Die unvollendete Saison: 26 Spiele, 22 Kieler Siege und die 21. Meisterschaft
"Die Meisterschaft 2020 ist einmalig, und bleibt hoffentlich auch einmalig", überschrieb THW-Trainer Filip Jicha die Bilanz einer Spielzeit, in der der Rekordmeister sein großes Ziel erreichte, nach 2015 endlich wieder die Meisterschaft an die Kieler Förde zu holen. 26 Spiele lang hatten die Zebras alles für das Erreichen dieses Ziels getan, eine bemerkenswerte Konstanz an den Tag gelegt, sich in einem vollgepackten Terminkalender mit großem Willen und ohne Priosierung der Wettbewerbe beeindruckend zurückgemeldet im Kampf um die Titel. Nach dem 27:21-Erfolg gegen die Rhein-Neckar Löwen - einem Spiel, in dem die Zebras noch einmal alles zeigten, was sie in dieser Spielzeit so stark machte - Anfang März dann die Zäsur, wie sie der Sport noch nie erlebt hat. Jicha: "Wir wurden nach 26 Spieltagen gestoppt, weil die ganze Welt eingebremst wurde." 49 Pflichtspiele hatten die Kieler bis zu diesem Zeitpunkt bereits absolviert - 22 Siege in 26 Bundesliga-Begegnungen bedeudeten nach dem Abbruch am 21. April die 21. Meisterschaft: ein Rückblick auf eine starke Saison des THW Kiel in der stärksten Liga der Welt.
September: Auswärts-Niederlage und Derby-Sieg
Niklas Landin war der Rückhalt im Derby
Gegen den Altmeister Frisch Auf! Göppingen starten die Kieler mit einem heiß umkämpften Match in die Saison. Heiß auch, weil die Sparkassen-Arena an diesem August-Nachmittag der größten Sauna Norddeutschlands gleicht - am Ende gewinnt der THW Kiel nach einer deutlich besseren zweiten Hälfte 31:24 (15:14, siehe Spielbericht) und verabschiedet sich erst einmal zur Vereinsweltmeisterschaft. Acht Tage,11.0000 Flug-Kilometer, vier Spiele und eine Silbermedaille später treffen die Zebras im zweiten Ligaspiel auf die Eulen Ludwigshafen. Mit müden Beinen und Köpfen und der grandiosen Unterstützung von 10285 Fans erkämpfen sich die Kieler gegen starke Eulen, die 18 Minuten vor dem Ende noch in Kiel führen, einen 30:27 (15:14, siehe Spielbericht)-Sieg. Wiederum nur drei Tage später kassiert der THW Kiel nach einem packenden Top-Spiel die ersten von insgesamt nur vier Niederlagen auf dem Weg zum 21. Titel: In Magdeburg (Spielbericht) heißt es am Ende 31:32 (19:18) - drei dunkle Minuten und ein 0:5-Lauf verhindern einen Kieler Punktgewinn. Vor dem Derby gegen die SG Flensburg-Handewitt ist also ordentlich Druck auf dem Kessel - und die Zebras halten diesem Stand, spielen den Gegner in der ersten Halbzeit phasenweise an die Wand. Mit 28:24 (18:13, Spielbericht) wird der Titelverteidiger bezwungen - ein erstes Ausrufezeichen in der noch neuen Saison. Dem folgt wenig später der erste Auswärtssieg der Spielzeit: Gerade einmal einen Monat ist die Saison da alt, und die Zebras bestreiten bereits ihr 13. (!) Pflichtspiel - beim Bergischen HC führt Kapitän Domagoj Duvnjak seine Mannschaft nach ausgeglichener erster Hälfte zum 34:29-Sieg (Spielbericht).
Oktober: Drei Wettbewerbe und ein Kantersieg
Der Sieg gegen Melsungen war ein Ausrufezeichen
Bis zum nächsten Spiel in der LIQUI MOLY HBL vergehen 17 Tage, in denen der THW Kiel in Veszprem (37:31) und gegen Brest (31:23) europäisch unterwegs ist und in Wetzlar das dramatische Pokal-Achtelfinale in letzter Sekunde mit 26:25 gewinnt. Zurück in der Liga siegt der Rekordmeister souverän beim TBV Lemgo Lippe (30:27) und gegen die HSG Nordhorn-Lingen (31:23). Im Spiel gegen den Aufsteiger kommt es zu einer Kuriosität: Der angeschlagene THW-Toptorschütze Niclas Ekberg wird nur für Siebenmeter eingewechselt und ist trotzdem mit sieben Treffern erfolgreichster Torschütze der Zebras. Im fünften von sechs Spielen innerhalb von 17 Tagen stürmen die Kieler mit einem ungefährdeten 30:26 (Spielbericht) auch in der Liga die Arena der HSG Wetzlar. Der THW Kiel ist erstmals nach Minuspunkten Tabellenführer, steht aufgrund einiger ausstehenden Nachholspiele allerdings noch nicht offiziell an der Spitze. Zum Abschluss des Oktobers, in dem die Zebras erstmals in allen drei Wettbewerben unterwegs waren, deklassiert der Rekordmeister die MT Melsungen in eigener Halle mit 38:26. Aus einer überragenden Mannschaft, die nach einer umstrittenen roten Karte 55 Minuten ohne Kapitän Duvnjak auskommen muss, ragt ein Spieler heraus: Torhüter Niklas Landin zieht den Hessen mit 18 Paraden den Zahn (siehe Spielbericht).
