Aufholjagd ohne Happy End: Zebras verlieren nach großem Kampf gegen Melsungen
Nur vier Tage nach der Glanzvorstellung und dem 29:24-Triumph beim aktuellen Meister SC Magdeburg wurde die dezimierte Zebraherde im nächsten Top-Spiel kalt erwischt: Nach einer schwachen ersten Halbzeit kämpften sich die Kieler gegen die in Top-Besetzung angretretenen Nordhessen bravourös zurück, waren in der 52. Minute wieder in Schlagdistanz. Das Happy end blieb allerdings aus: Am Ende unterlagen die Zebras der MT Melsungen 21:25 (8:15). Bester Kieler Torschütze war Emil Madsen mit 7/2 Treffern.
Nordhessen unterstreichen Titelambitionen
Die Nordhessen unterstrichen mit dem Sieg in Kiel, dass sie auch in dieser DAIKIN HBL-Saison zum Kreis der Titelfavoriten gehören. Matchwinner bei den Gästen war Torhüter Nebojsa Simic, der 20 Paraden auf sein Konto brachte. THW-Schlussmann Andreas Wolff hielt zwölf Bälle auf und war mit seinen Paraden ein Puzzlestück des starken schwarz-weißen Comebacks im zweiten Durchgang. "Mit nur dreieinhalb Rückraumspielern wird es mit zwei solch starken, schwer zu spielenden Gegnern in Folge richtig schwer", sagte THW-Linksaußen Magnus Landin nach dem Schlusspfiff. "Ich finde, dass wir trotz der Niederlage auch ein wenig stolz sein können auf unsere zweite Halbzeit. Wie wir uns da zurückgekämpft haben, wie wir uns trotz aller negativen Vorzeichen gegen die Niederlage gestemmt haben."
Zäher Start in die Partie
Auch gegen die hochkarätig besetzten Melsunger hatte THW-Trainer Filip Jicha nur das Personal zur Verfügung, das vier Tage zuvor bereits in Magdeburg Schwerstarbeit verrichtet hatte. Karl Wallinius stand genauso für einen Kureinsatz bereit wie Tomas Mrkva. Beide spielten ein paar Minuten, doch das Fehlen von Harald Reinkind, Nikola Bilyk und Elias Ellefsen á Skipagötu machte sich kräftemäßig deutlicher als zuletzt bemerkbar. Vor allen Dingen in der ersten Hälfte, die zäh begann - auf beiden Seiten. Das 1:0 für die Gäste legte MT-Rückraumriese Dainis Kristopans, der mit sieben Treffern am Ende bester Torschütze seines Teams sein sollte, vor. Wenig später erhöhte Timo Kastening auf 2:0. Doch die Zebras hatten Antworten, holten sich die Führung mit einem 3:0-Lauf zurück. Emil Madsen, Eric Johansson und noch einmal Madsen trafen zum 3:2.
Simic wird zum Albtraum
Zu diesem Zeitpunkt waren beide Mannschaften auf Augenhöhe. Nach dem 3:3 durch Mensing markierte Rune Dahmke mit raffiniertem Dreher die erneute THW-Führung. Das 4:3 sollte allerdings die letzte Führung der Zebras bleiben. Vor den Kielern baute sich jetzt eine bärenstarke, mit großer Härte agierende offensive MT-Abwehr auf. Hinter dieser stand mit Nebojsa Simic ein Torhüter, der sich schnell zur Weltklasse aufschwang. So wurde der Montenegriner zum Albtraum für nahezu jeden THW-Angreifer. Dahmke, Johansson, Madsen, Wallinius, Domagoj Duvnjak: Allesamt ließen in den ersten 30 Minuten ihre Chancen ungenutzt, fanden in Simic ihren Meister. Als Kristopans in der 15. Minute per Doppelschlag zum 6:4 für Melsungen traf, versuchte Jicha den MT-Lauf per Auszeit zu stoppen. Doch ohne zählbaren Erfolg: Nach 20 Minuten traf Sipos zum 9:5, Jicha drückte erneut den Buzzer. Die MT aber hatte längst Oberwasser, die Zebras liefen sich hingegen immer wieder in der MT-Abwehr fest.
