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THW Kiel verliert nach starker erster Hälfte im Hexenkessel von Szeged

Champions League

THW Kiel verliert nach starker erster Hälfte im Hexenkessel von Szeged

Eine Woche nach dem 32:29-Triumph in der Machineseeker EHF Champions League über Industria Kielce erlitt der THW Kiel am Donnerstagabend vor 7100 Zuschauern im Hexenkessel Pick-Arena eine bittere Niederlage. Die Kieler waren in Ungarn über weite Strecken das bessere Team, mussten nach verdienter 17:14- Halbzeitführung am Ende aber eine unglückliche 33:36-Niederlage einstecken, die vor allen Dingen in der mangelnden Chancenverwertung nach der Pause ihre Ursache hatte. Zum Pech der Zebras gesellte sich eine unfassbare technische Panne: Als die Kieler zur Aufholjagd bliesen, spielte die Hallenuhr und -anzeige nicht mehr mit, die lange Zwangspause brachte vor allem den THW aus dem Rhythmus und ließ die Spieler auf dem Feld die letzten viereinhalb Minuten im Blindflug ohne das Wissen um Zeit und Spielstand agieren.

Sagosen bester Kieler Torschütze

So stand am Ende eine Niederlage, die den angestrebten Platz drei in der Gruppe schwierig macht und das Feld in der Gruppe B noch enger zusammenrücken ließ: Konkurrent HBC Nantes liegt zwei Spieltage vor dem Start in die K o-Runde, für die sich der THW Kiel bereits vor dem Start der Begegnung in Ungarn qualifiziert hatte, zwei Zähler vor dem vierfachen Königsklassen-Champion THW. Szeged überholte indes Aalborg auf Rang fünf und sitzt den Zebras jetzt mit einem Zwei-Punkte-Rückstand im Nacken. Bester Torschütze für die Kieler war Sander Sagosen, der siebenmal ins Gehäuse der Magyaren traf, für Szeged zeichnete sich Garciandia aus, der sechsmal erfolgreich war.

Starke Zebras mit souveränem Beginn

THW-Trainer Filip Jicha musste nach den Ausfällen von Niclas Ekberg, Sven Ehrig und Karl Wallinius kurzfristig auch auf Rune Dahmke verzichten, Kiels Linksaußen war mit grippalem Infekt nur Zuschauer. So liefen die Kieler mit gerade einmal 14 Spielern in die neue Pick-Arena ein - und hatten darüber hinaus noch mit etlichen Blessuren zu kämpfen. Dennoch starteten die Zebras souverän in die Partie, eröffneten den Torreigen durch den Rückraumkracher von Sander Sagosen zum 1:0. Der Norweger glänzte wenig später mit dem großartigen No-Look-Anspiel an den Kreis an Nikola Bilyk, der sich mit seinem Treffer zum 3:3 bedankte. Noch einmal legten die Ungarn vor, doch Yannick Fraatz glich nach neun Minuten zum 4:4 aus, Harald Reinkind legte auf 5:4 vor, Frimmel konterte zum 5:5, ehe die Kieler einen 3:0-Lauf aufs Parkett zauberten, auf 8:5 davonzogen. Sander Sagosen hatte Patrick Wiencek am Kreis bedient, traf selbst aus acht Metern, und Magnus Landin war von Linksaußen erfolgreich. Szegeds Spielmacher Bombac verkürzte, doch Magnus Landin blieb von der Siebenmeterlinie eiskalt, traf zum 9:6, Kapitän Domagoj Duvnjak in der 18. Minute zum 10:7.

Zebras setzten sich mit vier Toren ab

Während die Angreifer auf beiden Seiten erfolgreich waren, bekamen die Torhüter kaum eine Hand an den Ball. Die Folge: Mikler löste Alilovic im Pick-Tor ab, Tomas Mrkva kam für Niklas Landin im THW-Tor. Der THW blieb allerdings weiter am Drücker, musste zwar das 9:10 hinnehmen, setzte sich durch die Tore von Steffen Weinhold und Sander Sagosen nach 22 Minuten aber erneut um drei Tore auf 13:10 ab. Als Yannick Fraatz dann gedankenschnell ein Ballklau gelang und er Hendrik Pekeler bediente, führten die Kieler mit 14:10 Toren. Es wurde merklich ruhiger in der Pick-Arena, während die zehn Kieler Fans mit lautstarker Unterstützung von deutschen Studierenden aus Budapest und Szeged für einen Moment stimmliches Oberwasser im Hexenkessel bekamen. Erst recht, als Tomas Mrkva mit einer großartiger Parade gegen den im Zurückeilen frei vor ihm auftauchenden Garciandia glänzte. Überragend in Hälfte eins war die fest zupackende schwarz-weiße Abwehr mit dem unglaublich agilen Mittelblock Patrick Wiencek/Hendrik Pekeler, die den bulligen Kreisläufer Bence Banhidi gut im Griff hatten. Außerdem wurden auch die Kreise von Spielmacher Dean Bombac gut gestört, so hatten die Ungarn Probleme, ihr gefürchtetes Angriffsspiel aufzuziehen.

