
THW Kiel gewinnt brutales Handball-Spektakel gegen den Bergischen HC mit 43:35
Handball-Spektakel mit 78 Treffern in der Kieler Wunderino Arena zwischen dem ersatzgeschwächten THW Kiel und dem Bergischen HC: Die Zebras gaben sich in dieser denkwürdigen Auseinandersetzung und dem 26. Aufeinandertreffen mit dem Bergischen HC keine Blöße, siegten letztlich klar und hochverdient mit 43:35 (24:22) Toren und halten in der DAIKIN Handball-Bundesliga weiter Kontakt zur Tabellenspitze. Allerdings sorgten bisweilen brutale Abwehraktionen der Gäste für eine bittere Note in der Partie. Abgesehen hatte es der BHC vor allen Dingen auf Elias Ellefsen á Skipagötu: Der Färinger wurde im wahrsten Sinne des Wortes von der Defensive des Aufsteigers gejagt. Doch selbst von harten Gesichtstreffern und einer nur unzureichend geahndeten frühen Tätlichkeit gegen ihn ließ sich der Kieler Regisseur nicht von seinem Weg abbringen: Er antwortete auf seine Art mit 14 (!) Treffern.
Á Skipagötu erzielt 14 Tore
Elias Ellefsen á Skipagötu war nach der Partie ein gefragter Mann. 14 Tore, zahlreiche Vorlagen und die harte Gangart der Gäste gegen ihn sorgten für Gesprächsbedarf - auch bei Dyn. "Wir haben ein gutes Spiel gezeigt, dürfen mit unserer Leistung vor allen Dingen nach der Pause sehr zufrieden sein. Allerdings hat der Gegner sehr hart gespielt", schloss der Färinger seine Interview direkt nach der Partie, "gefühlt waren Zwei-Minuten-Strafen nicht genug. Aber das müssen am Ende die Schiedsrichter bewerten und entscheiden.“ Überragend neben á Skipagötu waren auch Kapitän Domagoj Duvnjak und Nikola Bilyk. Bilyk traf achtmal, Duvnjak erzielte fünf Tore und war in der aufgeladenen Atmosphäre ein stetiger Störenfried in der dezimierten Kieler Abwehr gegen die BHC-Angriffe.
Jichas Improvisationstalent gefordert
THW-Trainer Filip Jicha bemühte für die Partie nach dem anstrengenden Pokal-Krimi in Balingen einmal mehr sein Improvisationstalent. Denn neben den Langzeitverletzten Hendrik Pekeler, Emil Madsen und Petter Överby fielen gegen den Aufsteiger aus dem Bergischen Land auch Eric Johansson mit einem grippalen Infekt und Magnus Landin mit Adduktorenproblemen aus. Zudem gingen etliche Spieler wie beispielsweise á Skipagötu und Lukas Zerbe angeschlagen in die Begegnung. Gut, dass sich wenigstens Jung-Torhüter Leon Nowottny nach seinem krankheitsbedingten Fehlen wieder einsatzbereit meldete. Zudem rückte Ben Szilagyi in den Kader. Das Nachwuchstalent spielt in der Regel für Kooperationspartner TSV Altenholz, ist mit einem Zweitspielrecht für die Zebras ausgestattet.
Perez de Vargas' erste THW-Minuten
Jubel gab es in der Wunderino Arena aber schon beim Warmmachen, denn erstmals seit seinem Kreuzbandriss im Februar durfte Neuzugang Gonzalo Perez de Vargas das THW-Trikot mit der Nummer eins überziehen. Er soll sich in den kommenden Wochen an die Spieltagsabläufe bei den Zebras gewöhnen und sukzessive an das Spiel der Kieler herangeführt werden. Und tatsächlich: "Gonshi" feierte Premiere in seiner neuen Handball-Heimat, stellte sich unter dem Riesen-Jubel auf den Rängen in der 21. Minute erstmals zwischen die THW-Pfosten, riss gleich seine Arme hoch, feierte eine Glanzparade gegen BHC-Rückraumspieler Lars Kooij. Es war die erste Parade für den THW Kiel, nachdem der spanische Weltklasse-Torhüter seinen heutigen Club in der Vergangenheit mit 144 Paraden in 14 direkten Duellen genervt hatte…
Fehlentscheidung bringt Partie in unruhiges Fahrwasser
Aber der Reihe nach: Die erste Halbzeit geriet zu einem absoluten Offensiv-Festival, beide Angriffsreihen machten mit Tempo, Spielwitz und Treffsicherheit Werbung für offensiven Handball. Allerdings gab es auch hier bereits eine ganz unschöne Szene, die in der Sportart nichts zu suchen hat: Nach dem sechsten Tor von Elias Ellefsen á Skigagötu wurde Kiels Spielmacher beim Rückwärtslaufen von Kooij mit getreckten Beinen durch die Luft gewirbelt. Glück für den Färinger, dass er sich dabei nicht verletzte. Rot hätte die Konsequenz sein müssen, selbst eine blaue Karte wäre vertretbar gewesen. Die Schiedsrichter schauten sich diese Szene aber trotz der Rudelbildung auf dem Feld nicht einmal als Videobeweis an. Die Entscheidung des jungen Gespanns: Zeitstrafe für Kooij, aber auch für á Skipagötu. Spätestens hier hatten sie die Partie aus den Händen gegeben, bis zum Abpfiff sollte das Spiel angesichts der weiter zunehmenden Härte der Gäste in ein unruhiges Fahrwasser geraten.
