ZEBRA-Interview mit Niklas Landin: "THW ist ein großer Club"
"Gedanklich immer einen Schritt voraus sein"
Sieger im Siebenmeter-Duell: Niklas Landin gegen Füchse-Außen Hans LindbergZEBRA: Niklas, im Spiel gegen Orlen Wisla Plock hast Du in der entscheidenden Phase zwei, im Spiel insgesamt sogar drei Siebenmeter gehalten. Und auch gegen Berlin hast Du drei Strafwürfe pariert. Was geht Dir in diesen Momenten durch den Kopf? Niklas Landin: Siebenmeter sind für einen Torwart eine besondere Herausforderung. Wenn man richtig drin in einem Spiel ist, dann kann man eigentlich nur gewinnen. Es ist ein direktes Duell mit dem Werfer, und vielleicht gelingt es mir, den Kopf des Werfers ein bisschen zu provozieren. Dafür versuche ich immer, mit meinen Gedanken einen Schritt vor den Gedanken des Schützen zu sein. Was er denkt, muss ich bereits denken. Kann man so etwas üben? Ich probiere in jedem Training zu erahnen, was meine Mitspieler bei ihren Würfen denken. Wie haben sie zuletzt geworfen, wie bewegen sie sich, und wohin werden sie wohl als nächstes werfen? Ist das für Dich eine Drucksituation? Nein. Ich versuche immer, in diesen Momenten einfach mein Ding zu machen. Und dann spiele ich, bis der Trainer etwas anderes sagt. Spürst Du trotzdem einen gewissen Druck? Ja, den spürt man immer, wenn man auf höchstem Niveau spielt. Viele erwarten, dass wir jedes Spiel gewinnen. Und ganz besonders zu Hause erwarten die vielen Zuschauer in der Arena das natürlich auch von uns.
"Ich möchte nicht verlieren"
Gibt es bestimmte Anzeichen? Ich möchte auch nicht verlieren. Deshalb glaube ich, den größten Druck mache ich mir selbst. Ich bin bestimmt nicht die lustigste Person, mit der man gern zusammen sein möchte, wenn wir doch mal verloren haben. Belastet oder beflügelt es Dich, wenn die Leute sagen, Niklas Landin sei der beste Torhüter der Welt? Damit sind natürlich auch ganz besondere Erwartungen an Dich verbunden. Es ist immer schön zu hören, wenn andere so tolle Sachen über einen denken. Ich selbst finde allerdings, dass ich es noch immer nicht bin. Aber das ist auch ein Motivations-Faktor: Ich muss und will in jedem Spiel die Erwartungen neu erfüllen, beweisen, dass ich ein guter Torhüter bin. Warum fiel es Dir am Anfang so schwer, Dich zunächst einmal an Deine neue Rolle beim THW Kiel zu gewöhnen? Ein kleiner Grund dafür ist sicher, dass meine Verletzung (Schambeinentzündung, d. Red.) schwerer als erwartet war. Und dann dauert es für einen Torhüter immer ein bisschen, bis das Zusammenspiel mit einer neuen Abwehr aufeinander abgestimmt ist. Diese Saison ist allerdings auch ein bisschen speziell, da wir aufgrund unserer vielen Verletzungen ständig in neuen Abwehrformationen spielen müssen und es so schwer fällt, wichtige Automatismen im Zusammenspiel aufzubauen. Es wäre natürlich einfacher mit Rene Toft Hansen in der Mitte vor mir, denn ihn kenne ich bereits sehr gut aus der dänischen Nationalmannschaft. Aber auch so haben wir alle ein gemeinsames Ziel: den nächsten Ball zu halten.
