KN: Professor mit dem Kiss-Prinzip

Bundesliga

KN: Professor mit dem Kiss-Prinzip

Göppingen. Alte Besen kehren gut. Zumindest beim Handball-Bundesligisten Frisch Auf Göppingen, der am Donnerstag (19 Uhr, Sparkassen-Arena) beim THW Kiel gastiert (alle Infos zum Spiel im ausführlichen Vorbericht). Vor zwei Wochen trennte sich der Traditionsverein aus Baden-Württemberg nach enttäuschendem Saisonstart von Trainer Magnus Andersson. Der Nachfolger war schnell gefunden: Rolf Brack. Der 63-Jährige ist ein "alter Bekannter" der Handball-Bundesliga, trainierte von 2004 bis 2013 den HBW Balingen-Weilstetten.

Nachfolger: Tobias Wannemacher

So richtig gut lief es nicht für Frisch Auf: Niederlagen gegen Gummersbach und Stuttgart sowie Unentschieden gegen Minden und Lemgo lagen schwer im Magen. Seitdem der "Handball-Professor", der am Institut für Sport- und Bewegungswissenschaft der Uni Stuttgart lehrt, übernommen hat, klappte es zwar noch nicht mit einem weiteren Sieg. Doch nach dem Remis gegen Hüttenberg (28:28) ließ das 28:28 gegen die SG Flensburg-Handewitt die Konkurrenz aufhorchen.

Jetzt reist Brack ("Ich war sofort Feuer und Flamme") mit seiner neuen Mannschaft, die in den vergangenen zwei Spielzeiten immerhin den EHF-Pokal nach Deutschland holte, zum Rekordmeister nach Kiel und gibt sich vor der Partie realistisch. "Der THW befindet sich nach Wochen mit vielen Rückschlägen aktuell extrem im Aufwärtstrend. Der 31:20-Auswärtssieg in der Bundesliga beim HC Erlangen war richtig überzeugend, und beim ungarischen Spitzenteam in Veszprém zeigten die Kieler eine sehr starke Leistung, lieferten einen großen Kampf ab. Von daher erwischen wir nicht den glücklichsten Zeitpunkt, um in Kiel etwas Zählbares mitzubringen. Ich will aber keine unrealistischen Ziele ausgeben. Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich vor allem unserer Spielphilosophie stabilisieren und auch weiterentwickeln. Ich fordere die gnadenlose Bereitschaft zum Umschaltspiel, also Tempospiel um jeden Preis."

Personell zwickt und zwackt es in Göppingen an allen Ecken und Enden. Rückraumspieler Daniel Fontaine konnte wegen seiner Zehenverletzung nach dem 28:28 gegen Flensburg-Handewitt nicht schmerzfrei gehen. Hinter seinem Einsatz steht ein Fragezeichen. Sebastian Heymann (Mittelfußbruch), Anton Halen (Brustmuskel-OP) und Marco Rentschler (Meniskus-OP) sind zudem langzeitverletzt. Schon in der kommenden Woche geht es Schlag auf Schlag weiter: Am Dienstag steht das DHB-Pokal-Achtelfinale beim HC Erlangen, zwei Tage später in der Liga das Duell mit der HSG Wetzlar auf dem Programm. "Vor allem das Pokalspiel habe ich jetzt schon im Hinterkopf. Mit zwei Siegen wären wir beim Final Four in Hamburg dabei. Da war ich als Trainer noch nie", so Rolf Brack.

Viele gute Erinnerungen an Kiel hat der Sportwissenschaftler und Experte für Trainingssteuerung nicht: "Als Trainer konnte ich in der Ostseehalle nie gewinnen. Aber als Spieler habe ich im Oktober 1978 mit der SG Dietzenbach in Kiel 18:18 gespielt." Linksaußen Brack erzielte damals zwei Tore. Der Weg für den "Handball-Frührentner" nach Göppingen war vor zwei Wochen nicht nur im sprichwörtlichen Sinne nicht weit. Brack lebt in Scharnhausen, nur 35 Kilometer von der EWS-Arena entfernt, ist zudem eng mit Frisch-Auf-Geschäftsführer Gerd Hofele befreundet. Ganz kurz gezögert habe er dennoch. "Ich befand mich nach dem Ende meiner Trainertätigkeit in Balingen im Dezember 2013 in einer sehr positiv ausgeprägten Komfortzone mit ausreichend Zeit für Familie und Freizeit. Ich musste dann außerdem schnell zwei geplante Angeltrips an die Rems und nach Slowenien absagen, genauso einen Ski-Urlaub."

Statt eines komplentativen Angelerlebnisses gibt sich der "Handball-Professor" nun also wieder den Kick an der Bundesliga-Seitenlinie. "Im Profi-Spitzensport in vollen Hallen an vorderster Front, Woche für Woche auf dem Prüfstand zu stehen, das hat schon was. Zumal ich noch nie so gute Rahmenbedingung vorfand, wie jetzt bei Frisch Auf. Jetzt kann ich beweisen, dass ich nicht nur mit Low-Budget-Teams in der Außenseiterrolle erfolgreich sein kann, sondern mit dem amtierenden EHF-Pokalsieger." Bracks Rezept für diese Aufgabe: das "Kiss-Prinzip". "Die Abkürzung steht für 'keep it simple, stupid'. Frei übersetzt: Weniger ist mehr. Sich auf wenige Dinge konzentrieren und diese durch Wiederholungen perfektionieren."

(Von Tamo Schwarz und Jürgen Frey, aus den Kieler Nachrichten vom 11.10.2017, Foto: Archiv/Sascha Klahn)