THW Kiel verliert Spitzenspiel bei den Löwen
Nach sechs Siegen in Folge hat es den THW Kiel in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga wieder erwischt: Die Zebras verloren am Donnerstagabend bei den Rhein-Neckar Löwen mit 25:26 (13:10). In einem echten Spitzenspiel hatten die Kieler nach 20 Minuten angesichts einer 13:6-Führung alle Trümpfe in ihrer Hand, verloren dann aber vollkommen den Faden. Nach dem zwischenzeitlichen Drei-Tore-Vorsprung der Gastgeber kämpfte sich die Schwarz-Weißen zurück in die Partie, führten ihrerseits wieder mit drei Treffern, um am Ende doch mit leeren Händen dazustehen. Der starke Mannheimer Torhüter Mikael Appelgren hielt den entscheidenden Wurf von Kapitän Domagoj Duvnjak, der mit sieben Treffern bester Kieler Torschütze war. Ein bitterer Abend war es auch angesichts der schweren Schulterverletzung, die sich THW-Youngster Gisli Thorgeir Kristjansson zuzog.
Zebras übernehmen schnell das Zepter
Kompromisslos eröffneten die Zebras die Partie
13200 Fans sorgten in der SAP-Arena für eine echte Spitzenspiel-Stimmung. Die Partie dann allerdings schleppend Fahrt auf. Die Zebras, bei denen Duvnjak und Miha Zarabec im Rückraum neben dem einzigen Linskhänder Harald Reinkind spielten, legten vor, ehe nach Gensheimers 2:2 auf beiden Seiten Hektik Einzug hielt. Der THW war es, der den Faden zuerst wiederfand: Der starke Niklas Landin hielt gegen Schmid, Duvnjak bediente Magnus Landin: 3:2. Landin parierte wieder gegen Schmid, Zarabec zündeten eine beeindruckende Rakete: 4:2. Nach Groetzkis Heber zum Anschluss regierte nur noch Schwarz-Weiß die blau-gelbe Party: Reinkind zum 5:3, Hendrik Pekelers Monsterblock gegen Mensah und Ekbergs Gegenstoß zum 6:3, Reinkinds Wackler zum 7:3, Landins glückliche Parade gegen Petersson und Pekelers fantastischer "Bauerntrick" zum 8:3 und Duvnjaks Kracher zum 9:3: Sechs Minuten lang spielten die Kieler wie im Rausch.
Kompletter Fadenriss
Die Löwen reagierten, setzten auf den siebten Feldspieler. So fanden sie zumindest einige Lücken im bis dato kaum zu bezwingenden Abwehrverband - an der Kieler Dominanz änderte sich aber wenig, da der THW immer wieder schnelle Antworten parat hatte. So spitzelte Patrick Wiencek im Zurücklaufen den Ball aus Peterssons Händen, was Duvnjak mit dem 12:6 belohnte. Landin hielt Lagardes Wurf fest, und der inzwischen eingewechselte Lukas Nilsson traf zum 13:6. Nach 20 Minuten nahmen die Löwen ihre zweite Auszeit, brachten Mikael Appelgren für Andreas Palicka. Beides sollte den Zebras nicht gut tun. Urplötzlich riss bei ihnen der Faden komplett. Sie leisteten sich Technische Fehler, scheiterten mit unvorbereiten Würfen am Mannheimer Block oder auch zweimal an Appelgren. Tor um Tor holten die Löwen auf, ließen dabei sogar noch einige Chancen ungenutzt, netzten aber sogar in Unterzahl zweimal ein. Den Kielern gelang bis zum Pausenpfiff zehn Minuten lang kein Tor, die einst so komfortable Führung schmolz auf ein 13:10 zusammen.
12:2-Serie der Löwen
Beide Teams schenkten sich nichts
Die Begegnung war wieder vollkommen offen, auch wenn sich die Waagschale längst in Richtung der Löwen geneigt hatte. Wiencek beendete zwar in der 33. Minute die insgesamt 13 minütige Torflaute, aber der THW Kiel tat sich weiterhin schwer - zumal Appelgren sich steigerte. Die Zebras versuchten es mit dem siebten Feldspieler, machten einen Fehler, kassierten das 15:15 durch Andy Schmid. Ein weiterer Fehler im Angriff bedeutete die erste Löwen-Führung, die nach einem schnellen, erneuten Ballverlust der Zebras und einem unglaublichen Schlagwurf von Schmid sowie einem Fehlpass und dem erneuten Schmid-Hammer auf 18:15 anwuchs (39.). Der 12:2-Lauf der Gastgeber sorgte für Stimmung unter dem Hallendach, und die Schwarz-Weißen waren nun ihrerseits in Zugzwang.
