EM 2018: Gislasons EM-Fazit

Weitere

EM 2018: Gislasons EM-Fazit

Zagreb. Für das Finalwochenende der Europameisterschaft sind Alfred Gislason, Trainer des deutschen Handball-Rekordmeisters THW Kiel, und Viktor Szilagyi, Sportlicher Leiter der Zebras, nach Zagreb gereist. Im Hotel Double Tree treffen wir mittags einen entspannten Gislason. Nach dem Auftakt mit der Verletzung von THW-Kapitän Domagoj Duvnjak gab es im Turnierverlauf keine weiteren Rückschläge für die Zebras. Im Gegenteil: Der Isländer zieht ein insgesamt positives Fazit, will die EM-"Verlierer" in Kiel aufbauen, bewertet das Abschneiden der Deutschen und freut sich über zwei Schweden im Finale.

Verletzte Zebras wieder einsatzbereit

Das EM-Fazit:
"Viele Mannschaften sind im Umbruch", sagt der 58-Jährige. Das habe sich insgesamt auch auf das Niveau ausgewirkt. Spanien habe "nicht überragend, aber sehr diszipliniert und mit wenig Fehlern" gespielt. "Und dann", so Gislason, "kommt Arpad Sterbik auch noch fast im Bademantel zur EM und hält im Halbfinale drei von fünf Siebenmetern." Ãœberrascht zeigte sich der Kieler Chefcoach vom "Untergang" der Franzosen gegen Spanien. "Frankreich baut auch um, hat viele talentierte Spieler, aber ist noch zu sehr von Nikola Karabatic abhängig."  Insgesamt bewertet der THW-Coach das Niveau als "nicht schlecht, aber mit vielen Schwankungen."

Das deutsche Abschneiden:
Andreas Wolff, Steffen Weinhold, Patrick Wiencek, Rune Dahmke: "Unsere Vier haben alle gut gespielt." Bei den vielen Prokop-Kritikern möchte sich Gislason nicht einreihen, sagt aber: "Man hätte vielleicht darüber nachdenken können, Steffen Weinhold auf der Mitte spielen zu lassen, das ist er ja aus Kiel gewohnt. Und einer, der das Spiel souverän leiten kann, hat dem DHB-Team gefehlt. Dabei bin ich schon der Meinung, dass man Spanien hätte schlagen können. Spanien hatte oft Probleme gegen Deutschland." Bis zu den katastrophalen zehn Minuten in der zweiten Halbzeit sei die Partie dennoch gut gelaufen. "Dann haben die Deutschen das Spiel verschenkt, die Spanier haben mit ihrer 6:0-Deckung Passfallen gestellt, und Julius Kühn ist dreimal hintereinander darauf reingefallen." Gislasons Eindruck: "Irgendetwas von dem Spirit der Bad Boys hat bei diesem Turnier gefehlt."

Die Zebras:
Besonders die Schweden haben nach Meinung des Kieler Trainers "das Optimale aus ihren Möglichkeiten" gemacht. THW-Rechtsaußen Niclas Ekberg habe gut gespielt, Youngster Lukas Nilsson weniger. "Er ist sehr enttäuscht, hat kaum eine Rolle gespielt. Dabei war der Dezember der beste Monat für ihn beim THW überhaupt." Im Tempospiel ist auch Ekberg nicht zum Zug gekommen. Ein generelles Phänomen bei den kontinentalen Titelkämpfen 2018. "Insgesamt habe ich wenig Tempogegenstöße gesehen. Ich denke, dass der siebte Feldspieler dem Handball schadet." Dem früh ausgeschiedenen Österreicher Nikola Bilyk attestiert Gislason eine "sehr starke EM": "Nikola war bei Österreich der Alleinunterhalter - sehr schön für ihn." Der verletzt ausgeschiedene Serbe Marko Vujin stehe dem THW nach der EM-Pause wieder zur Verfügung. Sehr gut habe ihm Miha Zarabec im Dress der Slowenen gefallen, während das Urteil bei den Dänen Niklas Landin ("Er hatte schon vor dem Turnier Schulterprobleme") und René Toft Hansen ("solide") eher durchwachsen ausfällt.

Der Kapitän:
Schon in der ersten Partie gegen Serbien zog sich Domagoj Duvnjak einen Muskelfaserriss in der Wade zu. "Als die Verletzung passiert ist, war ich in Island. Ich habe 15 Minuten vor dem Ende bei einer Sieben-Tore-Führung für Kroatien den Fernseher ausgemacht und bin zu einer Verabredung gefahren. Dann habe ich auf einmal tausend SMS bekommen und habe nur gedacht: 'Das geht gar nicht, warum stand er kurz vor dem Ende noch auf dem Feld?'" Dennoch: Es gibt gute Nachrichten vom kroatischen Kapitän und Handball-Helden. Gislason: "Im ersten Spiel nach der Pause gegen Veszprem am 7. Februar kann Dule spielen."

Die Enttäuschung, die Überraschung:
Island habe einen super Start gehabt und dann enttäuscht. "Sehr schade!", sagt der THW-Trainer. "Das hätte viel bedeutet für Island." Die größte Ãœberraschung war für Gislason das Team der Tschechen ("Stark, was die Trainer da machen!"), aber auch der Finaleinzug der Schweden."

Wie geht es beim THW weiter?
Am Dienstagmorgen wird in Kiel trainiert. Die Schweden und Dänen, die am Finalwochenende noch im Einsatz waren, müssen erst am Mittwoch wieder ran. Am Mittwochabend (19 Uhr, Idrætshalle) bestreiten die Zebras ein Testspiel beim Drittligisten DHK Flensborg. Nach achtmonatiger Verletzungspause könnte Linksaußen Raul Santos sein Comeback feiern.

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 29.01.2017, Foto: Sascha Klahn)