KN: Castingshow, Teil eins

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KN: Castingshow, Teil eins

Stuttgart. Der Laufsteg für die EM-Castingshow ist freigegeben. 20 Spieler im Team von Handball-Bundestrainer Christian Prokop kämpfen um 16 Plätze für die Europameisterschaft, die am 12. Januar in Kroatien beginnt. Stuttgart steht kopf, feiert die Bad Boys schon vor dem Anpfiff des vorletzten Testlaufes, als wäre das hier ein Finale. Und ganz Handball-Deutschland? Rätselt! Aufschluss über das Personal für die kontinentalen Titelkämpfe gibt das 36:29 (19:12) gegen Island nur bedingt.

Bundestrainer muss vier Akteure aus EM-Kader streichen

Wie sind nun also die Start-Sieben gegen Island und spätere Auswechslungen des Bundestrainers zu interpretieren? Zehn Minuten lang hat Deutschland in der Abwehr keinen Zugriff. Aron Palmarsson und Co. treffen nach Belieben. Dann ersetzt der Kieler Patrick Wiencek im Innenblock Hendrik Pekeler. Noch greifen die Zahnrädchen allerdings nicht, weil die 6:0-Formation unter Neu-Bundestrainer Christian Prokop immer wieder weit auf neun Meter raus-, die Abwehrspieler mit ihren Gegnern mitgehen. Da klaffen auf Halb Lücken - nicht gut. Im Angriff fängt der zuletzt angeschlagene Philipp Weber in der Mitte mit Julius Kühn (6 Tore) und dem Kieler Steffen Weinhold an. Weinhold zeigt Licht und Schatten, muss in der 42. Minute nach einer ungestümen Aktion gegen Olafur Gudmundsson mit einer Roten Karte auf die Tribüne.

Deutschland steigert sich defensiv, agiert ab der 15. Minute aggressiver, kommt auch ins Tempospiel, weil zuerst Andreas Wolff und nach der Pause Silvio Heinevetter gut halten. Das Rennen um die EM-Tickets spült plötzlich mit dem Last-Minute-Nachrücker und Debütanten Maximilian Janke den Überraschungsspieler des Tages hervor. Der Leipziger sorgt vorne für Tempo, taucht hinten überraschend im Innenblock auf, hinterlässt vielleicht den bleibendsten Eindruck. Prokop lobt: "Er liefert ein starkes Gesamtpaket und hat gute Chancen." Der nicht eingesetzte Mindener Marian Michalczik und Kreisläufer Bastian Roschek sind sichere Streichkandidaten. Doch der Bundestrainer muss vier Spielern den Januar verhageln. Trifft es Linkshänder Fabian Wiede? Oder reist das Team des Deutschen Handballbundes mit nur einem Linksaußen nach Zagreb? "Es bringt mir nichts, mich verrückt zu machen", sagt der Kieler Flügelspieler Rune Dahmke.

Zebra Dahmke kommt erst in der 42. Minute für Kapitän Uwe Gensheimer (7/5 Tore) ins Spiel, bekommt kaum Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Deutschland liegt gegen wenig variable Isländer, in deren Reihen nur Aron Palmarsson, Gudjon Valur Sigurdsson und Olafur Andres Gudmundsson EM-Form an den Tag legen, längst mit 25:18 vorn. Jetzt dürfen auch noch die Berliner Wiede und Paul Drux glänzen. Was bleibt, ist Tempo, offensive Variabilität. Die Nationalmannschaft ist in guter EM-Form, und Bundestrainer Christian Prokop steht eine "wirklich eklige Entscheidung" (Andreas Wolff) bevor. Der 39-jährige Chefcoach sieht das anders. "Es ist falsch, sich jetzt nur auf die vier Spieler zu konzentrieren, die ich streichen muss. Ich habe heute eine Mannschaft gesehen und habe im Laufe der EM bis zu sechs Wechseloptionen. Alle kommen für die EM infrage." Die Entscheidung in diesem EM-Casting fällt am Sonntag nach der Generalprobe, einem weiteren Testspiel gegen Island in Neu-Ulm (14 Uhr im Livestream bei sportdeutschland.tv).

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 06.01.2017, Foto: Sascha Klahn)

Stimmen zum Sieg gegen Island

Christian Prokop, Bundestrainer, in den KN: Ein sehr guter Test nach anfänglichen Problemen in der Abwehr. Gefallen hat mir, dass wir 60 Minuten lang konstant und variabel abgeschlossen haben. Das wird für die EM wichtig sein. Alle haben sich in den Dienst der Mannschaft gestellt, ich habe keine Egoismen gesehen. Es gab bei verschiedenen Aufstellungen keinen Leistungsabfall. Das macht es für mich nicht leichter.

Geir Sveinsson, Nationaltrainer Island, in den KN: Ein verdienter Sieg für Deutschland. Wir haben unseren Angriff nie im Griff gehabt und waren während des gesamten Spiels schlecht in der Abwehr. Eigentlich war ich nur mit den ersten 15 bis 20 Minuten zufrieden. Das müssen wir im zweiten Testspiel am Sonntag auf jeden Fall besser machen und werden darum jetzt diskutieren und trainieren.

Patrick Wiencek, THW-Kreisläufer, in den KN: Wir können uns ganz bestimmt noch steigern, haben aber trotzdem souverän gewonnen. In der 6:0-Deckung, die wir anders als unter Dagur Sigurdsson spielen, fehlt es noch an der nötigen Abstimmung. Das ist eine der größten Baustellen. Über das Rätselraten, welche vier Spieler gestrichen werden, mache ich mir keine Gedanken. Jeder will dabei sein.

Tobias Reichmann, Rechtsaußen, in den KN: Wir haben viel Positives gezeigt, aber jeder hat auch Fehler gemacht. Im Hinterkopf schwingt das Zittern um die Plätze schon mit. Dass ich heute in der Start-Sieben stand, ist hoffentlich ein Signal, dass ich dabei bin. Aber das entscheidet der Trainer. Es hatte mich gewurmt, dass ich im Oktober nicht nominiert wurde, aber danach haben meine Leistungen gestimmt.

Hendrik Pekeler, Kreisläufer und Zebra in spe, in den KN: Christian will keine Egoshooter, und als solche sind wir heute auch nicht aufgetreten. Jeder macht es dem Trainer so schwer wie möglich. Und ich bin ganz ehrlich froh, dass wir beispielsweise mit Max Janke jetzt noch eine Alternative mehr haben, auch für den Innenblock. Da denke ich eher uneigennützig. Jeder hat heute seine Chance bekommen.