29:26 in Skopje: Dezimierte Zebraherde erkämpft sich zwei wichtige Auswärtspunkte
Der THW Kiel hat sich mit einer couragierten Leistung zwei wichtige Auswärtspunkte in der EHF Champions League geholt: Die Kieler, die ohne Steffen Weinhold, Sander Sagosen und Patrick Wiencek antreten mussten, ließen dabei im ersten Durchgang Treffsicherheit vermissen. Nach der Pause steigerten sie sich dann in allen Belangen und gewannen am Ende nach einem Drei-Tore-Rückstand zur Pause noch mit 29:26 (10:13). Überragende Akteure im Hexenkessel von Skopje waren die beiden Kapitäne: Niklas Landin half vor allem im ersten Durchgang, den Rückstand moderat zu halten. Und Domagoj Duvnjak war nicht nur bester Kieler Torschütze mit acht Treffern, sondern riss mit seinem Willen seine Teamkollegen mit.
Jicha muss improvisieren
THW-Trainer Filip Jicha musste auch beim heimstarken HC Vardar 1961 einmal mehr improvisieren. Neben Sander Sagosen und Steffen Weinhold, die beide nach ihren Corona-Erkrankungen in der nordmazedonischen Hauptstadt fehlten, musste Patrick Wiencek kurzfristig passen. Er reiste am Mittag aus familiären Gründen zurück nach Kiel. Mit nur 14 Spielern ging es in den stimmungsvollen, mit 3500 heißblütigen Fans unter Corona-Bedingungen voll ausgelasteten Hexenkessel "Jane Sadanski".
Fehlwurf-Festival
3500 waren in der Königsklasse zugelassen, aber sie machten Krach für 6000. Die Arena mutierte von Beginn an zum Hexenkessel, selbst nach Vardars Rückstand war es laut und nach der Niederlage feierten die Fans, als hätte Skopje gewonnen. Ob's an dem ohrenbetäubenden Lärm lag, dass beide Teams nur ganz schwer aus den Startlöchern kamen? Es begann mit einem verworfenen Siebenmeter von Niclas Ekberg, der in Minute eins an Skopjes Teufelskerl Martin Tomovski im Tor scheiterte. Die Kieler holten sich aber sofort den Ball in der Abwehr zurück, den Tempogegenstoß setzte Domagoj Duvnjak zum 1:0 in die Vardar-Maschen. Dann folgte der bärenstarke Auftritt von Tomovski: 15 Minuten lang raubte er den Zebras den Nerv. Rune Dahmke scheiterte allein vor ihm, Duvnjak, Sven Ehrig der starke Hendrik Pekeler - sie zogen wie alle Kieler ordentlich Tickets am Fahrkartenschalter.
Vadar geht mit drei Toren vorn in die Pause
Nur gut, dass auch Niklas Landin im THW-Tor klaren Kopf behielt, sich Skopjes Angreifern immer wieder mit Erfolg entgegenwarf. Landin agierte 60 Minuten auf höchstem Niveau, und wegen der überragenden Torhüterleistungen auf beiden Seiten stand es nach 14 Minuten 3:3. Diesen Treffer hatte ausgerechnet Kiels Torhüter erzielt, quer übers Feld ins leere Vardar-Tor. Trainer Vujevic hatte - wie häufiger in dieser Partie - sieben Angreifer aufs Feld geschickt. Die Kieler nutzten diese Maßnahme bei Ballverlusten von Skopje mit Würfen ins leere Tor. Viermal in der ersten Halbzeit, sechsmal in der zweiten. Im Angriff ging es bei den Zebras häufig über den Kreis, Hendrik Pekeler traf bis zum Halbzeitpfiff viermal. Er erzielte auch das 10:10 in der 26. Minute. Probleme hatten die Kieler zunächst vor allem mit Linksaußen Timur Dibirov, der Russe traf in der ersten Halbzeit siebenmal, insgesamt netzte er 10mal ein, sechsmal vom Siebenmeterpunkt. Dibirov leitete auch den 3:0-Lauf von Vardar kurz vor der Halbzeit ein, der den Nordmazedoniern die 13:10 Halbzeitführung bescherte.
5:0-Lauf dreht die Partie
Die zweite Halbzeit geriet für die Einheimischen dann zum Drama, die Kieler legten dagegen eine Galavorstellung aufs Parkett: Allen voran Domagoj Duvnjak. Kiels Kapitän zog seine Mannschaft mit, warf sich mit allem, was er hat, in diese Königsklassen-Schlacht. "Dule" traf zum 11:13, netzte zum 13:14 in der 34. Minute ein und war zweimal an dem 5:0-Lauf beteiligt, der den THW vom 15:18 in der 38. Minute zur 20:18-Führung in der 45. Minute führte. Dieser war auch in einer immer aufmerksamer agierenden Defensive begründet, in der Linksaußen Magnus Landin auf die Halbposition rückte und dem wurfgewaltigen rechten Rückraum Skopjes im Verbund mit Pekeler und Pavel Horak das Leben schwer machte.
