KN: Zebras freuen sich doppelt

Bundesliga

KN: Zebras freuen sich doppelt

Lemgo. Pfingstausflug ins sonnige Lipperland: Ohne royalen Glamour eines Königsklassenteilnehmers, aber mit mentalem Fundament und der nötigen Gelassenheit gewinnt der THW Kiel in der Handball-Bundesliga am Sonntagmittag mit 31:27 (17:14, siehe THW-Spielbericht) beim TBV Lemgo. Die Zebras festigen besonders auch dank der zwölf Tore von Rechtsaußen Niclas Ekberg Platz fünf in der Bundesliga und drücken anschließend auf der Heimfahrt den Füchsen Berlin im EHF-Pokal-Finale die Daumen. Der Berliner 28:25-Sieg am Nachmittag bedeutet für den THW die sichere EHF-Cup-Quali.

THW Kiel feiert einen 31:27-Sieg in Lemgo

Eine respektable Kieler Fankurve macht ordentlich Stimmung in der Lipperlandhalle, die mit 4398 Zuschauern nicht ausverkauft ist. Der große THW kommt, und Plätze bleiben frei, das gab es lange Zeit nicht. Bei den Zebras stehen auch die zuletzt gehandicapten Patrick Wiencek und Steffen Weinhold in der Startsieben. Die legt - aus einer anfangs soliden 3:2:1-Deckung - los wie die Feuerwehr beim Flächenbrand. Ekberg, Ekberg, Ekberg, Nikola Bilyk aufs leere Tor - 5:2 für Kiel (8.). Niklas Landin beginnt im Kieler Tor zuerst mit guten Reflexen, wird dann allerdings zusehends von seinen Vorderleuten im Stich gelassen. "Die Abwehr war heute nicht gut", wird der Däne später sagen.

Der THW interpretiert die 3:2:1 variabel, zieht sich immer wieder auch in eine 6:0-Aufstellung zurück, kommt über ein „geht so“ aber nicht hinaus. Tempogegenstöße gibt's trotzdem jede Menge, weil der deutsche Meister von 1997 und 2003 im Umschalt- und Angriffsspiel zu oft zu schlampig agiert. Das bestraft der THW mit Geschwindigkeit, hat in Halbzeit eins zudem doch ein wenig Grandezza zu bieten. Anders lässt sich die Art nicht umschreiben, mit der Kapitän Domagoj Duvnjak seine Mitspieler Patrick Wiencek oder Niclas Ekberg in Szene setzt.

Die schlechteste Kieler Phase beginnt mit dem Halbzeit-Gong und einem kuriosen, von Fabian van Olphen verwandelten direkten Aufsetzer-Freiwurf und setzt sich nach Wiederanpfiff mit zwei weiteren Toren der Ostwestfalen zum 16:17 (33.) fort. Kiel tut sich schwer, weil Duvnjak und Miha Zarabec im Angriff "drucklos" (THW-Trainer Alfred Gislason) zu Werke gehen und der TBV sich festbeißt, dranbleibt, Moral zeigt, unbequem ist, wenn auch eher kraftvoll denn einfallsreich. Bis zum 22:24 (44.) aus der Sicht des Gastgebers geht es hin und her, bleibt es knapp. Doch Gislason findet mit der Rückraumformation Lukas Nilsson (links), Bilyk (Mitte) und Weinhold (rechts) endlich die Lösung, die Zahnräder fangen wieder an zu greifen. Nilsson setzt die Serie wunderbarer Zuspiele mit Pässen auf Wiencek (21:24/43.) und Ekberg (22:25/45.) fort, der Schwede trifft gleich dreimal in Folge, behält aus sieben Metern die Nerven, verwandelt nur dann bei 13 Versuchen ein einziges Mal nicht, als das Lemgoer Tor leer ist. Das quittiert Ekberg später mit einem breiten Grinsen, präsentiert ansonsten sein gesamtes Wurfrepertoire. Beim 22:27 (48.) ist eine Vorentscheidung gefallen. Als Lemgo-Trainer Florian Kehrmann sein Heil im siebten Feldspieler sucht, sorgen Wiencek und Emil Frend Öfors für die Entscheidung (24:29/54.).

