Deutschland verliert gegen Katar: 24:26 ärgert Sigurdsson
Sigurdsson angefressen
Jetzt steht der THW Kiel wieder im Fokus
Testspiel, 13.03.16: Deutschland - Katar: 24:26 (14:16)
Dahmke mit drei Treffern
KN: Missglücktes Olympia-Casting
Berlin. Die "Bad Boys" sind hart auf dem Berliner Boden der Tatsachen gelandet. Die Siegesserie des Handball-Europameisters Deutschland ist nach acht Erfolgen gerissen. Auf das berauschende 32:17 am Freitag in Leipzig im ersten von zwei Testspielen gegen Vize-Weltmeister Katar folgte am Sonntagnachmittag ein 24:26 (11:14), das deutliche Schwächen offenlegte. "Nach dem 15-Tore-Sieg am Freitag haben wir alle noch einmal gehört, wie toll wir sind. Heute waren wir mental nicht bereit", ätzt Bundestrainer Dagur Sigurdsson nach enttäuschenden 60 Minuten in der mit 9000 Zuschauern ausverkauften Max-Schmeling-Halle. Sechs Jahr lang hat der Isländer dort die Füchse Berlin trainiert. Dieses Länderspiel soll sein Abschied aus der Hauptstadt sein. Doch die Weltauswahl Katars macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Der Kuba-Katari Rafael Capote und Marko Bagaric - einst ein Kroate - befehligen eine im Vergleich zum Test von Leipzig wie ausgewechselte, energische Deckung der Gäste. Deutschland beginnt mit einer offensiven 5:1-Abwehr mit Patrick Groetzki an der Spitze, stellt nach einer Viertelstunde auf 6:0 um und kommt trotzdem nicht ins Spiel. Fünf Europameister stehen in der Anfangsformation, Andreas Wolff gibt im Tor keine gute Figur ab, zwischen dem 8:7 (19.) und 8:11 (23.) macht sich torlose Ideenlosigkeit breit. Die "Bad Boys" lassen sich allzu oft von schnellen, unbequemen Vize-Weltmeistern narren. In der Deckung fehlt Hendrik Pekeler (krank), doch das größte Defizit zeigt sich in dem Ensemble ohne acht Spieler aus dem Team, das sechs Wochen zuvor Europameister geworden war, im Offensivbemühen. Pevnov und Späth statt Pekeler, Schmidt, Kohlbacher am Kreis. Und das Fehlen des oft unterschätzten und aus privaten Gründen abgereisten Martin Strobel sowie des Gold-Spielmachers Steffen Fäth (Schulterprobleme) wird zur zentnerschweren Hypothek. Nun ist Simon Ernst ebenso wie der für den an der Hand verletzten EM-Helden Kai Häfner nachnominierte Michael Müller eingeladen, seine Olympia-Bewerbung einzureichen. In der Rückraum-Mitte ziehen zuerst Niclas Pieczkowski, später Paul Drux die Fäden. Doch dessen noch weit hinter Normalform mäandernde Uwe-Seeler-Behäbigkeit versetzen das deutsche Spiel in einen lähmenden Aggregatzustand des Standhandballs. Längst ist der EM-Titel Geschichte, hat das Olympia-Casting für Rio begonnen. Doch zwischen Abspielfehlern und Konzeptlosigkeit deutet sich beim 14:21 (43.) ein Debakel an. "Unsere Chancenauswertung war schwach", zürnt Sigurdsson. Da reiht sich auch der Kieler Rune Dahmke kurzzeitig ein, dem der Ball bei seiner ersten echten Chance durch die Finger gleitet. Immerhin, Sekunden später macht er mit einem kraftvollen Tempogegenstoß-Finish seinen Fehler wieder gut (19:23, 53.), erzielt schließlich insgesamt drei Tore binnen sieben Minuten, trägt so aber nur zur Ergebniskosmetik bei. Zu viele Fehler wie der schwache Gegenstoß-Abschluss von Johannes Sellin (57.), der Goran Stojanovic den Ball auf den Fuß wirft, verhindern mehr in diesem missglückten Olympia-Casting. Stimmen zum Spiel: Dagur Sigurdsson, Bundestrainer: Offenbar waren wir zu verliebt in uns selbst, haben nicht die nötige Konzentration gefunden. Da bin ich natürlich auch schuld. Das muss raus aus den Köpfen, denn wenn wir nicht fokussiert sind, sind wir einfach nicht gut genug. Heute war die Mannschaft in jeder Aktion einen Schritt zu spät. Darum bin ich überhaupt nicht zufrieden. Uwe Gensheimer, Nationalmannschaftskapitän: Gegen die aggressive Deckung der Kataris haben wir uns zu wenig ohne Ball bewegt, zu viele technische Fehler gemacht. Der Angriff war unser Problem. Wir konnten in diesem Spiel genau sehen, was bei uns noch nicht gut läuft. Katar war viel besser als im ersten Spiel, hat die Eins-gegen-Eins-Situationen besser angenommen. Rune Dahmke, Kieler Linksaußen: Vielleicht ist diese Niederlage gut für unsere Entwicklung. Das war als Abschluss der Lehrgangs-Woche Licht und Schatten. Die 5:1-Abwehr haben wir am Sonnabend zum ersten Mal trainiert. Richtig gut hat das nicht funktioniert, aber wir müssen uns eben immer neu einstellen auf die Gegner, variabler werden. Aber heute waren wir einfach nicht so konsequent wie im ersten Spiel gegen Katar. Patrick Groetzki, Rechtsaußen: Der Gegner war in einer anderen Verfassung als in Leipzig - aber wir waren auch deutlich schlechter. Aber irgendwie ist das doch auch ein gutes Gefühl: Wir wissen, dass wir viele Sachen besser machen können. Wir haben zu viele leichte Fehler gemacht, haben im Angriff zu viele Bälle weggeworfen, außerdem stimmte das Tempo nicht. In der zweiten Halbzeit sind wir dann von Anfang an nicht mehr rangekommen. (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 14.03.2016)