THW bringt den Sieg nach Hause
Den Vorsprung gaben die Zebras nicht mehr aus der Hand. 23:20 hieß es nach 48 Minuten durch Rune Dahmkes Treffer ins erneut leere Vardar-Tor, und als Pavel Horak einen Nachwurf zum 24;21 verwandelte, griff Vujevic innerhalb von acht Minuten zweimal zur Grünen Karte, nahm eine Auszeit. Die Kieler aber ließen sich auch davon nicht beeindrucken, Niclas Ekberg traf wieder einmal ins leere Tor, verwandelte den Strafwurf in der 55.Minute zum 26:23. Selbst eine doppelte Unterzahl überstanden die Zebras unbeschadet, Duvnjaks Hammer aus dem Schultergelenk rauschte dann zum 27:24 ins Tor, Niklas Landin nagelte weiterhin seinen Kasten zu - auch gegen Dibirov. Und als Ekberg 120 Sekunden vor dem Ende den Siebenmeter zum 28:25 verwandelte, war die Partie entschieden. Die Zebras feierten, Skopjes Fans auch. "Es war ein Charakter-Sieg", schnaufte Duvnjak nach der Partie in die Mikrofone. "Glückwunsch an alle meine Teamkollegen zu diesen wichtigen zwei Punkten."
Samstag nächstes Auswärtsspiel in Lübbecke
Die Zebras reisten noch in der Nacht wieder zurück nach Kiel, wo sie am frühen Donnerstagmorgen erwartet wurden. Am Nachmittag begann für die Mannschaft und das Trainer-Team bereits die Vorbereitung auf das nächste Auswärtsspiel: Am Samstag wird der THW Kiel in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga beim Aufsteiger TuS N-Lübbecke erwartet. Anpfiff in der Merkur-Arena ist um 20:30 Uhr, Sky überträgt live. Weiter geht's in Lübbecke, Kiel!
EHF Champions League, 6. Spieltag: HC Vardar 1961 - THW Kiel: 26:29 (13:10)
HC Vardar 1961: Ristovski (47.-60., 2 Paraden, Tomovski (1.-47., 13/1 Paraden; Stoilov (2), O. Nyokas (3), Walczak, Morales (1), Georgievski (1), K. Nyokas (1), Diallo (1), Czuwara, Toto (2), Gadza (2), Taleski (2), Dibirov (10/5), Djukic, Kuduz (1); Trainer: Vujovic
THW Kiel: N. Landin (1.-60., 11 Paraden, 1 Tor), Quenstedt (1 Siebenmeter, keine Parade); Ehrig, Duvnjak (8), Reinkind (3), M. Landin, Ekberg (5/4), Ciudad (n.e.), Wäger (n.e.), Dahmke (3), Zarabec (2), Horak (1). Bilyk, Pekeler (6); Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Arthur Brunner / Morad Salah (SUI)
Zeitstrafen: Vardar: 4 (2x Diallo (14., 22.), 2x Toto (47., 58.)) / THW: 4 (2x Horak (19., 55.), Reinkind (20.), Dahmke (55.))
Siebenmeter: Vardar: 3/3 / THW: 2/1 (Tomovski hält Ekberg (2.)
Spielfilm: 0:1, 3:1 (5.), 3:3 (13.), 6:5 (16.), 6:7, 7:8 (19.), 9:8, 10:10 (27.), 13:10; 13:11, 14:13 (34.), 16:15 (37.), 18:15 (38.), 18:20 (45.), 20:21, 20:23 (48.), 21:25 (51.), 23:25 (54.), 25:28 (58.), 26:29.
Zuschauer: 3500 (ausverkauft) (Sport Center Jane Sandanski)
Stimmen zum Spiel
THW-Trainer Filip Jicha: Es ist immer etwas Besonderes, in dieser wilden, handballverrückten Atmosphäre zu spielen. Ich bin sehr zufrieden mit der zweiten Halbzeit und wie wir da gespielt haben. In der ersten Halbzeit haben wir nicht gut gespielt, wir waren emotional unten, haben zuviele Würfe verworfen. Das war nicht das, was ich von meinen Spielern erwarte. In der zweiten Halbzeit haben meine Jungs gegen eine starke Vardar-Mannschaft alles gegeben, und ich bin sehr glücklich über diese zwei Punkte. Danke auch an den HC Vardar für dieses Spiel.
Vardars Coach Veselin Vujovic: Glückwunsch an den THW Kiel. Vor der Partie wussten wir um die personellen Probleme der Kieler und wir hatten uns Chancen ausgerechnet. Zu Beginn haben wir den Unterschied mit unserer Abwehr gemacht, haben aber zu viele klare Chancen liegen gelassen. Dann habe ich das 7-6 probiert, weil im sechs gegen sechs nicht mehr viel lief. Nach dem 18:15 weiß ich nicht, was passiert ist. In der zweiten Halbzeit haben wir 19 Gegentore kassiert, das ist nicht das, was wir uns unter Abwehrarbeit vorstellen. Und einige Spieler sollten sich hinterfragen, ob sie Vardar so repräsentieren wollen.
Vardars Kapitän Stojanche Stoilov: Es war ein wichtiger Sieg für Kiel, obwohl ihnen viele wichtige Spieler fehlten. Wir sind gut gestartet, haben von den Paraden unserer Keepers profitiert. Die Power von Kiel ist es, dass sie sich gut kennen. Unsere Mannschaft kennt sich noch nicht so, wir haben viele neue Spieler. Das sollte keine Entschuldigung für die Niederlage sein, aber vielleicht eine Erklärung.
THW-Linksaußen Magnus Landin: Es ist eine großartige Erfahrung für viele Handballer, hier spielen zu können. Und nicht jeder gewinnt hier. Es waren zwei komplett verschiedene Halbzeiten aus unserer Sicht. In der ersten Halbzeit haben wir gut im Angriff gespielt, aber zuviel verworfen. In der zweiten Halbzeit war dann etwas anders. Wir haben mit mehr Energie und Leidenschaft gespielt.
THW-Kapitän Domagoj Duvnjak: Wir haben Charakter gezeigt. Glückwunsch an meine komplette Mannschaft.