THW stoppt Negativlauf
Hendrik Pekeler führte die Zebras wieder heran
Doch die Zebras schlugen zurück. In Form von Hendrik Pekeler, der einen eigenen Steal zum 16:18 verwertete. Und in Form von Gisli Thorgeir Kristjansson. Der THW-Youngster fand direkt nach seiner Einwechslung erneut Pekeler am Kreis, der Negativlauf war gestoppt. Selbst in Unterzahl punktete jetzt nur der THW: Pekeler verwandelte einen Abpraller zum 18:19, klaute hinten den Ball und schickte Duvnjak zum Ausgleich auf die Reise. Es wurde dramatisch, es wurde packend, rasant. Und leider fehlte den Kielern ein wenig das Glück, als Wienceks regulärer Treffer nicht anerkannt wurde, Gensheimer auf der Gegenseite zum 21:20 traf. Doch auch davon ließen sich die Zebras nicht beirren, gingen durch Ekbergs verwandelten Siebenmeter und Pekelers Gegenstoß beim 22:21 wieder in Führung. Neun Minuten waren da noch zu spielen.
Gisli Kristjansson verletzt sich schwer
Dann der Schock: Gisli Kristjansson stieg hoch, passte auf Magnus Landin und kam unglücklich auf der linken Schulter auf. Landin traf zum 23:22, aber Kristjansson blieb liegen. Sofort war jedem in der Arena klar, dass sich der THW-Youngster bei dieser Aktion schwerer verletzt haben musste. THW-Physio Maik Bolte und der Mannheimer Mannschaftsarzt eilten hinzu, nach minutenlanger Behandlung wurde Kristjansson aus der Halle begleitet - offensichtlich mit furchtbaren Schmerzen. Der 20 Jahre alte Isländer, nach einer Operation an der rechten Schulter auf dem Weg zurück, hatte sich bei der Aktion die linke Schulter ausgekugelt, wurde zur weiteren Behandlung nach dem Spiel erst in ein Mannheimer Krankenhaus und dann auf direktem Weg nach Kiel gebracht.
Ein Spiel wie ein Schleudergang
Mikael Appelgren entschärfte den finalen Wurf
Die ersten, die danach wieder ihren Rhythmus fanden, waren die Zebras. Allen voran Duvnjak: Er wackelte sich zum 24:22 durch die Abwehr, schnappte sich nach Zarabec' geblocktem Wurf und drohendem Zeitspiel in Unterzahl den Ball und jagte diesen viereinhalb Minuten vor dem Ende zum 25:22 ins Netz. Doch dieses Spiel sollte alle Fans der Schwarz-Weißen noch einmal in den Schleudergang schicken: Groetzki traf noch in Überzahl, Appelgren hielt einen freien Ekberg-Wurf, Kohlbacher traf zum 24:25 (58.). Dann leistete sich der THW einen Schrittfehler, und Schmid glich aus. 78 Sekunden vor dem Ende war wieder alles offen - ausgerechnet der überragende Duvnjak sollte letztlich mit den beiden entscheidenden Würfen an Appelgren scheitern, zwischendurch hatte Gensheimer mit einem strittigen Siebenmeter das 26:25 erzielt. Abpfiff. Tiefe Enttäuschung bei den Zebras über eine vermeidbare Niederlage. Aber der THW Kiel hatte am Ende genau einen Fehler zuviel gemacht - und dadurch in einem denkwürdigen Spiel zum zweiten Mal in dieser Bundesliga-Saison verloren.
Sonntag zu Hause gegen Porto
Für die Zebras geht es jetzt am Sonntag in der VELUX EHF Champions League um zwei ganz wichtige Zähler: Zu Gast in der Sparkassen-Arena wird dann der FC Porto Sofarma sein, der im Mai bei den AKQUINET EHF Cup Finals Platz drei holte und bisher in der Königsklasse für Furore gesorgt hat: Unter anderem besiegten die Portugiesen PGE Vive Kielce, zuletzt holten sie gegen Montpellier HB ein unentschieden. "Wir freuen uns, endlich wieder ein Heimspiel zu haben", sagt THW-Kapitän Domagoj Duvnjak. "Unsere Fans im Rücken zu haben, ist etwas Besonderes. Sie können uns nach dieser ärgerlichen Niederlage und bei unserem Hammer-Programm richtig helfen!" Für die Begegnung, die um 19 Uhr angepfiffen wird, gibt es noch Karten ab 14,50 Euro an allen Vorverkaufsstellen, in der THW-FANWELT, bei CITTI, am Ticketcenter der Arena, bei famila mit Eintrittskarten-Service und online unter www.thw-handball.de/tickets. Die THW-FANWELT mit Abendkasse öffnet am Sonntag um 16 Uhr. Weiter geht's in der VELUX EHF Champions League, Kiel!