Zebras werfen alles in die Waagschale
Und auch in der Abwehr kamen sie nun oft zu spät. Bezeichnend war das 8:15, das der quirlige Balenciaga unmittelbar vor dem Pausenpfiff freistehend erzielte. Sieben Tore Rückstand zur Halbzeit. Nur wenig sprach für eine Wende. Doch dann kehrte eine THW-Mannschaft aus der Kabine zurück, die alles in die Waagschale warf, großen Kampfgeist zeigte und sich Treffer um Treffer an die MT heranrobbte. Zum großartigen Rückhalt der jetzt offensiver und aggressiver agierenden THW-Deckung wurde Andreas Wolff. Hendrik Pekeler verkürzte kurz nach Wiederanpfiff auf 9:15, der 3:0-Lauf durch die Tore von Magnus Landin, Madsen und den nicht aufsteckenden Duvnjak brachte die Zebras nach 40 Minuten beim 12:16 wieder in Schlagdistanz. Beeindruckend, wie Kapitän Duvnjak voranging, sich zu seinem ersten Tor durch die MT-Abwehr tankte.
Aufholjagd ohne Happy End
Die Wunderino Arena kam endlich auch auf Temperatur, die weiße Wand stand geschlossen hinter ihrem THW Kiel. Unglücklich dann, dass das Schiedsrichter-Gespann Schulze/Tönnies aus Magdeburg auf eine fragwürdige Zeitstrafe gegen Hendrik Pekeler entschied. So konnten die Gäste, die ihre Angriffe ansonsten extrem lang vortrugen, den Kieler Offensivschwung stoppen. Sie nutzten die schwarz-weiße Unterzahl zum 19:13 in der 45. Minute. Doch der THW kämpfte weiter unverdrossen für die Aufholjagd. Eric Johansson traf zum 16:20, per Doppelschlag verkürzte "Dule" Duvnjak dann zum 18:21. Und als Lukas Zerbe Simic von Rechtsaußen bezwang, schien alles wieder möglich, tobte die Halle. Zumal Andy Wolff zur Wand für die MT-Angreifer mutierte, zweimal in Folge gegen die frei vor ihm auftauchenden Sipos und Kastening parierte. Doch eben dieser Kastening stoppte die Kieler Aufholjagd mit seinem Traumtor zum 19:22. Nach einem Johansson-Fehler und dem 19:23 durch David Mandic (54.) sowie einer Zeitstrafe für Överby war den Zebras endgültig der Energie-Stecker gezogen - Melsungen brachte den Erfolg routiniert über die Zeit.
Donnerstag Pokalfight in Hamburg
Noch einmal können die Kieler kurz durschnaufen, bevor für sie die wilde Oktober-Hatz beginnt: Am kommenden Donnerstag, Feiertag der deutschen Einheit, sind sie beim ersten K.o.-Spiel der Saison in Hamburg gefordert: Beim Handball Sport Verein der Hansestadt kommt es ab 15 Uhr in der Barclays Arena zum packenden Pokalduell (Tickets für den THW-Fanblock). Nur 52 Stunden später stehen die Zebras in der DAIKIN Handball-Bundesliga wieder auf eigener Platte: Am Samstag ist ab 19 Uhr der TVB Stuttgart zu Gast in der Wunderino Arena, für das Spiel gibt es noch Tickets in allen Kategorien. Diese sind rund um die Uhr online unter www.thw-tickets.de sowie in der THW-FANWELT und bei CITTI erhältlich. Gleiches gilt für die Auftaktpartie der EHF European League am Dienstag, 8. Oktober, gegen Bathco BM Torrelavega aus Spanien. Weiter geht’s in Hamburg, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
DAIKIN HBL, 4. Spieltag: THW Kiel – MT Melsungen: 21:25 (8:15)
THW Kiel: Mrkva (26.-30., keine Parade), Wolff (1.-26., 31.-60., 12/1 Paraden), Bellahcene (n.e.); Duvnjak (4), Landin (1), Överby, Wiencek, Pabst (n.e.), Johansson (4), Dahmke (2), Zerbe ()1, Kutz (n.e.), Madsen (7/2), Wallinius, Pekeler (2), Imre; Trainer: Jicha
MT Melsungen: Morawski (n.e.), Simic (1.-60., 20 Paraden); Enderleit, Balenciaga (2), Mandic (2), Sipos (1), Kristopans (7), Ignatow, Moraes (1), Jonsson, Arnarsson (1), Cavalcanti, Mensing (5), Darmoul (1), Kastening (3), Barrufet (2/1); Trainer: Parrondo
Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies
Zeitstrafen: THW: 3 (Landin (34.), Pekeler (43.), Överby (56.)) / MT: 1 (Arnarsson (9.))