Denkwürdige erste Hälfte
Sportlich dürfte die erste Halbzeit allen Beteiligten lange in Erinnerung bleiben. Das Handball-Feuerwerk kannte keine Pause. Lukas Laube und Nikola Bilyk warfen Kiel mit 2:0 in Front, Maldonado erzielte den Anschluss, und in der Folgezeit setzten sich die Zebras auf drei bis vier Tore ab. Solo-Treffer und Durchbrüche von á Skipagötu sorgten für das 6:3, doch die Gäste fighteten zurück, verkürzten durch Steinhaus auf 6:7, ließen sich auch durch den 12:8-Führungstreffer von Rune Dahmke nicht aus der Ruhe bringen. Obwohl die Arena kochte und die THW-Fans auch den Leckerbissen von Harald Reinkind feierten: Steigen, gucken, werfen - der Ball landete im Winkel. Und sie freuten sich genauso über das "Doppelpass-Tor" von á Skipagötu, der nach Solo den Pfosten traf, den Abpraller geistesgegenwärtig fing und zum 13:9 in die Maschen drosch.
Zwei-Tore-Führung zur Pause
Absetzen konnten sich die Kieler allerdings nicht entscheidend: Schöttler brachte den BHC in der 19. Minute sogar auf 14:15 heran. Mit der Folge, dass Filip Jicha auf den Buzzer drückte. Auszeit. Die Worte des THW-Trainers zeigten allerdings nur kurz Wirkung. Harald Reinkind ließ Kiel mit einem Doppelschlag zwar auf 17:14 enteilen, aber die Abwehrarbeit blieb dem Riesen-Offensivdrang natürlich mit Fehlern behaftet. Nach 26 Minuten stand es 19:19, wenig später glich Schöttle abermals aus. 20:20. Einzelaktionen von á Skipagötu und den wie aufgedreht spielenden Duvnjak sorgten letztlich für den verdienten 24:22-Halbzeitvorsprung für den THW. Ein Ergebnis, das in vielen Spielen der Vergangenheit erst am Ende auf den Tafeln geleuchtet hätte.
Youngster-Kempa setzt Angriffsleistung die Krone auf
Die ersten Minuten der zweiten Halbzeit gerieten zunächst zur Kopie der ersten. Nach 37 Minuten hieß es 30:28 für den THW Kiel. Es folgte die beste Phase der Kieler, bei denen Elias Ellefsen á Skipagötu weiterhin auf die Zähne biss und wegen der vielen Fouls gegen ihn auch mit Wut im Bauch aufs Tempo drückte, ein Tor an das andere reihte und den folgenden 8:1-Lauf der Zebras inszenierte. Weil jetzt auch Andreas Wolff mehrfach wichtige Paraden zeigte, waren die Kieler in der 44. Minute durch den Treffer des ebenfalls spielfreudigen Nikola Bilyk auf 38:29 davongerauscht. Die Vorentscheidung. Der BHC nahm das Tempo mit der letzten Auszeit aus dem Spiel, doch die Kieler wollten mehr. Wolff glänzte mit einer Doppelparade gegen Wasielewski, Nikola Bilyk freute sich über Treffer 40, á Skipagötu legte mit seinem 14. Volltreffer nach. Dann gab's doch noch ein spätes Rot für Kooij (57.), der á Skipagötu abseits des Balls ins Gesicht schlug. Und dennoch war nun die Zeit angebrochen, am Initiativen-Tag von Dyn Move Your Sport für die Förderung der Nachwuchsarbeit im Handball komplett auf die Jugend zu setzen: Jicha brachte alle Youngster, Leon Nowottny parierte im Tor drei Würfe und den Höhepunkt der Partie setzte mit einem sehenswerten Kempa nach Pass von Zerbe ausgerechnet Youngster Rasmus Ankermann. Die Krone einer bärenstarken Angriffsleistung der dezimierten Zebraherde.
