Spielbericht zum Pokal-Achtelfinale in Hannover
0:8-Fehlstart der Zebras
Rune Dahmke erzielte nach seiner Einwechslung fünf TrefferTHW-Trainer Alfred Gislason hatte Emil Frend Öfors auf Linksaußen den Vorzug vor dem angeschlagenen Rune Dahmke gegeben, im Rückraum vertraute er zunächst auf Miha Zarabec, Steffen Weinhold und Christian Dissinger. Nach acht Minuten war diese Formation allerdings passé: Gislason hatte fassungslos den grünen Karton auf den Kampfrichtertisch gelegt, wechselte durch: Wolff kam für Landin, Weinhold ging auf die Mitte, Christian Zeitz wurde auf halbrechts gebracht, und Dahmke ersetzte wenig später Frend Öfors auf der Außenposition. Zudem wurde die Abwehr auf die offensive Variante umgestellt. Grund für diese Radikalkur war eine unglaubliche Anfangsphase, die auch mit der Auszeit noch nicht beendet war: Die "Zebras" fanden überhaupt keinen Zugriff, liefen von Beginn an nur hinterher, fingen sich Gegenstoß um Gegenstoß. Nach elf Minuten leuchtete ein 8:0 für die Gastgeber auf dem Videowürfel, ehe Niclas Ekberg per Siebenmeter das erste THW-Tor des Abends gelang. Bis zum ersten Feldtor dauerte es dann auch nicht mehr lang: In der 13. Minute netzte Dahmke, der lange Zeit eine hundertprozentige Quote aufwies, zum 2:9 ein. Es sollte der Auftakt einer Aufholjagd sein, die beeindruckte.
"Nur" drei Tore Rückstand zur Pause
Christian Zeitz erzielte vier Treffer in 22 Minuten
Auf einmal schienen die Kieler wie ausgewechselt: Die Abwehr, die zuvor beim Gegenstoß-Gewitter der "Recken" kaum Möglichkeiten zum Eingreifen hatte, störte jetzt effektiv das Aufbauspiel der TSV. Zudem sorgte Wolff mit einigen gehaltenen Bällen für Sicherheit. Und im Angriff wirbelte Christian Zeitz die gegnerische Defensive durcheinander, traf zum 3:9 in den Winkel,. setzte einen spektakulären Dreher zum 5:9 und ließ gleich noch das 6:9 folgen. Nach 18 Minuten waren die Zebras wieder an die Gastgeber herangerobbt, und tauchten nach und nach aus dem Tief der Anfangsphase auf. Noch einmal zog die TSV auf fünf Tore weg, bis zur Pause hatten die Schwarz-Weißen aber von diesem Vorsprung wieder zwei Treffer "weggeknabbert": Nikola Bilyk traf von halbrechts und Steffen Weinhold mit Wucht von halblinks - zwei "seitenverkehrte" Tore, denen der THW bis zum Pausenpfiff aber keinen weiteren folgen lassen konnte - auch, weil Vujin und Ekberg mit zwei Strafwürfen an Ziemer scheiterten. Deshalb ging es mit einem 10:13 in die Kabine.
THW geht in Führung
Kämpften sich ins Spiel: Rene Toft Hansen und die Zebras
In die zweite Hälfte starteten die "Zebras" mit Schwung: Ekberg traf zum 11:13, und Andi Wolff wurde zum Faktor. Allerdings hatten die Schwarz-Weißen zu kämpfen: Zeitz blieb mit schmerzverzerrtem Gesicht und schmerzendem Rücken liegen, konnte danach nur noch sporadisch eingesetzt werden. Olsen räumte Dahmke ab, der fortan mit schmerzendem Kiefer auflief. Trotzdem schien sich die Waage in Richtung des Titelverteidigers zu neigen: Nilsson jagte den Ball zum 12:13 in den Winkel, und als Wolff den frei vor ihm auftauchenden Johannsen im direkten Duell besiegte, schaffte Bilyk mit einer Energieleistung den ersten Ausgleich - in Unterzahl war der THW wieder da. Satte acht Minuten dauerte es, bis die Gastgeber in Durchgang zwei wieder jubeln konnten: Ihr überragender Außen Casper U. Mortensen erzielte die erneute Führung für die Niedersachen. Doch der THW schlug zurück, traf jetzt auch im Angriff die richtigen Entscheidungen: Dahmke glich aus, und Nilsson fackelte den Ball zur ersten Zebra-Führung der Partie ins Netz. TSV-Coach Ortega reagierte mit einem Torwarttausch von Ziemer zu Malte Semisch.
