KN: Neue Eintracht bei den Bad Boys

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KN: Neue Eintracht bei den Bad Boys

Leipzig. Nach einem ausgelassenen Abend in der Leipziger Altstadt setzte sich der Tross des Deutschen Handballbundes (DHB) am Donnerstag in Richtung Dortmund in Bewegung. Dort steht am Sonnabend (14.30 Uhr/ARD) ein weiterer Test der Nationalmannschaft gegen Serbien auf dem Programm. Das 26:19 gegen den schwachen EM-Teilnehmer am Mittwochabend war für die Bad Boys ein gelungener Neustart nach verkorkster Europameisterschaft und den Querelen um Bundestrainer Christian Prokop. Ein Abend, der sich wie die Nachwehen einer schlimmen Ehekrise anfühlte.

Bundestrainer Prokop geht auf die Spieler zu

Denn natürlich waren alle Augen auf den 39-jährigen Chefcoach gerichtet, der an seinem Wohnort und alter Wirkungsstätte - die Partie in der Arena Leipzig war Teil der Ablösevereinbarung zwischen DHB und SC DHfK Leipzig - an der Seitenlinie gelassener auftrat. Weniger Hektik, weniger Taktiktafel, mehr direkte Kommunikation mit den Spielern. Prokop zeigte sich lernfähig. Als eine "Quintessenz der Analyse" (DHB-Sportvorstand Axel Kromer) wurde zudem die Entscheidung präsentiert, Teammanager Oliver Roggisch künftig mit auf die Bank zu setzen, um Prokop in der Kommunikation mit Kampfgericht und Schiedsrichtern zu unterstützen. Der Ex-Nationalspieler wird den Platz von Mannschaftsarzt Prof. Dr. Kurt Steuer einnehmen, der dann auf die Tribüne hinter der Bank weichen muss. "Ich möchte Olli Roggisch mit seinem großen Know-how gern nah am Team haben", sagte Prokop. THW-Linkshänder Steffen Weinhold ergänzte: "Olli ist für die Stimmung da und um junge Spieler zu motivieren. Er hat ein internationales Standing, das wirkt bei Schiedsrichtern und Kampfgericht."

Nach dem wenig glanzvollen, in letzter Konsequenz aber souveränen Sieg gegen Serbien waren alle Seiten bemüht, die neue Eintracht im Kreis der Bad Boys zu betonen. Prokop, der sich während des EM-Fiaskos einerseits gegen einen Linkshänder als Spielmacher gewehrt und andererseits auf einer offensiven Ausrichtung der 6:0-Deckung beharrt hatte, begann die Partie mit dem Berliner etatmäßigen Halbrechten Fabian Wiede in der Mitte ("Mit seinem Tempo und seiner Qualität im Entscheidungsverhalten ist er eine wichtige Alternative für die Rückraum-Mitte") und bewies offenbar neue Empathie gegenüber seinen Defensivstrategen. "Wir haben die Abwehr wieder etwas Richtung altes System umgestellt, spielen in der 6:0 etwas defensiver, konzentrieren uns auf das Torwart-Spiel. So fühlen wir uns einfach wohler", sagte Melsungens Rückraum-Shooter Julius Kühn.

Auf dessen 25. Geburtstag am 1. April wollte das Team am Mittwochabend in Leipzig noch nachträglich anstoßen, sich im Schatten des Barfußgässchens "ein bisschen amüsieren" (Kühn) und tat das mit einem sichtbar guten Gefühl. "Ich denke jetzt nicht mehr zurück, sondern nach vorne. So ein Großereignis wie eine WM im eigenen Land erlebt man in einem Sportlerleben vielleicht nur einmal oder gar nicht. Darum wollen wir schnell alles vergessen, darum hat heute keiner gegen Christian gearbeitet", sagte Zebra Patrick Wiencek, der sich mit einer bärenstarken Leistung als unangefochtener und unverzichtbarer Abwehrchef im Hinblick auf die Heim-Weltmeisterschaft im Januar 2019 präsentiert hatte. Auch Kiels Steffen Weinhold ("Die EM ist Vergangenheit") unterstrich das Gefühl des "Neustarts". 

Taktische Feinheiten werden erst im zweiten Teil des Lehrgangs mit Blick auf den zweiten Serbien-Test im Mittelpunkt stehen. "Entscheidend im ersten Spiel waren eher Einsatz, Laufbereitschaft und Zusammenhalt. Alle Spieler sind unglaublich fokussiert auf das Ziel Heim-WM", sagte Prokop. Am Nachmittag vor dem Spiel hatten DHB-Führung und Bundestrainer sowie Bundesliga-Trainer und -Manager in einem Leipziger Hotel einen demonstrativen Schulterschluss geübt, nachdem es nach dem EM-Aus zu herber Kritik aus Richtung der Bundesliga-Vereine an Christian Prokop gekommen war. "Es war ein nettes, konstruktives und kollegiales Gespräch", sagte Axel Kromer. "Erfolge der Nationalmannschaft tun auch den Vereinen gut."

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 06.04.2018, Foto: Sascha Klahn)

Statistik: Deutschland - Serbien: 26:19 (12:7)

Deutschland: Heinevetter (Berlin/16 Paraden), Wolff (Kiel) - Gensheimer (Paris/3/2), Wiencek (THW/4), Wiede (Berlin/2), Weinhold (THW/2), Weber (Leipzig/2), Schmidt (Berlin/1), Michalczik (Minden/1), Groetzki (Rhein-Neckar Löwen), Häfner (Hannover/1), Hornke (Lemgo/1), Kühn (Melsungen/3), Musche (Magdeburg/2), Pieczkowski (Leipzig/1), Kohlbacher (Wetzlar/3)
Serbien: Cupara (8 Paraden), Verkic, Ivanisevic (4 Paraden) - Sotic, Vujic, Dukic 2/1, Pesic 2, Radivojevic 3/2, Jevtic, Ilic 3, Krsmancic 1, Vojvodic, Jovanovic, Zelenovic 5, D. Nenadic 2, Madar, Orbovic, Sretenovic 1, Pusica, Ivanisevic.

Schiedsrichter: Horacek / Novotny (Tschechien)
Zeitstrafen: Deutschland: 2 (Kühn, Michalczik)
Siebenmeter: Deutschland: 2/2 / Serbien: 4/3 (Heinevetter pariert Dukic)
Zuschauer: 5723 in der Arena Leipzig