Kieler holen Szeged zurück in die Partie

Einziges Manko im THW-Spiel war indes die fahrlässige Chancenverwertung. Die Zebras hätten zur Pause deutlicher führen können, ja, vielleicht sogar müssen. So reichte es nach 30 Minuten zum für die Ungarn schmeichelhaften 14:17-Rückstand. Torschütze zum Halbzeitstand war Patrick Wiencek, der am Kreis mustergültig von Sander Sagosen angespielt worden war. Die ersten Minuten der zweiten Halbzeit gehörten erneut den Kielern: Eric Johansson erhöhte auf 18:14, Hendrik Pekeler erzielte das 19:15 mit einem unfassbaren Dreher, und Patrick Wiencek markierte nach 34 Minuten die 20:16-Führung. Es schien ein ganz souveräner Abend zu werden - doch dann erlaubten sich die Mannen von Filip Jicha gegen den immer präsenter werdenden Roland Mikler im Pick-Kasten eine leichtfertige Tor-Auszeit, an deren Ende ein ungarischer 4:0-Lauf stand: Mackovsek vollendete das Szeged-Hoch in der 37. Minute mit seinem Treffer zum 20:20, die Halle stand Kopf, die Zebras hatten die Gastgeber ins Spiel zurückgebracht.

Mikler wird zum Matchwinner

Die Partie stand nun auf Messers Schneide, das Ringen wurde intensiver. Trotzdem hatte der leidenschaftlich agierende THW die Nase stets weiterhin knapp vorn, war aber nicht mehr in der Lage, sich erneut abzusetzen. Das auch, weil vor allem Torhüter Roland Mikler zum Faktor wurde in der zweiten Halbzeit insgesamt zehn Kieler Torwürfe entschärfte. Harald Reinkind erzielte in der 48. Minute dann das 28:27 - die letzte Kieler Führung. Bombac, Banhidi und Garciandia nutzten in der Folge Kieler Fehler zu einem 3:0-Lauf, brachten die Ungarn mit 30:28 in Front, der Spielverlauf war auf den Kopf gestellt. Jetzt pushten die Zuschauer ihre Mannschaft in jedem Zweikampf und setzten auch das Schiedsrichter-Gespann unter Druck, das seine bis dato recht souveräne Linie in der Schlussphase mit dem Anzeigetafel-Blackout und der daraus resultierenden Hektik verließ. Drei Minuten vor dem Abpfiff rief Jicha ein letztes Mal zur Auszeit, verordnete beim Stand von 32:35 und Überzahl wegen der Roten Karte gegen Banhidi eine offensive Abwehr. Yannick Fraatz traf auch zum 33:35, dann stoppte Tomas Mrkva Miklos Rosta, doch auf der anderen Seite scheiterte der junge Kieler Rechtsaußen ebenfalls am gegnerischen Torhüter: Roland Mikler wurde zum Matchwinner für sein glückliches Team.

Heimspiel-Doppel vor der Brust

Nach der Enttäuschung im ersten Auswärtsspiel des Jahres starten die Zebras jetzt wieder zu Hause durch: Am Samstag (20:30 Uhr, live bei Sky) empfangen sie zur ersten LIQUI MOLY HBL-Partie 2023 in der Wunderino Arena den ASV Hamm-Westfalen, am Mittwoch steht dann in der Machineseeker EHF Champions League das Heimspiel gegen Celje Pivovarna Lasko an. Die Slowenen zogen zuletzt nur knapp und denkbar unglücklich gegen den FC Barcelona den Kürzeren und gewannen das Hinspiel gegen den THW Kiel, der ab 18:45 Uhr (live bei DAZN) dieses Resultat mit der Unterstützung der eigene Fans wieder geraderücken möchte. Karten für beide Partien gibt’s an allen bekannten Vorverkaufsstellen, online unter www.thw-tickets.de und in der THW-FANWELT direkt an der Arena. Besonders interessant ist die Celje-Partie für Mannschaften und Vereine: Für sie gibt es zum THW-„Tag der Vereine“ ein besonderes Angebot (siehe Extra-Artikel). Weiter geht’s gegen Hamm, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Eliza Sólya

Machineseeker EHF Champions League, 12. Spieltag: Pick Szeged - THW Kiel 36:33 (14:17)