Fotos: AS Sportfoto/ Binder
LIQUI MOLY HBL, 12. Spieltag, 07.11.2019: Rhein-Neckar Löwen - THW Kiel: 26:25 (10:13)
Rhein-Neckar Löwen: Palicka (1.-21., 2 Paraden), Appelgren (21.-60., 13 Paraden); Schmid (5), Gensheimer (8/5), Kirkeløkke (3), Lagarde, Tollbring, Abutovic, Mensah, Fäth, Groetzki (3), Guardiola, Petersson (1), Nielsen (2), Ganz, Kohlbacher (4); Trainer: Andresson
THW Kiel: N. Landin (1.-40., 8 Paraden), Quenstedt (41.-60., 3 Paraden); Duvnjak (7), Reinkind (4), M. Landin (2), Kristjánsson, Wiencek (1), Ekberg (4/2), Rahmel (n.e.), Dahmke, Zarabec (1), Horak, Bilyk, Pekeler (5), Nilsson (1); Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies
Strafzeiten: Löwen: 4 (2x Petersson (7., 13.), Nielsen (26.), Kirkelökke (29.)) / THW: 3 (Landin (43.), 2x Reinkind (55., 59.))
Siebenmeter: Löwen: 4/4 / THW: 2/2
Spielfilm: 0:1 (2.), 2:2 (4.), 2:4 (9.), 3:4, 3:9 (16.), 4:10, 6:11 (19.), 6:13 (20.), 10:13 (28.);
11:13 (31.), 12:14, 13:15 (34.), 18:15 (39.), 18:17 (42.), 19:17, 19:19 (44.), 21:20 (47.), 21:22 (51.), 22:22, 22:25 (56.), 25:25 (59.), 26:25.
Zuschauer: 13.200 (ausverkauft) (SAP-Arena, Mannheim)
Stimmen zum Spiel:
THW-Kapitän Domagoj Duvnjak: Wir spielen in den ersten 20 Minuten richtig stark, machen dann zwei Technische Fehler, und die Löwen waren sofort da. Statt mit fünf bis sechs Toren Vorsprung gehen wir dann nur mit einem 13:10 in die Pause... Den entscheidenden Siebenmeter kann man geben. Es war ein ganz, ganz großes Spitzenspiel.
Hendrik Pekeler: Wir hatten das Spiel komplett im Griff, die Löwen hatten keine Antworten parat, was sie gegen uns spielen sollen. In den letzten zehn Minuten der ersten Halbzeit haben wir dann das Handballspielen komplett eingestellt, gehen nicht aufs Tor, machen Technische Fehler, die weh tun. Nach der Pause knüpfen wir dort an, wo wir aufgehört hatten. Die Löwen haben mit wesentlich mehr Tempo gespielt, haben unsere Fehler - anders als in der ersten Hälfte - bestraft. Dann aber führen wir dank Darios Paraden mit drei Toren. Das muss man dann eigentlich runterspielen. Das unsere Serie irgendwann endet, war klar. Aber nicht heute. Ich habe selten ein Spiel dämlicher verloren als heute.
Löwen-Linksaußen Uwe Gensheimer: Das war eine Achterbahnfahrt, die ich in dieser Form selten erlebt habe.
Löwen-Spielmacher Andy Schmid: Nach 20 Minuten sah es so aus, als ob wir aus der Halle geschossen werden. Dann hat uns der THW Kiel zurück ins Spiel geholt. Am Ende haben wir dann verdient gewonnen.
Löwen-Torhüter Mikael Appelgren: Es ist noch eine lange Saison, wir können noch Meister werden. Beim entscheidenden Wurf dachte ich eigentlich, dass er in die kurze Ecke geht. Ich habe dann gottseidank den Arm noch rausbekommen. Man muss auch Glück haben, um so ein Spiel zu gewinnen.