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29:40 im Traditions-Duell: Zebras gehen im Gummersbacher Europacup-Rausch unter

Bundesliga

29:40 im Traditions-Duell: Zebras gehen im Gummersbacher Europacup-Rausch unter

Gummersbach feiert Schützenfest und Kirmens, eine Stadt im Ausnahmezustand. Auch, weil der VfL Gummersbach nur zwei Jahre nach dem Wiederaufstieg in die LIQUI MOLY Handball-Bundesliga an die Tür zum europäischen Wettbewerb klopft. Die Blau-Weißen wollen mit aller Macht in die European League. Das zeigten sie dem THW Kiel mehr als deutlich, der in der Nachholpartie des 19. Spieltags ohne jede Chance war und im Gummersbacher Rausch mit 29:40 (10:21) unterging. Vor allen Dingen in der katastrophalen ersten Halbzeit, in der die Zebras bereits nach 21 Minuten mit elf Toren im Hintertreffen lagen, ließen die Kieler jegliche Gegenwehr vermissen. Immerhin rafften sie sich in der zweiten Hälfte auf und spielten ansatzweise das, was sie sich vorgenommen hatten. Angesichts der indiskutablen Vorstellung in Durchgang eins war das Unentschieden in der zweiten Hälfte aber nicht mehr als nur ein Strohfeuer. 

"Das war peinlich"

 "Das war peinlich", sagte Linkshänder Harald Reinkind ins die Mikrofone von Fernsehsender DYN, schüttelte enttäuscht seinen Kopf. "Es war überhaupt keine Einstellung vorhanden. Hinten waren wir schlecht, und vorne haben wir viel zu viele Fehler gemacht. Wir sollten uns schämen, das ging gar nicht.“ Ein Lichtblick war ausgerechnet der jüngste im Kader: Elias Ellefsen á Skipagötu stemmte sich mit viel Tempo und sehenswerten acht Toren gegen das Debakel. 

Schlechteste erste Hälfte der Saison

Personell durften beide Trainer nahezu auf ihre Bestbesetzung bauen. Couragiert, mit viel Biss und siegeshungrig traten allerdings nur die Gastgeber auf. Was war es, was dem THW die wohl schlechteste erste Halbzeit der Saison bescherte? Die Wucht der VfL-Fans, die ihr Team lautstark nach vorne trieben? Oder war es die in den ersten 30 Minuten nicht enden wollende Fehlerkette im Spiel der Zebras, die schwache Wurfausbeute und eine Abwehr offen wie ein Scheunentor? Oder doch der VfL, der sich wie in einen Rausch spielte und bei dem alles gelang? Von allem wohl ein bisschen. Jedenfalls spielten die Oberbergischen in der ersten Halbzeit Handball von einem anderen Stern, tempogeladen, nahezu jede Aktion gelang. Zudem profitierten Julian Köster und Co. auch von einer zögerlichen THW-Mannschaft, die zwar in der Abwehr offensiv agierte, aber über weite Strecken nur halbherzig zu Werke ging, so ihrem Gegner von Beginn an hinterherlief. 

THW Kiel zu früher Auszeit gezwungen

Schon der Start deutete an, wohin es für die Zebras an diesem Tag gehen sollte: Eric Johansson traf gleich zu Beginn nur die VfL-Latte, Julian Köster und Tilen Kodren antworteten mit der 2:0-Führung. Johansson traf dann zum 1:2 und 2:3. Es blieb der geringste Abstand im gesamten Spiel. Fortan zogen die Männer von Trainer Gudjon Valur Sigurdsson Tor um Tor davon. Nach nur zehn Minuten war Gummersbach auf 10:4 davongerauscht: Linksaußen Blohme traf und zwang THW-Trainer Filip Jicha zur ersten Auszeit. "Wir müssen Bereitschaft zeigen, brauchen Feuer in unserem Spiel", schimpfte Jicha. Der Tscheche war aufgebracht vom schwachen Start seiner Schützlinge, wechselte Steffen Weinhold ein für Harald Reinkind, ließ die Abwehr offensiv decken und versuchte es wenig später mit einem Tausch der Torhüter. Tomas Mrkva kam für Samir Bellahcene, der kaum eine Hand an den Ball brachte, dabei aber auch von seinen Vorderleuten allein gelassen wurde.