Richtiger Pokalfight
Steffen Weinhold erzielte als Regisseur einen Treffer
Zunächst blieb das ohne Wirkung, weil der THW eine Überzahl clever und mit schönen Treffern durch Vujin und Dahmke, nach famosem Nilsson-Anspiel, zu nutzen wusste: Beim 17:15 (45.) schien der Titelverteidiger auf einem guten Weg, agierte souverän, machte wenig Fehler. Mit Glück erzielte Olsen den Anschlusstreffer, und der schien neue Kräfte freizusetzen. Rahmel scheiterte bei angedrohtem Zeitspiel aus dem Rückraum am Block, was Patrail auf der Gegenseite zum Ausgleich zu nutzen wusste. Nun war es ein richtiger Pokalfight, in dem Brozovic freistehend an Wolff scheiterte, auf der Gegenseite Ekbergs den mustergültigenv Zarabec-Pass mit einem Monster-Dreher zum 18:17 veredelte, Nilsson und Zarabec den THW vorne hielten. Bis Semisch zum Faktor wurde: Der TSV-Torhüter hielt einen Zeitz-Wurf fest, Patrail erzielte das 21:20 für die Gastgeber.
Bitteres Aus
Noch einmal konterten die "Zebras" durch einen Ekberg-Doppelschlag vom Siebenmeterstrich und Kreis (55.), doch dann wurde es bitter: Mortensen netzte zum 22:22 ein, Semisch wehrte Dahmkes Wurf mit der Hüfte ab, hielt danach auch noch einen Nilsson-Wurf. Mortensens Siebenmeter zum 23:22 knapp drei Minuten vor dem Ende riss die Fans von den Sitzen, dann vertändelte Nilsson den Ball. Routiniert ließen die Hannoveraner nun die Sekunden verstreichen, ehe Kai Häfner dem THW 68 Sekunden vor Schluss den finalen Stoß versetzte. Als Ekbergs Dreher nach Zeitz-Steal am Pfosten landete, war auch die letzte Hoffnung auf ein Wunder in den Schluss-Sekunden erloschen. Sechs Monate nach dem Triumph von Hamburg hatten sich die "Zebras" aus dem Wettbewerb verabschiedet, während Hannover den ersten Heimsieg gegen den THW frenetisch feierte.
Fotos: Angela Grewe
Statistik: DHB-Pokal, Achtelfinale, 18.10.2017: TSV Hannover-Burgdorf - THW Kiel: 24:22 (13:10)
TSV Hannover-Burgdorf: Ziemer (1.-38., 1 Siebenmeter, 10/2 Paraden), Semisch (38.-60., Paraden); Johannsen (2), Mortensen (10/2), Patrail (1), Pevnov (2), Häfner (4), Böhm (3), Karason, Olsen (2), Brozovic, Diebel, Kalafut, Christophersen, Kastening, Büchner; Trainer: Ortega
THW Kiel: Landin (1.-8., 2 Paraden), Wolff (8.-56., 10 Paraden); Firnhaber (n.e.), Toft Hansen, Weinhold (1), Dissinger, Wiencek, Ekberg (5/2), Zeitz (4), Frend Öfors, Rahmel, Dahmke (5), Zarabec (1), Vujin (1), Bilyk (2), Nilsson (3); Trainer: Gislason
Schiedsrichter: Christoph Immel/Ronald Klein
Strafzeiten: TSV: 2 (Häfner (29.), Mortensen (43.))/ THW: 1 (Ekberg (37.))