Dienstag schon in Bern gefordert
Nur kurz können die Kieler nach der Partie verschnaufen, denn bereits am Dienstag wartet die nächste Herausforderung: Beim BSV Bern geht ab 20:45 Uhr um wichtige Punkte in der EHF European League. Dafür reisen die Schwarz-Weißen nach einem frühen, regenerativen Abschlusstraining am Montagmorgen direkt weiter in die Schweiz. Begleitet wird der Zebratross von rund 60 Fans, die die Mannschaft beim Schweizer Vizemeister lautstark unterstützen wollen. Für alle, die nicht live dabei sein können, übertragen Dyn und DAZN das dritte Gruppenphasen-Spiel der bisher ungeschlagenen Zebras. Nach der Rückkehr aus Bern starten sie dann unmittelbar mit der Vorbereitung auf die Füchse Berlin: Am Samstag wird der Deutschen Meister um Superstar Mathias Gidsel und Neu-Trainer Nikolej Krickau der neuformierten und dezimierten Zebraherde ab 18 Uhr (live bei Dyn und in der ARD Sportschau) alles abverlangen. Doch weiter geht’s jetzt erst einmal in Bern, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
DAIKIN Handball-Bundesliga, 11.Spieltag: THW Kiel – Bergischer HC 06: 43:35 (22:20)
THW Kiel: Perez de Vargas (21.-30., 1 Parade), Nowottny (57.-60., 3 Paraden), Wolff (1.-21., 31.-57., 6 Paraden); Duvnjak (5), Reinkind (5), J. Dahmke, Laube (4), Ankermann (1), R. Dahmke (2), Zerbe (1/1), Szilagyi, Bilyk (8), á Skipagötu (14), Imre (2), Nacinovic (1); Trainer: Jicha
Bergischer HC 06: Rudeck (1.-15., 41.-60., 4 Paraden), Diedrich (15.-41., 6 Paraden); Beyer (3/3), Becher (7), Schöttle (4), Babarskas (1), Kooij (2), Fraatz (6), Massoud, Maldonado (3), Fuchs, Seesing (3), Steinhaus (2), Wasielewski (4); Trainer: Gunnarsson / Pütz
Schiedsrichter: Leon Bärmann / Niko Bärmann
Zeitstrafen: THW: 3 (Bilyk (3.), Imre (28.), Duvnjak (41.)) / BHC: 5 (2x Steinhaus (27., 54.), Kooij (28.), 2x Wasielewski (38., 43.)
Rote Karte: Kooij (BHC, grobes Foulspiel (58.))
Siebenmeter: THW: 1/1 / BHC: 4/3 (Beyer überweg (3.))
Spielfilm: 2:0, 3:2 (4.), 5:2 (6.), 6:5 (9.), 9:6 (11.), 11:8, 14:11 (17.), 17:16 (23.), 19:16 (24.), 19:19 (26.), 20:20, 22:20 (28.), 24:22;
2. Hz.: 24:23, 26:23 (32.), 28:25, 30:28 (37.), 35:28 (42.), 38:29 (45.), 38:31 (50.), 40:34 (55.), 43:34 (59.), 43:35.
Zuschauer: 9801 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Wir haben alle ein sehr intensives Bundesliga-Spiel mit vielen Emotionen gesehen. Ich hatte vor dem Spiel große Sorgen, weil viele der Spieler, die einsatzfähig waren, auch angeschlagen sind. Eine Krankheitswelle läuft durch unsere Mannschaft, Eric hat’s zuletzt erwischt. Dann verletzt sich auch noch Magnus Landin im Abschlusstraining, und so hat man dann eine sehr angespannte Personallage. Deswegen freue ich mich, welche Emotionen wir heute zeigen konnten. Und ich denke, beide Trainer freuen sich jetzt schon auf das Rückspiel. Wenn es nach mir ginge, könnte das bald kommen …
Ich habe mir-– nicht nur heute - sehr große Sorgen um Elias Ellefsen á Skipagötu gemacht. Das, was er heute einstecken musste, war für mein Dafürhalten zu viel. In diesen Situationen sind diejenigen, die das Spiel leiten, dafür verantwortlich, den Spieler zu schützen. Wir alle wollen das Produkt Handball besser machen, wir alle wollen Härte – wir wollen aber auch Spieler wie Elias lange spielen sehen.
Der Einsatz von Gonzalo war genauso geplant, unabhängig vom Spielverlauf wollte ich ihn rund um die 22. Minute bringen. Das war fürs Reinkommen, damit Gonzalo die Liebe der Fans endlich zu spüren bekommt, seine Familie ihn sehen kann. Ich habe ihm gesagt, dass er keine Bälle halten muss. Das erwarte ich nicht jetzt, sondern erst im Februar/März wieder von ihm. Bis dahin werden wir an unserem behutsamen Aufbauplan festhalten.
BHC-Trainer Markus Pütz: Es war ein sehr hektisches Spiel, das viel Thermik erzeugt hat. Dass wir in der ersten Halbzeit nur mit zwei Toren zurücklagen, hat mich sehr zufrieden gemacht. Für mehr reicht unsere Abwehrleistung heute nicht aus. 43 Gegentore sind zu viel, der 0:5-Lauf mit anschließendem 0:3-Lauf war zu viel. Dazu kommen wichtige Paraden vom Torwart-Trio des THW Kiel, und dann ist das Spiel hier weg. Ich möchte mein Team aber loben: Nach dem Pokalfight über 80 Minuten und nur vier angereisten Rückraumspielern war das ok, eben unser Bonusspiel, das wir jetzt abhaken.












