ZEBRA-Interview mit Niclas Ekberg: “Können ein, zwei Gänge höher schalten”

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ZEBRA-Interview mit Niclas Ekberg: "Können ein, zwei Gänge höher schalten"

Niclas Ekberg wechselte im Sommer 2012 zum THW Kiel. Kaum zu glauben, dass das bereits fünf Jahre her ist. Inzwischen zählt der heute 29-jährige Schwede zu den Routiniers des deutschen Rekordmeisters. Und er hofft, auch in Zukunft weiter ein Teil der Kieler Erfolgsgeschichte zu sein. Im großen Interview mit dem Arena-Magazin "ZEBRA" zum Heimspiel gegen Göppingen blickt Ekberg auf die Vergangenheit, die Gegenwart und voraus in die Zukunft.

"Der Club ist größer als jeder einzelne"

Dieser Artikel ist im Arena-Magazin ZEBRA zum Heimspiel gegen Frisch Auf Göppingen erschienen

ZEBRA: Niclas, inzwischen trägst Du seit fünf Jahren das Trikot des THW Kiel. Ist die Zeit gerast?
NICLAS EKBERG:
Das ist schon eine lange Zeit im Profisport, aber trotz der vielen Erlebnisse kommt sie mir dennoch sehr kurz vor. Bei so vielen Reisen quer durch Deutschland und Europa sowie unzähligen Spielen in den unterschiedlichsten Arenen kommt man kaum zum Innehalten. Trotzdem: Ich hoffe, für mich ist hier beim THW Kiel höchstens Halbzeit.

Wenn man zur Hallendecke schaut, sind dort die ganz großen schwedischen Namen wie Magnus Wislander, Stefan Lövgren und Marcus Ahlm mit ihren Trikots verewigt. Nach zehn Jahren stünde Dir diese Ehre auch zu. Ist das ein zusätzlicher Ansporn?
Klar, diese drei sind Handball-Legenden für mich. Mit ihnen bin ich groß geworden, und sie und ihre Erfolge mit der schwedischen Nationalmannschaft sind schließlich der Grund dafür, warum ich mit dem Handball begonnen habe. Als Kind träumte man davon, eines Tages genauso gut wie sie zu sein und für Schweden zu spielen. Über sie habe ich den THW Kiel kennengelernt. Deshalb wäre es natürlich eine Riesenehre, eines Tages selbst unter der Hallendecke verewigt zu werden - aber deshalb bin ich nicht hier. Ich bin hier, um Titel zu gewinnen, das ist das wichtigste. Schließlich will ich gewinnen. Ob mit einem Tor oder zehn Toren Vorsprung, ist dabei völlig egal. Es muss nicht immer schön aussehen, aber am Ende zwei Punkte geben.

Du bist damals als 24-Jähriger zur besten Mannschaft Europas gekommen…
Der THW Kiel hatte gerade zuvor die Saison mit 68:0-Punkten in der Bundesliga beendet und zudem das Triple gewonnen - mehr geht einfach nicht. Das war eine ganz große Mannschaft auf ihrem Höhepunkt. Die hatte so viel Routine, dass sie im Schlaf spielen konnte und immer noch gewann. Wie hast Du Deine Anfänge in Kiel erlebt? Hektisch. Während der Olympischen Spiele meldete mein alter Arbeitgeber AG Kopenhagen Insolvenz an, und in der Folge brach dort alles auseinander. Der Wechsel nach Kiel ging dann zum Glück ziemlich schnell über die Bühne. Hier gaben mir meine Mitspieler und der Trainer dann zwei Wochen Zeit, mir alles in Ruhe anzuschauen und mich einzugewöhnen. Das war sehr entspannt. Berührungsängste mit den großen Namen wie Marcus Ahlm, Filip Jicha oder Thierry Omeyer hatte ich aber nicht. Schließlich hatte ich in Kopenhagen und auch mit der schwedischen Nationalmannschaft, mit der wir wenige Tage zuvor in London die olympische Silbermedaille gewonnen hatten, genügend sportliches Selbstvertrauen getankt.

