ZEBRA-Interview mit Lukas Nilsson

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ZEBRA-Interview mit Lukas Nilsson

Lukas Nilsson zog in Ystad aus, um die Handballwelt zu erobern. In Kiel ist der junge Schwede schon in seinem ersten Auslandsjahr merklich gereift. Warum er fest an den Erfolg mit dem THW Kiel glaubt und was das für seine langen Haare bedeuten könnte, verrät er im großen Interview des Arena-Magazins ZEBRA zum Heimspiel gegen den SC DHfK Leipzig.

"Kiel ist der beste Verein der Welt"

Dieser Artikel ist im Arena-Magazin ZEBRA zum Heimspiel gegen den SC DHfK Leipzig erschienen

ZEBRA: Lukas, wie froh bist Du, dass Du in diesem Sommer im Trainingslager dabei warst
LUKAS NILSSON: Das war sehr gut für mich, ich brauchte diese Vorbereitungszeit. Im vergangenen Jahr hatte ich sie verpasst. Deshalb war diese Periode jetzt sehr wichtig für mich. Und für die Mannschaft natürlich auch.

Vor einem Jahr stießt Du als Neuzugang aufgrund der Olympischen Spiele erst sehr spät und ohne diese Vorbereitungszeit zur Mannschaft und wurdest quasi über Nacht ins kalte Wasser geworfen. Wie muss man sich das vorstellen?
Das war richtig schwer. Ich bin sofort nach den Olympischen Spielen nach Kiel gefahren, und nach nur einem Tag Training hatten wir sofort ein DHB-Pokalspiel gegen Fredenbek. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt die Mannschaft noch nicht einmal kennengelernt. Deshalb war es richtig, richtig schwer.

Jetzt hast Du die Mannschaft ein Jahr lang intensiv kennengelernt. Haben sich Deine Erwartungen an den Klub erfüllt?
Der THW Kiel ist ein sehr professioneller Verein, und die Spieler sind es allesamt auch. Wenn man etwas braucht, dann besorgt es der Verein sofort. Kiel ist der beste Verein der Welt, das wissen alle. Alles ist so anders und viel größer als bei uns zu Hause in Ystad. Es ist unglaublich, wie professionell alles ist.

"Ich kann nicht kochen"

Lukas Nilsson spielt seine zweite Saison in Kiel

Ystad ist gar nicht so weit weg von Kiel, aber dennoch bist Du nur noch selten zu Hause. Wie groß war der Sprung ins Ausland für Dich tatsächlich?
Der war groß. Ich war 19 Jahre alt, als ich nach Kiel kam. Bis dahin hatte ich immer in Ystad gewohnt, immer mit der gleichen Mannschaft gespielt und meine Eltern natürlich immer in meiner Nähe gehabt. Zudem ist die neue Sprache unheimlich schwer.

Aber dafür sprichst Du nach nur einem Jahr schon ausgezeichnet Deutsch...
Es ist schon viel, viel besser geworden. Aber ich glaube, ich werde auch in diesem Jahr weiterhin regelmäßig in die Sprachschule gehen. Trotz einer neuen Stadt, neuen Routinen - die Sprache war das schwierigste.

Hast Du vorher schon alleine gewohnt oder haben Deine Eltern immer für Dich gesorgt?
Ich habe tatsächlich ein halbes Jahr allein in Ystad gewohnt.

Zur Vorbereitung?
Ja, quasi (lacht). Als ich beim THW unterschrieben hatte, bin ich sofort in eine eigene Wohnung gezogen. Und das war sehr, sehr wichtig.

Hast Du dann fortan alles selbst gemacht oder mussten Deine Eltern zur Not einspringen?
Mama und Papa haben mir in Ystad sehr viel geholfen. Aber jetzt ist meine Freundin Hanna da, sie hilft mir sehr viel, und es ist sehr schön, dass sie mit mir hier in Kiel ist.

Kannst Du kochen und bügeln?
Wenn ich alleine bin, dann bin ich oft mit Niclas, Rune, Nikola, Dule, Marko, Disco oder Miha unterwegs. Dann gehen wir essen. Ich kann nicht kochen, muss ich gestehen. Ich glaube, an zwei Tagen während der Vorbereitung habe ich versucht, selbst zu kochen. Das war dann eher einfach: Fleisch und Salat. Mehr nicht.

Aber Du kommst im Haushalt zurecht?
Ja, das ist kein Problem.

Hat Dich Dein erstes Jahr im Ausland sehr weit vorangebracht?
Das glaube ich. Ich habe inzwischen eine viel bessere Kondition, bin sehr viel stärker. Und natürlich ist es sehr wichtig, wenn Du in einer Mannschaft spielst, dass Du Dich unterhalten kannst - in der Abwehr musst Du sehr viel reden, das ist sehr wichtig. Und das kann ich jetzt.

"Hier musst Du immer bei 100 Prozent sein"

Die langen Haare sind das Markenzeichen von Lukas Nilsson

Hast Du das Gefühl, dass Du im ersten Jahr noch einen besonderen Schutz hattest, weil Du noch so jung bist und zudem die Vorbereitung verpasst hattest?
Ja, natürlich. Die Bundesliga ist total anders als die schwedische Liga. Egal, gegen wen Du hier spielst, auf der anderen Seite stehen immer richtig gute Spieler. In Schweden kannst Du gegen einen Top-Acht-Klub spielen und musst nur 50 Prozent geben. Aber hier musst Du immer bei 100 Prozent sein.