Siebenmeter: TSV: 2/2 / THW: 4/2 (Ziemer hält Ekberg (22.) und Vujin (29.))
Spielfilm: 8:0 (11.), 8:1 (12.), 9:1, 9:6 (18.), 11:6 (20.), 12:7 (24.), 12:10 (28.), 13:10;
13:11, 13:13 (38.), 14:13, 14:15 (41.), 15:15, 15:17, 17:17 (47.), 19:20, 21:20 (54.), 21:22 (55.), 23:22 (58.), 24:22 (59.).
Zuschauer: 5.607 (TUI-Arena, Hannover)
Das Achtelfinale
Die Ergebnisse des Achtelfinals im DHB-Pokal:
TSV Hannover-Burgdorf - THW Kiel: 24:22 (13:10)
TuS Ferndorf - Rhein-Neckar Löwen: 24:28 (13:15)
HG Saarlouis - SC Magdeburg: 28:37 (15:19)
MT Melsungen - SC DHfK Leipzig: 22:27 (12:15)
TBV Lemgo - TVB 1898 Stuttgart: 27:29 n.V. (12:9)
HC Erlangen - Frisch Auf! Göppingen: 27:28 (14:14)
SG Flensburg-Handewitt - Füchse Berlin: 26:29 (14:14)
Bergischer HC - HSG Wetzlar: 27:28 (14:16)
Stimmen zum Spiel
THW-Trainer Alfred Gislason in den KN: Ein eigenartiges Spiel, ein katastrophaler Start, bei dem uns bis zum 0:8 dermaßen dumme Fehler im Angriff unterlaufen. Danach spielt unsere Abwehr überragend, der Angriff auch viel besser mit Zeitz und Weinhold. Ich bin nicht der Meinung, dass wir nicht verdient gehabt hätten, zu gewinnen. Aber dafür hätten wir klare Chancen aus dem Rückraum nutzen müssen.
TSV-Trainer Carlos Ortega in den KN: Unser Start war fantastisch. Danach habe ich mich ein bisschen schuldig gefühlt, denn nach dem Berlin-Spiel war nicht viel Zeit, und wir haben den Fokus nur auf die Kieler 6:0-Deckung, nicht aber auf die offensive 3:2:1 gelegt. Da bekamen wir große Probleme. Der Schlüssel zum Sieg gegen die THW-Abwehr war darum der siebte Feldspieler. Nur noch ein Schritt zum Final Four.
TSV-Linksaußen Casper U. Mortensen in den KN: Wir haben nach dem 8:0-Vorsprung den Faden verloren und lange gebraucht, um wieder zu unserem Spiel zurückzufinden. Aber wir haben gezeigt, dass wir mental unglaublich stark sind. Ich bin sehr stolz auf diese Mannschaft. Wer hätte gedacht, dass wir den THW in einer Saison zweimal schlagen können. Das ist ein großer Moment für den Verein.
THW-Torwart Andreas Wolff in den KN: Ich bin grenzenlos enttäuscht. Nach dem katastrophalen Start haben wir noch ganz gut gespielt. Wir hatten das Spiel im Griff, doch am Ende sind wir eingebrochen und ausgeschieden. Man muss auch sehen, dass wir am Anfang nicht gerade bevorteilt worden sind. Aber man darf Hannovers Sieg natürlich nicht an den Schiedsrichter-Entscheidungen festmachen.
THW-Geschäftsführer Thorsten Storm in den KN: Wir sind alle gefrustet. Jetzt haben wir zweimal gegen Hannover verloren - dann scheint Hannover vielleicht besser zu sein als wir. Ich war am Anfang wirklich geschockt - in einem "Alles oder nichts"-Spiel fehlte die Fokussierung. Über Kampf und Leidenschaft drehen wir das Ding und geben es wieder aus der Hand. Insgesamt nach der positiven Tendenz ein Rückschritt.