21 Paraden: Andreas Wolff und Weltklasse-Abwehr sichern hart erkämpften Sieg in Potsdam

Bundesliga

21 Paraden: Andreas Wolff und Weltklasse-Abwehr sichern hart erkämpften Sieg in Potsdam

Eine Woche vor den Maschinensucher EHF Finals in Hamburg tat sich der THW Kiel bei der Generalprobe beim 1. VfL Potsdam richtig schwer. Die Zebras lagen nach einer Halbzeit der vergebenen Möglichkeiten in der mit 2250 Zuschauern ausverkauften MBS-Arena zur Pause mit 10:11 zurück, steigerten sich aber im zweitn Durchgang beachtlich. Am Ende siegten die Zebras auch dank einer Weltklasse-Leistung in der Abwehr und einem überragenden Andreas Wolff, der mit 21 Paraden seinen persönlichen Saison-Bestwert im THW-Trikot aufstellte, mit 25:22. Bester Torschütze beim Rekordmeister war Emil Madsen, der sieben Treffer zum Sieg beisteuerte. 

Pekeler musste zu Hause bleiben

Eine Hiobsbotschaft musste THW-Trainer Filip Jicha schon vor der Abfahrt nach Potsdam verkraften: Abwehrchef Hendrik Pekeler musste wegen Kniebeschwerden passen, war in der lautstarken Arena ebenso nicht dabei wie Harald Reinkind, der mit einem Mittelhandbruch schon länger aussetzt. Diese Kieler Ausfälle ließ Jicha aber nicht gelten für die durch Fehler gespickte erste Halbzeit des THW, der dem Tabellenletzten Potsdam die von dessen Fans umjubelte 11:10-Führung beim Pausenpfiff bescherte. In der Abwehr agierten die Zebras hingegen gewohnt aggressiv, stopften leidenschaftlich auf schnellen Beinen die Lücken vor Andreas Wolff, der schon vor dem Wechsel mit zehn Paraden seinen Teil zu den wenigen Gegentoren beitrug.

Kieler Fehler bringen Potsdam ins Spiel

Die Crux lag indes im Kieler Angriffsspiel. Die Wurfquote lag bei knapp 30 Prozent, außerdem machten die Kieler in den ersten 30 Minuten acht technische Fehler, schmissen so reihenweise in der Defensive gewonnene Bälle gleich wieder weg. In der Tat hatten die Kieler offensiv ihren Teil dazu beigetragen, dass der 1. VfL an der Sensation schnupperte, deswegen um jeden Ball kämpfte und es dem Rekordmeister sehr schwer machte. Magnus Landin brachte den Favoriten nach fünf Minuten erstmals in Front. Der Doppelschlag von THW-Rechtsaußen Bence Imre ließ die Zebras kurzzeitig auf 5:3 enteilen, doch der 3:0-Lauf der Gastgeber, nach der ersten Auszeit von Trainer Kurtagic erzielt, brachte Potsdam in Front. In der Arena wurde es immer lauter, und das beflügelte die Gastgeber noch mehr. 

Gastgeber führen zur Pause

Und die Kieler? Die Abwehr um den bärenstarken Mittelblock mit Patrick Wiencek und Petter Överby war sehr präsent, vorne aber scheiterten die Kieler weiter mit besten Chancen an Tomovski oder verfehlten das Tor. So behielten die Potsdamer zumeist knapp die Nase vorn, auch wenn der in der Startformation stehende Elias Ellefsen á Skpiagötu zum 8:8 traf und der früh ins Spiel gekommene Henry Pabst eine Wurf in den Winkel jagte. Ein Fehlwurf des Youngsters und ein von Tomovski gehaltener Bilyk-Wurf ließen Potsdam nach dem 11:10 durch Simic über eine unerwartete Halbzeitführung jubeln,  "Wir spielen im Angriff einfach schlecht", sprach Abwehr-Ass Petter Överby in der Halbzeitpause ins Mikrofon von Handball-Sender DYN. "Es fehlt die Intensität, wir müssen es schaffen, dass wir Potsdam mehr Respekt abverlangen." 

