Deutschland startet mit Kantersieg in die EM-Hauptrunde

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Deutschland startet mit Kantersieg in die EM-Hauptrunde

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat am Freitagabend einen perfekten Start in die Hauptrunde der Europameisterschaft hingelegt: Gegen Ungarn gewann die DHB-Auswahl klar mit 29:19 (17:9) und sicherte sich damit die Punkte drei und vier. Angeführt von einem bärenstarken Steffen Weinhold, dem sechsfachen Torschützen Fabian Wiede und dem gewohnt sicheren Tobias Reichmann (5/3) machte die deutsche Mannschaft klar, dass mit ihr weiterhin zu rechnen ist.

Traumstart

Die deutsche Mannschaft legte vor 3500 Zuschauern in Breslau los wie die sprichwörtliche Feuerwehr: Rune Dahmke erzielte mit der ersten Aktion das 1:0, dann klaute Steffen Weinhold in der Abwehr einen Ball, ehe Dahmke eine Siebenmeter herausholte: Tobias Reichmann traf zum 2:0, und legte nach feinem Weinhold-Pass das 3:0 nach. Als Ungarn durch Laszlo Nagy den starken Andreas Wolff erstmals nach etwas mehr als drei Minuten überwand, waren die Weichen für die DHB-Auswahl längst gestellt: Mit einer selbstbewussten Körpersprache, schnellen Beinen in der Abwehr und einer guten Angriffsleistung beeindruckte die jüngste Mannschaft des Turniers die erfahrene Truppe von Trainer Talant Dujshebaev.

Freudengesänge nach 12:6-Führung

Und auch, wenn sich hier und da der Fehlerteufel einschlich, blieb die Sieben von Bundestrainer Dagur Sigurdsson auch nach dem ungarischen 4:6-Anschluss durch Hornyak das bestimmende Team: Steffen Fäth nagelte den Ball zum 7:4 ins Tor, Reichmann legte nach einer Wolff-Parade per Gegenstoß das 8:4 nach. Einzig Nagy hielt seine Farben im Spiel - doch nur bis zur 17. Minute: Fäth zog ab, dann blockte die Defensive einen Wurf von Ancsin, was Wiede mit einem Konter zum 11:6 nutze. Als kurz darauf auch noch Jannik Kohlbacher traf, wurden beim Public Viewing im Kieler Handballbahnhof und auf den Rängen der Jahrhunderthalle erste Freudengesänge angestimmt.

Acht Tore vorn zur Pause

Dass diese nicht verfrüht waren, machten die Minuten bis zur Pause deutlich, in denen Weinhold der Partie den Stempel aufdrückte: Er traf zum 13:8, bediente Kohlbacher mit einem unglaublichen Pass zum 15:9 und setzte die entscheidenden Nadelstiche. Die Konsequenz: Bis zum Wechsel zog die DHB-Auswahl auf 17:9 davon - Rune Dahmke, erster Torschütze der Partie, setzte mit seinem Treffer eine Klammer um die nahezu perfekte erste Hälfte.

Sonntag gegen Russland

Weiter geht es für die deutsche Nationalmannschaft bereits am Sonntag: Russland ist der Gegner im zweiten Hauptrunden-Spiel, das um 18:15 Uhr in Breslau angepfiffen wird. Die ARD zeigt das Spiel live im Fernsehen, in Kiel können Handball-Fans wieder gemeinsam beim Public Viewing im beheizten Hauptbahnhof dabei sein. Das Programm vor der 15 Quadratmeter großen Leinwand des deutschlandweit einzigartigen Handballbahnhofs beginnt um 17:30 Uhr. Daumendrücken für Deutschland!

EM-Hauptrunde, 22.01.2016: Deutschland - Ungarn: 29:19 (17:9)

Deutschland: Lichtlein, Wolff; Sellin (2), Lemke, Reichmann (5/3), Wiede (6), Pekeler (2),  Weinhold (3), Strobel, Schmidt, Fäth (3), Dahmke (3), Ernst (1), Pieczkowski (1), Dissinger (1), Kohlbacher (2) Ungarn: Bartusz, Mikler; Schuch, Pasztor, Ivancsik (1), Gazdag, Hornyak (2), Kornel Nagy (3), Laszlo Nagy (3), Jamali (3), Faluvegi, Zubai (1), Banhidi (2), Borsos, Ancsin (2), Bodo (2) Schiedsrichter: Gubica/Milosevic (Kroatien) Zeitstrafen: 4:6 Minuten (Pekeler, Weinhold – Schuch/4, Ancsin) Siebenmeter: 3/3:2/4 (Ivancsik und Hornyak scheitern an Lichtlein) Spielfilm: 3:0 (4.), 5:2 )9.), 8:4 (14.), 12:6 (20.),  14:8 (26.), 17:9;
20:11 (37.), 23:14 (45.), 26:16 (51.), 28:17 (55.) 29:19. Zuschauer: 3500 in Breslau 

Dahmke und Weinhold zerstreuen leichte Sorgen

Nach dem Wiederanpfiff machte Wiede das 18:9 - und wenn man nach dem ungarischen Doppelschlag durch Nagy und Bodo ein wenig Sorge um die deutsche Mannschaft hatte, so wurde diese von Dahmke mit dem 19:11 (36.) und von Weinhold mit dem 20:11 endgültig zerstreut. Der Kapitän, bisher mit der längsten Einsatzzeit bei der EM, wurde daraufhin weitestgehend geschont. Die Partie wurde trotzdem weiterhin von der deutschen Mannschaft bestimmt, die die Ungarn stets auf Abstand hielt. Allerdings verflachte das Niveau ein wenig: Die Magyaren sahen ihre Felle davon schwimmen, während die DHB-Auswahl routiniert ihr Pensum abspulte. 