Siebenmeter: THW: 2/2 / MT: 2/1 (Wolff hält Barrufet (56.))
Spielfilm: 0:2, 3:2 (9.), 4:3 (12.), 4:7 (16.), 5:7, 5:10 (21.), 7:11, 8:12 (27.), 8:15;
2. Hz: 9:16 (34.), 12:16 (40.), 13:17, 13:19 (45.), 15:19, 16:21 (50.), 19:21 (52.), 19:23 (55.), 20:24 (57.), 21:25.
Zuschauer: 9721 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Glückwunsch an Roberto und die MT zu zwei verdienten Punkten. Ich habe meinen Jungs in der Kabine eben gesagt, dass sie sich nicht von Negativismus überschütten lassen sollen. Wie wir in der zweiten Halbzeit gefightet und gespielt haben, darauf können sie stolz sein. Genau in diesem Prozess liegt die Entwicklung. Natürlich sind wir alle enttäuscht, wie das Spiel ab der 10., 12. Minute gelaufen ist. Da haben wir zu viele Chancen ausgelassen und uns auch ein bisschen von der Linie der Schiedsrichter verunsichern lassen. Der Sieben-Tore-Rückstand zur Pause war eine sehr große Hypothek. Mit nur drei Rückraumspielern fehlte uns in der ersten Halbzeit der Zug zum Tor, aber diese drei gehen auch auf dem Zahnfleisch. Unsere aktuelle Entwicklungsstufe liegt dann in dem Prozess, den wir in der zweiten Halbzeit gesehen haben. Da haben wir das Momentum genutzt, um zurückzukommen. Wir hatten dann in der Abwehr die für uns bestmögliche Abschlusschance für Melsungen zugelassen, doch Kastening macht den Wurf überragend rein. Dann machen wir vorne einen technischen Fehler, und dann war die Energie weg. Die Entwicklung tut manchmal weh, aber wir lernen aus jedem Spiel. Gegen solche Brocken wie den SCM und die MT Melsungen muss man sich über 60 Minuten messen, leider konnten wir heute nicht solch eine Leistung anbieten wie am Sonntag.
MT-Trainer Roberto Garica Parrondo: Ich bin natürlich sehr, sehr zufrieden. Es ist niemals einfach, in Kiel zu gewinnen. Hier muss man immer ein komplettes Spiel abliefern, um die Punkte mitzunehmen. Unsere erste Halbzeit war einfach toll, Simic hält fantastisch, die Abwehr ist riesig. Uns war aber bewusst, dass die zweite Halbzeit trotzdem kompliziert werden würde hier in Kiel. Wir hatten dann auch unsere Probleme, aber insgesamt waren wir ein bisschen besser und haben verdient gewonnen.
THW-Linksaußen Magnus Landin: Natürlich möchte man als Profisportler die Heimspiele gewinnen. Aber mit nur dreieinhalb Rückraumspielern wird es mit zwei solch starken, schwer zu spielenden Gegnern richtig schwer. Ich finde, dass wir trotz der Niederlage auch ein wenig stolz sein können auf unsere zweite Halbzeit. Wie wir uns da zurückgekämpft haben, wie wir uns gegen die Niederlage gestemmt haben. Jetzt werden wir uns morgen zum Training treffen und uns dann auf das Pokalspiel in Hamburg vorbereiten. Denn das ist für uns ebenfalls ein richtig wichtiges Spiel.
THW-Kapitän Domagoj Duvnjak: Wir haben in der ersten Halbzeit das Spiel verloren, da haben wir zu viel verworfen. In der zweiten Hälfte haben wir dann noch einmal alles reingehauen, haben ab da auch ein gutes Spiel gemacht. Wir kamen noch einmal auf zwei Tore heran, haben dann aber unglückliche Treffer kassiert. Irgendwie hat bei uns nach dem Spiel in Magdeburg die Power gefehlt. Trotzdem möchte ich meinen Jungs einen Riesen-Respekt aussprechen, dass wir nicht aufgegeben und alles versucht haben. Der Fokus ist jetzt auf Hamburg, das ist für uns ein sehr, sehr wichtiges Spiel.
THW-Linksaußen Rune Dahmke: Wir haben uns in der zweiten Halbzeit noch einmal richtig gegen die Niederlage gestemmt. Man hat aber gesehen, dass es für uns heute insgesamt viel schwerer als in Magdeburg war. Natürlich macht Simic auch ein Riesen-Spiel, aber wir haben ihm auch viele dankbare Würfe gegeben.