Zebras drücken aufs Tempo

Jicha handelte in der Pause, wechselte mit Rune Dahmke und Lukas Zerbe das Außen-Duo. Im Rückraum setzte er nun auf die erfahrene und bisher so erfolgreiche Achse mit Johansson, Duvnjak und Masen. Dennoch sorgten Simic und Akakpo für das 13:11, dann drückte der THW Kiel rigoros aufs Tempo. Die Zebras standen weiterhin gut in der Abwehr und ließen es endlich auch vorne krachen. Lukas Zerbe, Johansson, Madsen und zweimal Dahmke sorgten mit sehenswerten Treffern für einen 5:0-Lauf. Nach 39 Minuten hatte der THW das Spiel gedreht, lag mit 16:13 in Front. Emir Kurtagic reagierte, drückte auf den Buzzer. Seine Spieler antworteten mit einem 3:0-Lauf, hatten in der 41. Minute wieder ausgeglichen. Doch der Rekordmeister blieb gelassen, konterte ebenfalls mit drei Toren in Folge: Zweimal der nun stärker und klarer spielende Madsen sowie Zerbe brachten die schwarz-weißen Gäste, die unermüdlich aus ihrem Fanblock angefeuert wurden, mit 19:16 nach vorn. 

Kieler holen sich die zwei Punkte

Abschütteln ließen sich die Gastgeber, wie zuvor von Jicha prognostiziert, aber nicht. Nur gut, dass Andreas Wolff weiterhin Glanzparade an Glanzparade reihte, seine Farben auf Erfolgskurs hielt. Den erneuten 4:0-Lauf für Potsdam verhinderte aber auch Kiels Bester nicht, die Gastgeber lagen nach 49 Minuten mit 20:19 vorne. Kiel fightete zurück. Dahmke kämpfte beispielhaft, hechtete erfolgreich nach verlorenen Bällen, übernahm Verantwortung, traf zum 20:20 und holte einen Siebenmeter, den Madsen zum 21:20 in den linken VfL-Torwinkel drosch. Einmal noch, nach einer Zeitstrafe gegen Domagoj Duvnjak, glichen die Gastgeber aus: Simic traf in der 54. Minute zum 21:21. Dann setzte sich die größere Klasse und Erfahrung durch: Johansson war per Solo zur Stelle, Zerbe traf trocken von der Siebenmeterlinie - die Zebras legten auf 23:21 vor. Nach dem erneuten Anschlusstreffer von Kraus machten dann Wiencek und Madsen mit ihren Toren zum 25:22 alles klar.

Weiterer Saison-Höhepunkt voraus

Die Kieler reisten nach einer Vielzahl an Autogrammen für die meist jungen Handballfans und mit den zwei Punkten im Gepäck direkt zurück an die Förde, um die Vorbereitung für einen weiteren Saison-Höhepunkt zu starten: Am kommenden Wochenende warten die Maschinensucher EHF Finals in der Hamburger Barclays Arena auf die Zebras und ihre lautstarke „weiße Wand“. Für den amtierenden DHB-Pokalsieger geht es im Halbfinale der EHF European League am Samstag um 18 Uhr zunächst gegen die französische Spitzenmannschaft Montpellier HB. „Wir wollen das Halbfinale wie ein Endspiel angehen“, sagt der junge ungarische Rechtsaußen Bence Imre, „denn nur, wenn wir am Samstag unsere Bestleistung bringen, haben wir eine Chance auf das zweite Spiel am Sonntag.“ Und das, so Imre weiter, sei das Ziel: „Mit unserer ‚weißen Wand‘ im Rücken ist vieles möglich.“ Für die an die weiße THW-Fankurve angrenzenden Blöcke U 18 und U1 gibt es noch Karten im freien Vorverkauf im EHF-Ticketshop. Weiter geht’s in Hamburg, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Engel.Photography

DAIKIN Handball-Bundesliga, 30. Spieltag: 1. VfL Potsdam - THW Kiel 22:25 (11:10)