Weiteres Ausrufezeichen

Reichmann traf in der 51. Minute zur ersten Zehn-Tore-Führung, kurz darauf waren es beim 28:16 durch den ersten Turniertreffer von Simon Ernst sogar zwölf Tore. Am Ende hielt der inzwischen eingewechselte Carsten Lichtlein mit zwei gehaltenen Siebenmetern den Zehn-Tore-Abstand bis zum Abpfiff: Die deutsche Mannschaft hatte mit einer starken Leistung Ungarn deklassiert und ein weiteres Ausrufezeichen in der Hauptrunden-Gruppe II gesetzt. "Unsere Abwehr war super, wir haben mit viel Kraft gespielt, waren im Angriff zudem sehr geduldig - in dieser Form hatten die Ungarn keine Chance gegen uns", sagte Rune Dahmke nach der Partie. Dagur Sigurdsson war "überrascht, wie deutlich wir am Ende gewonnen haben - aber der Sieg und auch das Ergebnis sind absolut verdient. Ab sofort steht die Partie gegen Russland im Fokus".

KN: Der perfekte Plan

Breslau. Ein Spiel wie im Rausch. Deutschland hält den Traum vom Halbfinale bei der Handball-Europameisterschaft in Polen am Leben. Das Team von Bundestrainer Dagur Sigurdsson zeigte am Freitagabend beim 29:19 (17:9) gegen Ungarn zum Start in die EM-Hauptrunde eine Defensivleistung der Extraklasse. Sigurdsson mag es nicht, das Wort vom "Matchplan". Nie, sagt der Isländer, würde er darüber sprechen, dass seine Spieler seinen Plan umgesetzt hätten. Doch die Deutschen haben ihn an diesem Freitagabend, den perfekten Plan. Er ist nicht atemberaubend oder exotisch. Es ist nahezu fehlerfreies Handwerk. Nach vier Spielen erübrigt es sich schon fast, Hendrik Pekeler und Finn Lemke im Abwehr-Mittelblock zu erwähnen. Nur neun Tore lässt die deutsche Deckung vor, nur zehn nach der Pause zu. Erik Schmidt nennt das „phänomenal“. Der Hannoveraner kommt Mitte des ersten Abschnitts auf das Feld. Sigurdsson operiert jetzt mit einem Dreierwechsel, bringt immer wieder Pekeler (2,03 Meter), Schmidt (2,04) und Lemke (2,10) für die Defensive. Diese exzeptionelle Abrisstruppe deluxe ist mit das Beste, was die EM zu bieten hat. Und die Ungarn verzweifeln. Dabei läuft es auch bis zum 10:6 (17.) ausgezeichnet. Martin Strobel ersetzt den weiter glücklosen Christian Dissinger im Rückraum und sorgt für den Turbo im deutschen Spiel. Kapitän Steffen Weinhold trifft, wenn es wichtig wird, die Laufwege stimmen. Stimmen? Sie sind die Offensiv-Essenz dieses perfekten Planes. Wie Weinhold taktiert, wie der junge Jannik Kohlbacher sich am Kreis regelrecht freisprengt, antritt, nach Traumpass hinter dem Rücken vom bärenstarken Steffen Fäth zum 12:6 trifft (20.), verdient das Prädikat Weltklasse. Es läuft also gut, und mit den drei Riesen umso besser. Zuerst heißt es Laszlo Nagy - Superstar der Magyaren - gegen Deutschland. Dann taucht auch der 2,08-Mann aus Veszprem unter. Der ungarische Rückraum taucht ab, Trainerlegende Talant Dujshebaev versucht es mit zwei Kreisläufern, stellt um und zurück, und nichts fruchtet. Auf der anderen Seite: Dagur Sigurdsson stellt nach der Pause um, bringt die zweite Reihe: neben Strobel auch Simon Ernst im Rückraum, Johannes Sellin auf Rechtsaußen - und alles fruchtet. Der Berliner Fabian Wiede avanciert mit sechs Toren zum überragenden Mann auf dem Feld: dynamisch, kreativ, treffsicher. Irgendwann trifft auch Dissinger, bei Tobias Reichmanns Tor zum 26:16 sind es zehn Tore Vorsprung (52.), nach Ernsts 28:16 sogar zwölf. Nach dem Schlusspfiff: Jubeltraube und gespielte Coolness, als wäre dieses Match keine Demonstration deutscher Stärke gewesen. "Die Disziplin, dieser Wille, die Art und Weise, wie wir spielen, kostet viel Kraft und Energie, und das haben die Jungs alles gemacht", sagt Sigurdsson. DHB-Präsident Andreas Michelmann und Vize Bob Hanning stürmen auf das Feld, umarmen ihren Coach nach dem Sieg gegen den - immerhin - Olympia-Vierten. Dessen Coach Dujshebaev reagiert sympathisch: "Taktisch, physisch - wir hatten keine Chance, und das ist nur meine Verantwortung." Geht jetzt noch mehr? "Unser Ziel ist das Halbfinale. Alles ist möglich. Wir haben es in unseren eigenen Händen", sagt Fabian Wiede. Der deutsche EM-Traum lebt. (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 23.01.2016)