Pick Szeged: Mikler (18.-51., 53.-60., 12 Paraden), Alilovic (1.-18., 51.-53., keine Parade); Tönnesen (1), Stepancic, Martins, Radivojevic, Szita (2), Sostaric (4), Frimmel (4/3), Radvanszki, Banhidi (3), Garciandia (6), Bombac (4), Rosta (5), Mackovsek (4), Blonz (2); Trainer: Pastor
THW Kiel: N. Landin (1.-18., 44.-49., 1 Parade), Mrkva (18.-44., 49.-60., 5 Paraden); Duvnjak (1), Sagosen (7), Reinkind (3), M. Landin (5/3), Øverby, Weinhold (3), Wiencek (3), Fraatz (3), Johansson (1), Zarabec, Bilyk (3), Pekeler (4); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Andreu Marin / Ignacio Garcia Serradilla (ESP)
Zeitstrafen: Szeged: 5 (3x Banhidi (5., 36., 58.), Tönnesen (13.), Sostaric (46.)) / THW: 5 (2x Wiencek (9., 36.), 2x Øverby (23., 29.), Weinhold (56.))
Disqualifikation: Banhidi (Szeged, 3. Zeitstrafe (58.))
Siebenmeter: Szeged: 3/3 / THW: 3/3
Spielverlauf: 0:1, 2:1 (3.), 4:3 (11.), 5:5, 5:8 (14.), 7:10 (18.), 9:10 (19.), 10:11, 10:14 (24.), 12:14 (26.), 13:16 (29.), 14:17;
14:18 (31.), 16:20 (34.), 20:20 (37.), 24:25 (46.), 27:28 (48.), 30:28 (51.), 31:30 (52.), 33:30 (56.), 34:32 (58.), 36:33.
Zuschauer: 7135 (Pick Arena, Szeged)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Glückwunsch an Szeged zu diesem Erfolg. Ich kann und will meinen Jungs keinen Vorwurf machen: Wir erspielen uns auch in der zweiten Halbzeit gute Chancen, verwerten diese dann aber nicht. Mikler hat ein paar große Paraden, und so konnte Szeged ins Laufen kommen, während unsere Torhüter nicht ins Spiel fanden. Das war der Schlüsselmoment heute und der Grund, warum wir dieses Spiel nach einer guten ersten Hälfte verloren haben. Doch es hilft alles nichts: Wir haben am Samstag das nächste schwere Spiel gegen eine harte Abwehr, reisen am Freitag zurück nach Kiel und beginnen direkt mit der Vorbereitung dieses Spiels.

Szegeds Trainer Carlos Pastor: Das Fairplay zwischen beiden Teams ist fantastisch, und jeder, der heute hier oder am TV war, konnte großartigen Handball genießen. In der ersten Halbzeit hatten wir kaum Paraden und große Probleme im Angriff, mit Start der zweiten Halbzeit war Roland Mikler dann sehr gut. Mit seinen Paraden kamen wir ins Laufen und konnten leichte Gegenstoßtore erzielen. Danach hat dann jeder für jeden gearbeitet bei uns, und wir haben in wichtigen Situationen die Ruhe bewahrt. Das ist Pick Szeged, wie man es sehen möchte. Ich auch. 

THW-Rückraumspieler Sander Sagosen: Glückwunsch an Szeged zu diesem verdienten Erfolg. Nach einer sehr guten ersten Hälfte hatten wir Probleme mit Szegeds Angriff, wir konnten ihn nicht mehr stoppen. Solch eine Niederlage ist bitter, aber so ist Handball. Wir müssen weitermachen, unser Terminplan ist eng gestrickt, und es ist noch eine lange Saison. Jetzt müssen wir schnell regenerieren und am Samstag gegen Hamm wieder alles geben.

Szegeds Torhüter Roland Mikler: Wir sind glücklich, weil wir endlich ein großes Spiel gegen einen großen Gegner gewinnen konnten. Geholfen hat uns diese außergewöhnliche Atmosphäre, die uns unglaublich gepusht hat.

THW-Kapitän Patrick Wiencek: Wir haben eigentlich ein gutes Spiel gemacht, hatten allerdings in der zweiten Halbzeit eine Phase, in der wir einfach das Tor nicht mehr getroffen haben. Wir standen in der ersten Hälfte gut in der Abwehr, sind beweglich nach vorn gelaufen. Meiner Ansicht nach hätten wir zum Wechsel sogar höher führen können, weil wir die bessere Mannschaft waren. Es gibt in einem Handball-Spiel auf diesem Niveau immer Phasen, in denen es nicht so gut läuft. Die hatten wir dann ziemlich zu Beginn der zweiten Halbzeit, wodurch unser hart erarbeiteter Vorsprung zu schnell zusammengeschmolzen ist. Durch unsere Fehlwürfe im zweiten Durchgang haben wir Szeged und das Publikum wieder ins Spiel gebracht. Die Niederlage ist sehr ärgerlich, aktuell sind wir sehr traurig. Das wird auch noch die ganze Nacht so sein, aber dann müssen wir den Schalter schnell wieder umlegen: Wir haben Samstag schon das nächste Spiel, bei dem ein Gegner wartet, der extrem stark aus der Winterpause gekommen ist und zuletzt Berlin an den Rand einer Niederlage brachte. Da erwartet uns direkt das nächste harte Spiel.