Heimniederlage gegen Wetzlar
Der THW Kiel hat nach zuletzt sechs Siegen in Folge in der DKB Handball-Bundesliga eine bittere Niederlage kassiert: Vor 10285 Fans in der Sparkassen-Arena unterlagen die "Zebras" am Donnerstagabend mit 25:26 (9:12) und konnten dabei nicht an die zuletzt starken Leistungen anknüpfen. Gegen die Mittelhessen, die ihren ersten Sieg überhaupt an der Förde feierten, machten die Kieler wie schon bei der deutlichen Hinspiel-Niederlage zu viele Fehler und liefen die gesamte Spielzeit einem Rückstand hinterher. Beste Torschützen der Partie waren die beiden Wetzlarer Kristian Björnsen und Anton Lindskog mit je sieben Treffern, für den THW Kiel trafen Niclas Ekberg (6/3) und Lukas Nilsson (6) am häufigsten.
THW von Beginn an im Hintertreffen
Sechs Tore: Niclas Ekberg
THW-Trainer Alfred Gislason fehlte Torhüter Niklas Landin, der seiner Frau im Kreißsaal beistand. Christian Zeitz stand nicht im Kader, während Christian Dissinger nach wochenlanger Verletzungs-Pause ein Comeback feierte. Die Partie startete nach der Ehrung der bei der Europameisterschaft erfolgreichen "Zebras" denkbar unglücklich für den THW: Gleich im ersten Angriff ging der Ball verloren, und Kvist traf zur Führung für die HSG, die auch Nilssons Ausgleich konterte. Ekberg scheiterte zunächst mit einem Strafwurf an Buric, ehe Wolff den Schweden nach einer Parade mit einem weiten Pass zum 2:2 auf die Reise schickte. Doch irgendwie steckte der Wurm im Kieler Spiel: Steffen Weinhold traf krachend die Latte, Patrick Wiencek setzte den Abpraller neben das Tor, Fehler an Fehler reihte sich im Aufbauspiel. Zudem knüpfte Buric im HSG-Kasten an seine Form aus dem Hinspiel an. So konnte sich Wetzlar nach Zarabec' 3:4 (8.) absetzen, profitierte dabei auch von seinen extrem langen Angriffzügen, die die THW-Abwehr entnervten. Wenn der Arm der Schiedsrichter - Colin Hartmann und Stefan Schneider waren kurzfristig eingesprungen, weil das ursprünglich angesetzte Gespann Blümel/Loppaschewski für die verhinderten Baumgart/Wild nach Flensburg weiter geleitet wurde - dann passives Spiel androhte, gelang es der HSG meist, doch noch eine Lücke zu finden.
Drei-Tore-Rückstand zur Pause
Sechs Treffer erzielte auch Lukas Nilsson
So setzte es Gegentor um Gegentor für den THW, der elf Minuten lang ohne eigenen Treffer blieb. Als Bilyk in Unterzahl traf, waren die Wetzlarer zuvor mit einem 5:0-Lauf auf 9:3 davongezogen. Doch nun ging ein Ruck durch die Zebraherde: Marko Vujin traf um 5:9, und als Rune Dahmke Patrick Wiencek auf die Konterreise schickte, schloss der Kieler "Sportler des Jahres" den Gegenstoß kompromisslos zum 6:9 ab (22.). Doch es blieb dabei: Gegen Björnsen Würfe von Außen war kein Kraut gewachsen, und die Mittelhessen waren oftmals auch gedanklich eine Spur schneller als die "Zebras". So landete ein Abpraller zwischen zwei Kielern, die HSG sicherte aber den Ball und erhöte durch Linskog wieder auf 11:6. Der THW verpasste durch Ungenauigkeiten den Anschluss, setzte aber nach Björnsens Gegenstoß zum 7:12 noch zu einem Schlussspurt an: Ekberg verkürzte von Außen und von der Strafwurflinie noch vor dem Wechsel auf 9:12.
