinhold gemeinsam in der National-Mannschaft spielte, hatte zuletzt eher weniger Kontakt mit dem alten Positionskollegen. „Wir haben uns ein paar Mal geschrieben, aber sonst hat sich jeder voll auf seine Vorbereitung konzentriert“, berichtet der Flensburger Linkshänder. Er zeigt sich verhalten optimistisch vor dem Derby. „Am Anfang einer Saison sind alle Teams noch nicht so eingespielt, da sind eher mal Überraschungen möglich“, glaubt Glandorf. Auch die Statistik, laut der die Flensburger drei der letzten vier Pflichtspiele gewannen, sorgt für Zuversicht. „Wir glauben, dass wir in Kiel gewinnen können“, meint Anders Eggert. Er selbst hat aber noch nie einen Sieg beim Landesrivalen erlebt. Das letzte Mal siegte die SG im Februar 2006 in Kiel. (von Jan Kirschner, aus den Kieler Nachrichten vom 26.08.2014)
Kieler Nachrichten: Großer Moment, egal wie der Gegner heißt
Kiel. Analysieren, abhaken, konzentrieren: Die Verarbeitung der Niederlage in Lemgo und die Vorbereitung auf das heutige Spiel gegen die SG Flensburg-Handewitt erfolgte für THW-Trainer Alfred Gislason im gewohnten Rhythmus. Das 21:27 am Sonnabend war schmerzhaft – na klar! Den Spielern fehlte noch die Abstimmung und Spritzigkeit – sicher! Doch Zeit für allzu lange Aufarbeitungen und Möglichkeiten zum Umkrempeln gibt es nicht: „Wir sind mit der Saisonvorbereitung immer hart an das erste Spiel gegangen und haben mäßig angefangen. Jetzt müssen wir uns voll auf das Flensburg-Spiel konzentrieren. Und es muss eine Steigerung kommen“, fordert Gislason, der den angeschlagenen Aron Palmarsson (Zerrung) zwar mit in den Kader berufen wird. Ob er dann allerdings spielen kann, stellt sich erst beim Warmmachen heraus. Auf jeden Fall wird die Mannschaft heute Abend unter intensiver Beobachtung stehen. Denn die ungewohnte Situation mit dem THW am Tabellenende hat die Medien wachgerüttelt. In der THW-Pressestelle gingen gestern noch spontan diverse Akkreditierungswünsche ein, die die ohnehin komplett ausverkaufte Halle zum Überlaufen bringen werden. Für die Neuen beim THW ist damit der ein oder andere Schauer beim Einlaufen garantiert. „Die Nervosität geht noch. Aber spätestens wenn wir in der Vorhalle stehen und das Licht ausgeht, wird sie kommen“, glaubt Rune Dahmke, der seit der B-Jugend beim THW spielt und nun sein erstes Pflicht-Heimspiel als Profi in der Sparkassen-Arena bestreitet. Für die Ex-Hamburger Joan Canellas und Domagoj Duvnjak ist es das erste Landesderby. Und wie geht es Steffen Weinhold, der nach seinem Wechsel aus Flensburg erstmals auf die ehemaligen SG-Kollegen trifft? „Natürlich wird es ein besonderes Spiel, denn ich habe viele Freunde in Flensburg. Aber unabhängig von dem Derby wird es ein einmaliger Moment sein, in dieser Halle für den THW aufzulaufen.“ (von Ralf Abratis, aus den Kieler Nachrichten vom 26.08.2014)