Im Bus erreicht die ausgelassene Pfingststimmung dann noch ganz andere Sphären. Die Füchse Berlin besiegen Saint-Raphaël im EHF-Cup-Finale mit 28:25, sichern der Bundesliga einen weiteren Startplatz im EHF-Cup der nächsten Spielzeit. Die Mannschaft verfolgt das Endspiel - mit Ausnahme des einen oder anderen "Funklochs" im Bus am TV-Schirm. Anschließend zeigt sich auch Alfred Gislason erleichtert: "Ich habe mich gefreut, dass die Füchse gewonnen haben." Aus den verbleibenden zwei Spielen gegen Stuttgart (31. Mai) und in Minden (3. Juni) würde den Zebras aufgrund ihrer glänzenden Tordifferenz schon ein Sieg reichen, um Rang fünf zu sichern. Bei zwei Siegen ist theoretisch sogar noch der Sprung auf den vierten Platz möglich. Den belegt derzeit mit 48:16 Punkten der SC Magdeburg vor dem THW (45:19). Da allerdings nur noch die TSV Hannover-Burgdorf (Platz sechs/43:21) die Kieler überholen könnte und die Recken als Pokalfinalist ohnehin für den Europapokal qualifiziert sind, ist der Rekordmeister in der kommenden Saison auf jeden Fall international am Start. Ein tolles Trostpflaster am Ende eines Pfingstausfluges ins sonnige Lipperland.

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 22.05.2018, Foto: Sascha Klahn)

Stimmen zum Lemgo-Sieg in den Kieler Nachrichten

Alfred Gislason, THW-Trainer, in den Kieler Nachrichten: Wir haben verdient in Lemgo gewonnen, insgesamt ganz ordentlich gespielt. Wir machen aber auch dumme Fehler vor der Pause, kassieren einen direkten Freiwurf, der nicht hätte gegeben werden dürfen, spielen danach zu drucklos. Da konnte man sich schon noch Sorgen machen. Beide Außen Niclas Ekberg und Emil Frend Öfors muss man heute hervorheben. Auch Steffen Weinhold hat sehr gut gespielt.

Florian Kehrmann, TBV-Coach, in den Kieler Nachrichten: Um den THW Kiel zu schlagen, muss man drei, vier Fehler weniger machen als wir heute. Nach der Pause schaffen wir, schnell auf ein Tor heranzukommen, drehen das Spiel aber leider nicht komplett. Am Ende ist es dann für uns auch eine Kraftfrage, aber ich bin zufrieden, auch wegen der tollen Halle – die Zuschauer tragen uns schon die ganze Zeit durch die Saison.

Niclas Ekberg, THW-Toptorschütze, in den Kieler Nachrichten: Es geht natürlich auch noch um die Ehre, um den Verein und darum, füreinander zu spielen, Spaß am Handball zu haben. Sicher haben wir den Füchsen im Bus die Daumen für das EHF-Cup-Finale gedrückt, wollen nächstes Jahr international spielen. Aber gedanklich bin ich noch ganz in dieser Saison, und in der wollen wir noch zwei Spiele gewinnen.

Christoph Theuerkauf, TBV-Kreisläufer, in den KIeler Nachrichten: Wir wussten, dass der THW angreifbar ist. Letztes Jahr sind hier alle über sich hinausgewachsen. Und wir hatten wieder eine kleine Chance, sind aber nicht an unser Optimum gekommen, haben zu viele Fehler gemacht. Aber das ist normal: Wir wollten ein hohes Tempo, ein hohes Risiko gehen. Das war couragiert. Wir können erhobenen Hauptes das Feld verlassen.

Viktor Szilagyi, Sportlicher Leiter THW Kiel, in den Kieler Nachrichten: Die Erleichterung nach dem Füchse-Sieg im EHF-Cup ist groß. Wir spielen nächstes Jahr international, das war unser Minimalziel.