Elf-Tore-Rückstand zur Pause

Einige wenige Lichtblicke brachten die Zebras aber auch aufs Parkett. So der sehenswerte Treffer per Rückhandwurf im Rückwärtsfallen von Patrick Wiencek zum 5:10 oder die Rückraum-Peitschen von Johansson, der in den ersten 30 Minuten viermal traf, viel Einsatz zeigte, allerdings ebenfalls Teil hatte am Kieler Fehlerfestival. Domagoj Duvnjak ließ sich den Ball beim Tempogegenstoß abluchsen, Steffen Weinhold wurde geblockt, wurde mit Stürmerfoul abgepfiffen. Fehler über Fehler, die sich auf die gesamte Mannschaft verteilten. Als Blohme beim 16:6 die erste Zehn-Tore-Führung für die glänzend disponierten Gastgeber erzielte, waren gerade einmal 18 Minuten gespielt, hatte Jicha bereits mit der zweiten Auszeit versucht, den VfL-Rausch zu unterbrechen. Doch ohne Erfolg: Vujovic erhöhte wenig später per Strafwurf auf 17:6, 13 Tore lagen die Kieler gar nach 26 Minuten zurück. Immerhin trafen Nikola Bilyk und Elias Ellefsen á Skipagötu noch vor dem Wechsel für die Zebras. Die Seiten wurden mit 21:10 Toren für die wie entfesselt aufspielenden Gummersbacher gewechselt.

Bessere Leistung im zweiten Durchgang reicht nicht

Im zweiten Durchgang standen die Kieler zwar besser in der Abwehr, der Partie noch eine entscheidende Wendung vermochten sie aber angesichts der schweren Hypothek nicht mehr zu geben. Immerhin kämpften nun auch die Zebras, nun lief es im Kieler Angriff besser: Nikola Bilyk tankte sich mehrfach erfolgreich durch die VfL-Abwehr, "Skippy" machte viel Tempo und war ebenfalls torhungrig. Und auf Linksaußen glänzte Magnus Landin mit einer 100-Prozent-Quote, netzte fünfmal bei fünf Versuchen ein. Dennoch hielten die Gummersbacher den Favoriten aus dem Norden stets unter Kontrolle, setzten sich zwischenzeitlich wieder auf 13 Tore ab, feierten schließlich den unerwartet hohen, vom begeisterten Publikum gefeierten 40:29-Triumph. Gummersbach feierte Schützenfest, und das nun auch in der Schwalbe Arena. Die Kieler indes bedankten sich mit hängenden Köpfen bei ihrem mitgereisten Anhang, der sich diesen Nachmittag sicherlich auch anders vorgestellt hatte. 

Letztes Heimspiel am kommenden Mittwoch gegen Leipzig

Am Mittwoch, 29. Mai, heißt es zum letzten Mal in der Spielzeit „Olé, hier kommt der THW“. Das Heimspiel gegen den SC DHfK Leipzig, das um 19 Uhr angepfiffen wird, ist für einige der Kieler Spieler der letzte Auftritt vor ihren Fans. Nach der Partie werden diese – wie gewohnt – verabschiedet. Und auch für Mannschaftsarzt Dr. Frank Pries ist es der letzte Heim-Arbeitstag in Schwarz-Weiß: Nach 26 Jahren als Zebra-Doc ist für ihn am Saisonende Schluss. Niclas Ekberg hingegen verabschiedet sich erst im Sommer aus Kiel: Der THW-Rekordtorschütze bekommt am 16. August sein Abschiedsspiel in der Wunderino Arena. Der freie Ticketverkauf für "Tack och hej, Eki" hat bereits begonnen. Auch für das letzte Heimspiel der Saison gibt es noch Eintrittskarten bei CITTI, in der THW-FANWELT und online unter www.thw-tickets.de. Weiter geht’s gegen Leipzig, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Be.A.StarProductions