THW kommt nicht heran
Dreimal erfolgreich: Patrick Wiencek
Die große Aufholjagd endete mit dem Wiederanpfiff zunächst in einem Patt: Immer wenn der THW traf, tat es ihm Wetzlar gleich. Und hatte dabei auch das Glück auf seiner Seite: So fand Lindskogs Kegelwurf mit dem Rücken zum Tor den Weg in die Maschen, nach einem Ballgewinn verloren die Kieler den Ball durch einen technischen Fehler, und wieder war es Lindskog, der die komplette THW-Abwehr hinterlief und zum 16:11 einnetzte. Fünf seiner insgesamt sieben Tore erzielte der Kreisläufer in den zwölf Minuten nach dem Wiederanpfiff auf diese Art - und war damit der Garant, dass Wetzlar die Fünf-Tore-Führung auch in der 42. Minute noch innehatte. Nilsson, Wolffs Parade gegen Ferraz und Zarabec' Eins-gegen-Eins ließen die Schwarz-Weißen und ihre Fans wieder hoffen - 16:19. Doch es gelang dem THW einfach nicht, dichter an die Grün-Weißen heranzurücken. Weil nach den quälend langen HSG-Angriffen der Ball doch immer wieder den Weg ins Netz fand, weil nach Weinholds grandiosem Rückhand-Pass auf Wiencek Ferraz umgehend konterte, weil Ekberg nach dem 19:22 durch ihn beim nächsten Angriff durch den Kreis gelaufen sein soll, weil Weinhold den Ball über das Tor setzte, auf der Gegenseite Mirkulovskis Wurf vom Innenpfosten zum 24:20 für die Gäste in die Maschen sprang, ehe Cavor mit dem 25:20 (54.) eine Vorentscheidung gelang.
Aufholjagd kommt zu spät
Die Zebras aber gaben nicht auf: Mit dem Mute der Verzweiflung versuchten sie, dem bis dato gebrauchten Abend eine Wendung zu geben. Tom Landgraf kam für Wolff in den Kasten, und gegen den jungen Torhüter schien die HSG das Wurfglück zu verlassen: Ball um Ball segelte neben oder über den Kasten, Weinhold traf ins leere Tor zum 22:25, Nilsson legte das 23:25 nach, und als Zarabec 57 Sekunden vor dem Ende das 24:25 gelang, war die Hoffung auf zumindest einen Punktgewinn wieder da. Diese zerstörte Kneer dann 26 Sekunden später mit seinem Wurf ins Wetzlarer Glück, das auch Wienceks 25:26 nicht mehr entscheidend zu stören vermochte. Die HSG spielte die verbliebenen 17 Sekunden gegen die Kieler Manndeckung von der Uhr und feierte anschließend ihren ersten Erfolg der Vereinsgeschichte in Kiel, während die "Zebras" enttäuscht das Feld verließen.
500 Fans begleiten die "Zebras" nach Aalborg
Enttäuscht: THW-Trainer Alfred Gislason
Für den THW Kiel geht es jetzt in der VELUX EHF Champions League weiter: Am Sonntag wollen die "Zebras" bei Aalborg Handbold zwei wichtige Punkte im Rennen um die bestmögliche Platzierung in der Königsklassen-Gruppenphase holen. Doch die Partie (16:50 Uhr, live auf Sky) in der "Gigantium Ice-Arena" wird für die "Zebras" erneut zu einem ganz harten Prüfstein, kämpft doch auch die junge dänische Mannschaft um jeden Zähler für das Weiterkommen - und das mit einigem Erfolg: Am ersten Rückrunden-Spieltag holten die Dänen beim 23:23 ihren ersten Auswärtspunkt, nachdem sie zuvor unter anderem beim Hinspiel in Kiel (26:27), bei Paris Saint-Germain (28:31), in Kielce (27:28) und Flensburg (27:30) hauchdünn an zählbaren Erfolgen vorbeigeschrammt waren. Zu Hause ist der dänische Meister noch gefährlicher, was der Titelfavorit Telekom Veszprem beim 26:29 in Aalborg schmerzhaft zu spüren bekam. "Die Partie ist unglaublich wichtig für uns", sagt Nikola Bilyk. Das wissen auch die THW-Fans: Rund 500 von ihnen machen sich am Sonntag auf den Weg in das gut fünf Stunden entfernte Aalborg, um ihre Mannschaft als "weiße Wand" zu unterstützen. "Unsere Fans sind der Wahnsinn, man kann ihnen gar nicht oft genug danken für ihre Unterstützung an guten und auch an schlechten Tagen", hofft Bilyk auf Heimspiel-Stimmung beim Auswärtsspiel. Weiter geht's, Kiel!