Was hat den THW Kiel in dieser Zeit immer ausgezeichnet?
Die Mentalität, dass der Klub größer ist als jeder einzelne - und dass es alle hassen, zu verlieren. Andernfalls würde man irgendwann auch nicht mehr so viel und so konzentriert arbeiten, wenn Niederlagen nicht schlimm wären.

"Haben weniger Routine"

Geht als Routinier voran: Niclas Ekberg

Heute steckt der THW Kiel mitten in den Folgen eines gravierenden Umbruchs...
Das ist ein normaler Vorgang im Sport. Jeder noch so erfolgreiche Klub muss sich irgendwann erneuern ohne seine Werte zu verlieren, daran führt kein Weg vorbei. Nun haben wir viele junge Spieler und neue Gesichter und dadurch zwangsweise natürlich auch weniger Routine. Aber ich bin mir sicher, dass die langsam wiederkommt. Schließlich haben wir während der Vorbereitung im Sommer sehr gut trainiert. Besser hätte das kaum sein können. Und wenn man sich dann keinen zu großen Kopf macht, dann läuft es normalerweise auch.

Kannst Du Dich während des Spiels ganz frei machen von äußeren Einflüssen?
Das ist natürlich leicht zu sagen. Ich versuche während des Spiels, intuitiv zu handeln, den Torwart auszugucken und dann zu agieren. Natürlich ist das ein mentales Spiel - wenn man zwei, drei Mal verwirft, muss man sich beim nächsten Mal etwas anderes überlegen. Ich versuche, mich nicht beeinflussen zu lassen - egal, ob ich den Versuch vorher getroffen oder verworfen habe.

"Allein die Punkte zählen"

Emotionaler Außen: Niclas Ekberg

Wie bekommt man es hin, so sehr auf bestimmte Dinge fokussiert zu sein und andere wiederum ganz auszublenden?
Zwei Kinder zu bekommen, dann läuft es von alleine (lacht)! Mit zwei kleinen Kindern passieren so viele Dinge gleichzeitig, dass man sich schnell daran gewöhnt, viele Sachen parallel im Blick zu behalten. Wenn die beiden zu Hause Quatsch machen, dann schalte ich komplett vom Handball ab. Das hat mir tatsächlich sehr geholfen, viel lockerer in ein Spiel oder ins Training zu gehen. Ich weiß, dass ich meine Familie zu Hause habe und sie hinter mir steht, egal wie wir spielen. Das gibt automatisch Sicherheit und Selbstvertrauen.

Sind Deine Kinder mit in der Halle und sehen sie ihren Papa wirklich spielen?
Ja, so oft es geht. Die Große fängt an, jetzt auch wirklich etwas mitzubekommen. Meine Frau sagt jedenfalls, dass unsere Tochter unsere Spiele wirklich gerne schaut und nicht nur währenddessen durch die Halle tobt.

Suchst Du sie gar während eines Spiels und schaust nach einem Tor bewusst zu ihnen hoch?
Nein, nicht während des Spiels. Danach natürlich. Im Spiel denke ich immer nur, dass ich ein Tor für unsere Mannschaft machen muss. Wobei es mir grundsätzlich egal ist, ob ich zehn Tore oder gar keines mache - Hauptsache, der THW Kiel gewinnt! Allein die Punkte zählen.

"Müssen uns auf die kommenden Aufgaben fokussieren"

Konzentration: Niclas Ekberg ist ein sicherer Siebenmeter-Schütze

Wie hast Du den Saisonstart erlebt und wie geht die Mannschaft mit den durchwachsenen Ergebnissen um?
Damit haben wir gar nicht gerechnet. Aber so ist es nun mal. Trotzdem glaube ich, dass wir es als Mannschaft gut hinbekommen haben, diese Dinge hinter uns zu lassen. Die Niederlagen zu Anfang können wir nicht mehr ändern. Stattdessen müssen wir uns auf die kommenden Aufgaben fokussieren und immer weitermachen - so sieht es der Spielplan vor. Wenn wir das tun, dann bin ich davon überzeugt, dass der Erfolg zurückkommen wird.