LIQUI MOLY Handball-Bundesliga, 19. Spieltag: VfL Gummersbach - THW Kiel 40:29 (21:10)

VfL Gummersbach: Rebmann (31.-60., 4 Paraden), Ivanisevic (1.-30., 4/1 Paraden); Vidarsson (3), Kodrin (4), Vujovic (4/2), Köster (4), Blohme (6), Oskarsson (1), Häseler (1), Schluroff (5), Tskhovrebazde (2), Mappes (4), Pregler, Horzen (6), Kiesler, Zeman; Trainer: Sigurdsson
THW Kiel: Mrkva (18.-55. 6 Paraden), Bellahcene (1.-18., 55.-60., 3 Paraden); Ehrig, Duvnjak, Reinkind, Landin (5), Øverby, Weinhold, Wiencek (1), Ekberg (2), Johansson (7), Dahmke (1), Wallinius, Bilyk (5), Pekeler, á Skipagötu (8); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Hanspeter Brodbeck / Simon Reich
Siebenmeter: VfL: 2/2 / THW: 2/0 (Ivanisevic hält Ekberg (25.), Johansson überweg (56.))
Zeitstrafen: VfL: 4 (Kodrin (10.), 3x Zeman (25., 31., 45.)) / THW: 6 (2x Pekeler (16., 40.), Johansson (41.), 2x Överby (28., 48.), Wallinius (54.))
Disqualifikation: Zeman (VfL, 3. Zeitstrafe (45.))
Spielfilm: 1. Hz.: 2.0, 3:1 (4.), 5:2, 6:4 (7.), 10:4 (10.), 12:6 (12.), 17:6 (21.), 18:8 (23.), 21:8 (26.), 21:10;
2. Hz.: 22:12 (33.), 24:12, 25:13 (37.), 28:15 (42.), 32:19 (46.), 32:21 (47.), 34:24 (51.), 36:24 (53.), 38:26 (57.), 40:29.
Zuschauer: 4132 (ausverkauft) (Schwalbe Arena, Gummersbach)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Glückwunsch an Goggi und den VfL zu diesem mehr als verdienten Sieg. Wir haben sehr naiv gespielt. Drei Tage lang haben wir versucht, die Mannschaft auf diese Intensität, die von Gummersbach kommt, vorzubereiten. Trotzdem sind wir überrannt worden durch Gummersbachs Energie und Geschwindigkeit. Der VfL hat uns komplett die Hosen ausgezogen, und wir geben schon in der ersten Halbzeit alles aus der Hand. Ich bin enttäuscht und verstehe wenig, was wir hier wirklich wollten. Sich hier gegen diesen Gegner solch eine Phase ohne Kreisläufer-Spiel, ohne Torwartspiel, ohne Rückzug zu erlauben, zeugt nicht von Respekt uns gegenüber, den Fans gegenüber und dem Verein gegenüber. Uns gegenüber stand ein Team, das sehr präsent war.

VfL-Trainer Gudjon Valur Sigrudsson: Das Spiel heute lief genauso für uns wie das Hinspiel in Kiel für den THW lief: Heute ist uns fast alles gelungen, und wir haben um jeden Ball gekämpft, weil es für uns um die kleine Möglichkeit ging, eventuell im nächsten Jahr europäisch zu spielen. Den Kielern meine ich angesehen zu haben, dass das Final4 eben doch schon in den Köpfen ist. Ich bin sehr stolz und zufrieden. Wir haben im Angriff mit einer hohen Effektivität gespielt, haben zudem von der ungewöhnlich hohen Anzahl technischer Fehler der Kieler profitieren können. In der zweiten Halbzeit hatten wir dann Probleme mit Elias, den wir aber letztlich doch auf Abstand halten konnten. Ich drücke Filip und dem THW Kiel die Daumen für Köln!

THW-Toptorschütze Elias Ellefsen á Skipagötu: Das war richtig schlecht von unserer Seite. Die ersten 20 Minuten waren katastrophal. Nach dieser furchtbar schlechten ersten Hälfte wollten wir einiges im zweiten Durchgang besser machen. Das hat geklappt, aber sonst nichts.