November: Ärgerlichste Niederlage und ein Wahnsinns-Heimsieg
Klarer Erfolg gegen Hannover: Hendrik Pekeler
Die ärgerlichste Saison-Niederlage kassieren die Zebras bei den Rhein-Neckar Löwen: Zwischenzeitlich führt der THW mit sieben Toren, dann reißt urplötzlich der spielerische Faden. Nach dem 25:26 muss der Rekordmeister die Punkte in Mannheim belassen (siehe Spielbericht), zeigt sich dann aber im Top-Spiel gegen die TSV Hannover-Burgdorf mehr als gut erholt von dem Rückschlag: Die Niedersachsen werden in beeindruckender Manier mit 32:23 aus dem Tollhaus Sparkassen-Arena gefegt (Spielbericht), der THW hat 22-Paraden-Mann Niklas Landin einen starken Rückhalt und mit Hendrik Pekeler (7) und Harald Reinkind (9) ein treffsicheres Duo. Bitter: Wenige Sekunden nach seinem insgesamt 1000. Bundesliga-Tor scheidet Domagoj Duvnjak mit einem Muskelfaserriss aus. Ohne den Kapitän, dafür mit den zuvor angeschlagenen Nikola Bilyk und Niclas Ekberg (beide je sieben Tore) wird das Heimspiel gegen Leipzig zur Nervenprobe: Am Ende jubelt Kiel über einen dramatischen und hart erkämpften 27:26-Erfolg. Der nächste Härtetest ist das Auswärtsspiel beim HC Erlangen - den bestehen die Zebras bravourös und beschließen den Bundesliga-November mit einem 31:27.
Dezember: Müde Zebras mit Black-out & Comeback
Wichtiger Erfolg: In Göppingen drehen die Zebras das Spiel
Der Dezember wird für Patrick Wiencek & Co zum neuerlichen Kraftakt: Die Pflichtspiele Nummer 31 bis 39 fordern den Zebras, die zum "Advents-Auftakt" in Stuttgart ein denkwürdiges Pokalspiel mit einer zwischenzeitlichen Hallenevakuierung gewinnen (siehe Bericht), alles ab. Die Müdigkeit ist ihnen beim 29:27 gegen Minden anzumerken, doch mit diesen zwei Punkten rückt der THW Kiel erstmals seit zwei Jahren wieder an die Tabellenspitze - ein Platz, den die Zebras bis zum erzwungenen Saisonende nicht wieder hergeben sollten. Daran änderte auch die insgesamt dritte Ein-Tor-Niederlage in der LIQUI MOLY HBL bei den Füchsen Berlin nichts (Spielbericht), weil der THW Kiel sich in Stuttgart schadlos hält (29:21-Sieg) und gegen HBW Balingen-Weilstetten ein Offensiv-Feuerwerk zündet (36:26). Was folgt, ist der komplette Black-out: Im Heimspiel gegen den HSG Wetzlar hätten die Zebras, so Geschäftsführer Viktor Szilagyi, "auch noch weitere 60 Minuten spielen können, ohne das Spiel zu drehen". Die Hessen gewinnen in Kiel 27:20, das Weihnachtsfest wird dadurch bei den Kielern alles anderes als besinnlich. Umso stärker kehren die Zebras dann aber zurück: In Göppingen zeigen sie gewiss nicht ihr bestes Spiel, liegen anfangs hoch zurück - und gewinnen trotzdem mit starkem Willen und viel Leidenschaft in meisterlicher Manier noch mit 27:26. Der Jahresausklang ist dann mehr als versönlich: Das 39. Pflichtspiel bringt ein 31:24 gegen Lemgo, der THW Kiel verabschiedet sich als Tabellenführer in die EM-Pause.
Februar/März: THW gewinnt Top-Spiele in Hannover und gegen die Löwen
Mit Spannung wird der Neubeginn nach der Europameisterschaft erwartet: Nur drei gemeinsame Trainingseinheiten bleiben den Kielern, um sich auf das Spitzenspiel beim Tabellenzweiten in Hannover vorzubereiten. Die Partie wird zur Demonstration Kieler Stärke: Mit 32:25 gewinnen die Zebras diese Top-Partie und bauen ihre Tabellenführung aus. Das beflügelt - gegen den HC Erlangen (29:15) und Stuttgart (35:23) sowie beim 32:20 bei HBW Balingen-Weilstetten werden Kantersiege eingefahren, bevor die VELUX EHF Champions League ruft, in der die Kieler den Gruppensieg feiern. In den März starten sie dann mit einem 29:26 bei GWD Minden , bevor die Rhein-Neckar Löwen sich in der Sparkassen-Arena vorstellen. Die Zebras gewinnen dieses Top-Spiel - frenetisch unterstützt von den Rängen - nach einem Zwei-Tore-Rückstand zur Pause noch mit 27:21. "Teilweise waren wir wie im Rausch", bilanziert Filip Jicha nach der Partie. "Das war ein Spitzenspiel mit allem Drum & Dran und einer grandiosen Stimmung." Der THW Kiel führt die Tabelle jetzt mit 44:8 Punkten an. 26 Partien sind absolviert, 22 Siege hat der THW Kiel in der LIQUI MOLY HBL eingefahren. Sein Vorpsrung auf den verfolger ist auf vier Minuspunkte angewachsen, und auch in der Tordifferenz haben die Zebras ein Plus von 47 auf den Zweiten - wohlgemerkt mit einem Spiel weniger. Die Mitbewerber in der Liga sind von der Konstanz, dem Einsatz und großen Willen der Zebras beeindruckt, die mit großen Schritten, einem riesigen Selbstbewusstsein ob der starken Leistungen seit August ihrem 21. Titel entgegeneilen. Nach der Pressekonferenz macht die Nachricht die Runde, dass aufgrund des Coronavirus' alb sofort alle Großveranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern verboten sind ...