Ein normales Leben? "Familie und Freunde"
Das große Ziel heißt Meisterschaft. Zuletzt musstet Du zwei Jahre in Folge ganz bittere Niederlagen verkraften, als der THW Kiel die Rhein-Neckar Löwen, Deinen alten Club, quasi auf der Ziellinie überholte. Wie hat sich das damals angefühlt? Als wir nach einer kompletten Saison nur aufgrund einer um zwei Tore schlechteren Differenz verloren hatten, war es ganz schrecklich… (Pause) Weißt Du noch, was Dir da durch den Kopf gegangen ist? Nichts. Ich war vollkommen leer. Eine ganze Saison war plötzlich weg. Einen Tag später hätte ich am liebsten sofort eine neue Saison gestartet. Ich wollte es allen beweisen, dass wir jede Mannschaft hätten schlagen können. Immer, wenn ich verliere, möchte ich sofort zum Training gehen, noch härter trainieren, um dann so schnell wie möglich im nächsten Spiel unter Beweis zu stellen, dass ich es besser kann. Gibt es Situationen, in denen Du genug vom Handball hast und ihn irgendwie aus Deinem Kopf kriegen musst? Ja, in jeder Saison gibt es ein, zwei solcher Momente, in denen man denkt, 'Jetzt wird es zu viel'. Aber dann kehren die Gedanken schnell zurück, dass man eigentlich sehr gern Handball spielt. Wie findest Du in diesen Momenten Ablenkung? Jetzt mit Pelle (Niklas' einjähriger Sohn, d. Red.) gelingt mir das sehr gut. Er redet zum Glück noch nicht so viel über Handball (lacht). Und ich finde es gut, dass Liv (seine Lebensgefährtin, d. Red.) und ich zu Hause stattdessen viel über die normalen Dinge des Alltags sprechen. Was bedeutet für Dich ein normales Leben? Das bedeutet Familie und Freunde.
"Kiel hat sich gegen Barcelona und die Löwen durchgesetzt"
"Kiel hat wirklich schöne Seiten"Die Familie war auch ein Grund dafür, nach Kiel zu gehen. Ja, das stimmt. Aber natürlich wollte ich auch sehr gern für diesen großen Club spielen. Es ist jedoch ein schöner Nebeneffekt, dass wir nun viel dichter an Dänemark sind und auch mal schnell mit dem Auto nach Hause fahren können - gerade mit Kind ist das jetzt ein großer Vorteil für alle in der Familie. Meine Freundin und unser Sohn sind viel in Dänemark, wenn wir längere Auswärtstouren zu absolvieren haben. Du hattest sicher auch verlockende Angebote von anderen Clubs... Kiel hat sich gegen Barcelona und die Rhein-Neckar Löwen durchgesetzt. Mit Paris hatte ich ein kurzes Gespräch, aber da sie gleichzeitig mit Thierry Omeyer verhandelt hatten, wurde es schnell ruhig. Jetzt seid Ihr zu Dritt hier in Kiel. Was hat sich für Dich verändert und wie fühlt sich das an? Das fühlt sich sehr gut an. Man setzt andere Prioritäten: Ich habe nun nicht mehr so viel Zeit, um Playstation zu spielen und solche Dinge. Aber dafür habe ich sehr viele andere, sehr schöne Momente dazu gewonnen. Das macht mich sehr glücklich. Was tust Du, um mit der Familie abzuschalten? Wir gehen oft in der Forstbaumschule spazieren. Meist ist dann der Spielplatz unser Ziel. Zudem gehen wir gerne runter ans Wasser. Aber ich muss gestehen, dass ich leider noch gar nicht so viel Zeit in der Stadt verbringen konnte - wir mussten in dieser Saison schon sehr viel reisen. Ist die wenige verbleibende Zeit mit der Familie dafür besonders intensiv? Morgens ist Pelle in der Kinderkrippe, und wenn er dann nach Hause kommt, muss ich meist zum Nachmittagstraining. Wenn ich anschließend nach Hause komme, geht er auch schon wieder ins Bett, so dass wir uns momentan bedauerlicherweise nicht besonders viel sehen. Aber wenn wir dann endlich Zeit miteinander verbringen können, ist diese tatsächlich intensiver. Im Januar während der Europameisterschaft war ich das erste Mal so lange von ihm getrennt, das empfand ich als sehr schwer. Wie wichtig ist es für Dich, dass Du - so wie hier - zwischendurch mal raus an die frische Luft kommst? Meine Freundin schreibt gerade an ihrer Master-Arbeit in Pharmazie und braucht deshalb einfach auch viel Zeit für sich. Dann sagt sie meist zu Pelle und mir: 'Ihr beiden geht jetzt mal ein bisschen raus an die frische Luft.' Eigentlich muss ich ihr dafür dankbar sein. Denn Kiel hat wirklich schöne Seiten, hier kann man seine Zeit zweifelsohne gut verbringen. (Aus dem Arena-Magazin "ZEBRA" zum Heimspiel gegen die Füchse Berlin)