1. VfL Potsdam: Höler (2 Siebenmeter, 1/1 Parade), Tomovski (1.-60., 12 Paraden), Ferjan (n.e.); Simic (4), Paulnsteiner (3), Kofler (1), Schramm, Günther, Klein, Akakpo (6), Orlov (5), Gorpishin, Fuhrmann (1/1), Kix, Kraus (2); Trainer: Kurtagic
THW Kiel: Mrkva (n.e.), Wolff (1.-60., 21 Paraden); Duvnjak, Landin (1), Överby, Wiencek (2), Pabst (1), Johansson (2), Dahmke (3), Zerbe (3/1), Kutz (n.e.), Madsen (7/1), Bilyk, á Skipagötu (2), Imre (4/2); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Julian Fedtke / Niels Wienrich
Zeitstrafen: Potsdam: 2 (Kofler (20., 51.)) / THW: 1 /(Duvnjak (52.))
Siebenmeter: Potsdam: 1/1 / THW: 6/4 (Höler hält Imre (47.), Madsen an die Latte (55.)
Spielfilm: 1.Hz.: 1:0, 1:2 (5.), 3:3, 3:5 (13.), 6:5 (15.), 8:7 (25.), 11:10;
2. Hz: 12:10, 13:11 (33.), 13:16 (38.), 16:16 (40.), 16:19 (44.), 20:19 (49.), 21:21 (54.), 21:23 (57.), 22:23, 22:25.
Zuschauer: 2250 (ausverkauft) (MBS Arena, Potsdam)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin froh, dass wir hier gewinnen konnten. Es war ein sehr hartes Stück Arbeit, wir wussten, dass Potsdam - im positiven Sinne - aus Kampfmaschinen besteht, die um jeden Zentimeter Hallenboden kämpfen. Das haben sie uns heute noch einmal ordentlich gezeigt. Wir hätten es besser lösen können, keine Frage. Die andere Seite der Medaille ist aber, dass Potsdam es heute überragend gemacht hat. Das gebietet der Respekt vor der Leistung von Emirs Mannschaft. Wir hatten in der ersten Halbzeit mit unserer Angriffseffizienz von knapp 30 Prozent zu kämpfen. Das heißt, wir haben aus zehn Angriffen nur drei Tore gemacht. Damit gewinnst du in dieser Liga kein Spiel. Dass wir es doch geschafft haben, lag an unserer Weltklasse-Abwehr und Andis Sahnetag. Trotzdem bin ich auch ein wenig sauer auf meine Jungs, weil wir genau wussten, was uns erwartet. Dafür gibt es eine menschliche Erklärung, aber du willst hier nicht menschlich auftreten. Vielleicht habe ich auch ein wenig dazu beigetragen, weil ich in der ersten Halbzeit nicht die Mannschaft habe spielen lassen, die uns bisher durch die Saison getragen hat. Der ein oder andere Spieler war mit dem Kopf schon in Hamburg, der ein oder andere mag die Tabelle im Unterbewusstsein gehabt haben. Aber genau das ist der Fehler, denn du musst hier ans Limit gehen, um zu gewinnen. Und das haben wir nicht über 60 Minuten geschafft.

Potsdams Trainer Emir Kurtagic: Das Spiel in Mannheim und die heutige Partie waren irgendwie ein Spiegelbild unserer Saison: Wir spielen richtig gut, sind nah dran, aber es reicht trotzdem nicht. Trotzdem bin ich megastolz auf meine Jungs und superzufrieden, wie sie hier heute aufgetreten sind. Wir haben es nicht geschafft, mehr Kapital aus unserer Leistung zu schlagen, weil wir 21 Fehlwürfe gegen Andreas Wolff hatten. Stolz bin ich auch auf die Atmosphäre bei diesem Spektakel-Spiel für Potsdam. Und dennoch bin ich traurig, dass wir nach den beiden starken Spielen in dieser Woche ohne Punkte dastehen.

THW-Torhüter Andreas Wolff: Wir haben uns im Angriff schwergetan, nicht die gewohnte Effizienz erreicht. Wir haben uns zwar gute Gelegenheiten herausgespielt, diese aber nicht so konsequent genutzt wie zuletzt. Die Potsdamer haben eine sehr gute Leistung gezeigt, wir haben hingegen nicht am Optimum gespielt. Meine Paraden waren vielleicht zur rechten Zeit, wenn man sieht, dass wir am Ende mit drei Toren gewinnen. Insgesamt bin ich froh, dass wir die zwei Punkte geholt haben und hoffe, dass wir jetzt auch die letzten sechs Spiele der Saison gewinnen. Gegen Montpellier am Samstag müssen wir dafür aber vieles besser machen als heute.