Musstest Du Dich an die höhere Intensität und körperliche Härte erst gewöhnen?
In der Bundesliga kassiert man den einen oder anderen Schlag mehr. Das war zu Beginn tatsächlich etwas gewöhnungsbedürftig. Aber jetzt habe ich ein Jahr hier gespielt und kenne alles. Von nun an wird es einfacher, weil ich weiß, was kommt. Deshalb glaube ich, dass dieses Jahr sehr viel besser werden wird.

Wie wichtig ist es Dir, dass mit Niclas und Emil zwei weitere Landsleute hier in Kiel spielen und ihr gemeinsam die große schwedische Tradition des THW Kiel fortsetzt?
Du selbst besaßt schon als kleiner Junge ein THW-Trikot. Natürlich ist es sehr schön, wenn man hier mit Landsleuten zusammenspielt. Das ist im Übrigen auch sehr schön für unsere Freundinnen oder Frauen. Ich kannte Emil und Niclas bereits, bevor ich nach Kiel kam. Jetzt da ich Deutsch kann, ist vieles einfacher. Vorher hat mir Niclas bei allem - Auto, Bank, Handyvertrag - geholfen. Inzwischen reden wir beiden sogar Deutsch miteinander.

Es gab schon mal einen langhaarigen Schweden in Kiel - ist Staffan Olsson ein Vorbild von Dir?
Nein, das kann ich nicht behaupten. Stefan Lövgren ist ein größeres Idol für mich.

Was bewunderst Du an ihm?
Er ist ein sehr guter Typ. Er hat dieses Charisma, er war ein unglaublicher Spieler und ist noch immer ein unglaublicher Typ. Stefan ist wirklich ein sehr großes Vorbild.

Du hast mit ihm in der schwedischen Nationalmannschaft, deren Geschäftsführer er ist, noch direkt zu tun. Sprecht Ihr manchmal über Kiel?
Ja, manchmal. Aber das läuft dann eher so ab: Bestell Alfred schöne Grüße. Weniger über konkrete sportliche Inhalte oder gar Tipps.

Zurück zu dem anderen "alten Schweden", Staffan Olsson. Auch Deine langen Haare fallen auf. Wie ist es dazu gekommen?
Ich hatte früher nur halblange Haare. Aber dann hatte ich keinen Bock mehr, zum Frisör zu gehen. Da dachte ich mir, ich probiere es einfach mal mit langen Haaren und mit Zopf. Das ist ganz geil, finde ich. Und außerdem sehe ich besser aus als Staffan (lacht).

Und das soll auch so bleiben?
Ja, das hoffe ich. Aber vielleicht, wenn wir irgendwann einmal ein Triple gewinnen sollten...

Mach keine unüberlegten Versprechungen! Dein Zimmerkollege Nikola Bilyk würde sich sehr freuen, Dir die Haare abzurasieren...
Ich habe jetzt schon immer Angst,wenn er mit dem Rasierapparat in der Hand in meiner Nähe ist. Er ärgert mich damit sehr gerne...

Bist Du eitel?
Vielleicht ein bisschen. Aber wenn wir spielen, dann nehme ich nur ein bisschen Haargel und eine Bürste, das dauert höchstens zwei Minuten. Auf meinen Schnurrbart achte ich mehr. Bei meinen Klamotten schaue ich auch ein bisschen auf den Stil. Aber das ist wohl einfach skandinavisch.

"Ich bin ein sehr emotionaler Spieler"

Zwei Youngster und ihr erster Titel mit dem THW: Lukas Nilsson und Nikola Bilyk

Wie hat es sich angefühlt, den DHB-Pokal mit Kiel zu gewinnen?
Das war ein unglaubliches Gefühl, mein erster Titel mit Kiel. In der Jugend habe ich zwar schon mal den einen oder anderen Pokal gewonnen, aber noch nie einen solch großen Titel. Das war etwas Besonderes und Neues für mich, mit dieser jungen Mannschaft und den wahnsinnig tollen Fans war das richtig geil.

Warst Du mit Deiner Leistung im ersten Jahr zufrieden oder hast Du gemerkt, dass Dir einiges schwerfiel?
Natürlich war das schwer. Der Beginn war extrem schwer. Aber nach der WM-Pause lief es viel besser. Ich habe mehr Deutsch gesprochen, öfter gespielt. Die letzten drei, vier Monate waren dann sehr viel besser.

Bei Deinem Torjubel hatte man mitunter den Eindruck, dass in diesem Moment sehr viel Druck von Dir abfallen würde.
Es ist immer toll, Tore zu machen. Ich bin ein sehr emotionaler Spieler. In der Sparkassen-Arena ist es ganz besonders schön. Wenn Du auf die Platte kommst, willst Du natürlich mit allem, was Du hast, der Mannschaft helfen. Mit Jubeln und Schreien kann man die Mitspieler und Fans mitreißen, glaube ich. Und wenn es alle tun, dann haben wir einen sehr guten Tag.

Nimmst Du es während eines Spiels wahr, dass da so viele Fans in der Sparkassen-Arena sind und Euch unterstützen oder bist Du so sehrfokussiert, dass Du so etwas ausblendest? 
Das bekomme ich natürlich mit! Wenn wir zu Hause spielen, dann sind die Fans ein großer Teil von uns. Außerdem will ich die Fans hören, das bringt noch einmal einen Extra-Schub an Adrenalin.

Ist es in der Sparkassen-Arena so, wie Du es Dir vor Deinem Wechsel nach Kiel vorgestellt hattest?
Nein. Es ist noch viel, viel besser!

(Von Sascha Klahn, aus dem Arena-Magazin ZEBRA zum Heimspiel gegen den SC DHfK Leipzig)