Statistik, 21. Spieltag, 15.02.18: THW Kiel - HSG Wetzlar: 25:26 (9:12)
THW Kiel: Landgraf (54.-60., keine Parade), Wolff (1.-54., 60., 8 Paraden); Firnhaber, Weinhold (4), Dissinger, Wiencek (3), Ekberg (6/3), Frend Öfors (n.e.), Rahmel, Dahmke (1), Zarabec (3), Vujin (1), Bilyk (1), Nilsson (6), Santos; Trainer: Gislason
HSG Wetzlar: Klimpke (1 Siebenmeter, keine Parade), Buric (1.-60., 10/1 Paraden), Weber; Kneer (1), Björnsen (7), Pöter (1), Ferraz (3), Mirkulovski (3), Schreiber, Volentics, Holst, Forsell Schefvert (1), Kvist (3), Lindskog (7), Cavor (1); Trainer: Wandschneider
Schiedsrichter: Colin Hartmann / Stefan Schneider
Strafzeiten: THW: 3 (2x Firnhaber (41., 59.), Ekberg (44.)) / HSG: 5 (Kneer (20.), Cavor (30.), Pöter (45.), 2x Mirkulovski (48., 55.))
Siebenmeter: THW: 4/3 (Buric hält Ekberg (4.)) / HSG: 0
Spielfilm: 0:1 (2.), 2:2 (5.), 2:4 (7.), 3:4, 3:9 (17.), 6:9 (22.), 6:11 (25.), 7:12 (27.), 9:12;
9:13 (31.), 11:14 (35.), 11:16 (38.), 13:18, 14:19 (42.), 16:19 (44.), 18:21 (46.), 19:22 (49.), 20:23 (53.), 20:25 (54.), 24:25 (60.), 24:26, 25:26.
Zuschauer: 10.285 (ausverkauft) (Sparkassen-Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Alfred Gislason: Glückwunsch an Kai und Wetzlar zum verdienten Sieg. Wir wussten, dass Wetzlar extrem lange und disziplinierte Angriffe am Rande des Zeitspiels und darüber hinaus spielen würde. Trotzdem hatten wir keine Geduld, sind dann nach langer Abwehrarbeit rausgerannt, und der Kreisläufer war dann frei. Auch die Abpraller haben wir uns nicht geholt - so haben wir uns selten für unsere Arbeit in der Defensive belohnen können. Bei der HSG ist dann der Ball irgendwie noch reingegurkt. Vorne haben wir zuviele Fehler gemacht, und auch die Torwart-Statistik geht zugunsten der HSG aus. Es passt zu dieser Saison, dass ausgerechnet jetzt, da Andi sein schlechtestes Spiel macht, Niklas Landin im Kreißsaal sitzt. Das ist schade, aber wir waren heute nicht gut genug.
HSG-Coach Kai Wandschneider: Das war nichts weniger als ein historisches Ereignis: unser erster Sieg in Kiel in 20 Jahren Bundesliga-Zugehörigkeit. Ich bin sehr stolz auf unsere Mannschaft, die auf den Punkt das gespielt hat, was sie kann. In der ersten Halbzeit haben wir überragend gedeckt und einen starken Torhüter gehabt, in der 2. Halbzeit ließ dann die Kraft nach und Kiel stand viel besser in der Deckung. Aber irgendwie haben wir dann doch immer wieder eine Lücke gefunden. Herausheben muss ich heute meine beiden Skandinavier Anton Lindskog und Kristian Björnsen, die ein fantastisches Spiel gemacht haben. Das war eine sehr geschlossene Mannschaftsleistung, aus Sicht der HSG - und da kann ich mich nur wiederholen - eine historische Stunde.
Kiels Sportlicher Leiter Viktor Szilagyi: Glückwunsch und Kompliment an die HSG. Der erste Angriff mit dem verlorenen Ball war gleich das falsche Signal, so lagen wir das gesamte Spiel über in Rückstand, waren im Angriff nicht effektiv genug. Und auch die Abwehr konnte das Spiel nicht drehen, weil uns die Ballgewinne, die Gegenstöße und die leichten Tore gefehlt haben.
THW-Rückraumspieler Nikola Bilyk: Heute waren wir in der Abwehr und im Angriff irgendwie immer einen Schritt zu spät dran, haben die falsche Entscheidung getroffen oder nicht konsequent genug den Torerfolg gesucht.