Fängt man langsam an zu rechnen, wenn andere Teams scheinbar mühelos vorneweg maschieren?
Ich nicht! Ich weiß, dass wir gegen jede Mannschaft mindestens noch einmal antreten müssen. Dann können wir vieles wieder relativieren. Ich weiß ja selbst, wie es ist, die Liga anzuführen. Dann reden alle über einen, und der Druck wächst immer weiter. Mit einer so routinierten Mannschaft wie damals haben wir das locker ausgehalten und unser Pensum ruhig abgespult. Aber jetzt sitzen andere Mannschaften in dieser Position und müssen erst lernen, damit umzugehen. Hannover hat es in der Zwischenzeit auch schon wieder erwischt.

Wie beruhigend ist es, dass auch die Löwen und Flensburg schon Minuspunkte kassiert haben?
Ob es beruhigend ist, weiß ich nicht. Aber es zeigt auf alle Fälle, dass die Bundesliga ausgeglichener und insgesamt stärker geworden ist. Das ist aber nichts, worüber ich mir ernsthaft Gedanken mache. Wir spielen unsere Spiele, und sie spielen ihre Spiele. Und auf letztere können wir bis auf die direkten Duelle keinen Einfluss nehmen. Vielleicht ist es etwas klischeehaft, aber ich denke tatsächlich nur an unser nächstes Spiel. Zugegeben, ich schaue mir die Ergebnisse der anderen Partien selbstverständlich an, aber ich fange deshalb nicht an zu rechnen.

"Wir können noch ein, zwei Gänge höher schalten"

Niclas Ekberg spielt seit 2012 im THW-Trikot

Was ist für den THW Kiel in dieser Saison noch drin?
Wir können noch ein, zwei Gänge höher schalten. Je länger die Saison läuft, desto mehr technische Fehler werden wir abstellen, weil wir uns besser und besser kennenlernen und aufeinander abstimmen.

Kannst Du Dich noch an Deinen ersten großen Titelgewinn mit dem THW Kiel erinnern?
Das war natürlich ein richtig geiles Gefühl. Ich hatte zum Glück vorher schon großen Erfolg in Kopenhagen sowie mit der schwedischen Nationalmannschaft, deshalb hatte ich ein gutes Gefühl für Titel. Aber erst dann habe ich gemerkt, wie riesengroß die Deutsche Meisterschaft für den Klub und die Fans tatsächlich ist. Für mich selbst war es eine Riesenfreude, diesen Titel zum ersten Mal zu gewinnen. Und bei den Spielern mit viel mehr Erfahrung merkte man einfach eine gewisse Genugtuung, dass sie es den anderen noch einmal gezeigt hatten.

Wie war der Moment, auf den Rathausbalkon hinauszugehen?
Das war ein Riesenerlebnis. So etwas hatte ich ebenfalls noch nie zuvor irgendwo erlebt. Erst diese faszinierende Stimmung in der Sparkassen-Arena, dann kommt man raus auf den Rathausplatz und da sind noch mehr Leute - das war natürlich geil! Da hatte ich Gänsehaut - aber die habe ich auch heute noch jedes Mal, wenn wir in die Halle einlaufen.

Erzählt Ihr "Alten" den jungen Spielern von solchen Erlebnissen? Im Trainingslager entstand der Eindruck, wenn jemand das Wort "Rathausplatz" fallen ließ, wurde noch einmal klaglos das eine oder andere Gewicht mehr aufgelegt…
Natürlich ist das eine Riesenmotivation. Das ist nach wie vor das Hauptziel. Ich hoffe, wir starten jetzt eine neue, erfolgreiche Phase. Schließlich will ich unbedingt dorthin zurück!

(Von Sascha Klahn, aus dem Arena-Magazin "ZEBRA" zum Bundesliga-Heimspiel gegen Göppingen)