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Ein starker Auftritt und große Kieler Moral reichen nicht zum Punktgewinn beim Meister

Bundesliga

Ein starker Auftritt und große Kieler Moral reichen nicht zum Punktgewinn beim Meister

Was für ein Kampf, was für ein Drama: Das Spitzenspiel der DAIKIN Handball-Bundesliga zwischen dem Meister Füchse Berlin und Pokalsieger THW Kiel war nichts für schwache Nerven. Zweimal lagen die Kieler deutlich zurück, zweimal kämpften sie sich in der mit 9000 Fans ausverkauften Max-Schmeling-Halle mit großer Moral und einer bärenstarken Abwehr wieder heran. Dann aber hatten die Füchse das bessere Ende auf ihrer Seite: Nach dem 29:29 durch Domagoj Duvnjak in der 58. Minute profitierte der Deutsche Meister von einer Zeitstrafe gegen den THW Kiel und unter anderem von dem siebten für sie gegebenen Siebenmeter. So gewannen sie noch mit 32:29 (16:14). 

Gonzalo Perez de Vargas hilft bei Kieler Aufholjagd

Den möglichen Sieg in der Hauptstadt verspielten die Zebras im Angriff, ließen viele gute Chancen in beiden Halbzeiten vor allem vom Kreis ungenutzt. Bei zahlreichen Pfosten- und Lattentreffern kam zu allem Überfluss auch noch eine gehörige Portion Pech hinzu. Überragender Mann beim Gewinner war Torhüter Dejan Milosavljev, der insgesamt 17 Bälle hielt. Auf der anderen Seite stand mit Gonzalo Perez de Vargas ebenfalls ein "Riese" zwischen den Pfosten. Der Spanier, der nach seinem Kreuzbandriss Prinzip langsam an das THW-Spiel herangeführt werden soll, rückte nach 20 Minuten für Andreas Wolff zwischen die Pfosten, wurde sofort zum Faktor und war mit seinen zehn Paraden maßgeblich an der Aufholjagd beteiligt. 

Á Skipagötu stellt Gidsel in den Schatten

Ein Handballspieler in einem schwarz-weißen Trikot springt, um den Ball zu werfen, während ein Verteidiger in einem grünen Trikot versucht, ihn während eines Hallenspiels zu blockieren. Im Hintergrund sind Zuschauer zu sehen.Auffälligster Akteur auf dem Parkett aber war einmal mehr Elias Ellefsen á Skipagötu. Der junge Färinger wurde von Berlins Abwehr knüppelhart bekämpft, zog die Pfiffe des Publikums nach Berlinger Foulspielen auf sich, ließ sich aber nicht beirren. Nach anfänglichen Problemen hielt der junge Spielmacher den THW Kiel mit insgesamt zwölf Toren im Spiel. Á Skpiagötu  stellte mit seiner Schnelligkeit und Torgefährlichkeit sogar den Welthandballer Mathias Gidsel im Trikot der Berliner  eindeutig in den Schatten. Allerdings musste á Skipagötu über 60 Minuten lang nahezu ungestraft den "Punching-Ball" der Berliner Defensive spielen, bekam Stürmerfouls abgepfiffen und nach Fehlwürfen nach vorangegangenem Foul keinen Pfiff. Auf der anderen Seite gab es hingegen sieben Siebenmeter - oftmals von Gidsel herausgeholt - und trotz des robusten Defensivverhaltens des Meisters nur eine "echte" Zeitrafe.

Johansson und Landin melden sich zurück

Ein Handballspieler in einem weiß-schwarzen Trikot springt mit einem gelben Ball in der Hand zum Wurf, während drei Gegner in grün-weißen Trikots verteidigen. Der Hintergrund zeigt eine Menschenmenge, die das Spiel in einer Halle verfolgt.Die Zebras mussten im Spiel der Verfolger weiterhin auf ihre langfristig verletzten Akteure Hendrik Pekeler (Achillessehne) und Emil Madsen (Knorpelschaden) verzichten, dazu gesellte sich kurzfristig Nikola Bilyk mit Adukktoren-Problemen. Eric Johansson (Magen-Darm-Infekt) und Magnus Landin (Adukktoren) meldeten sich indes zurück, waren allerdings noch nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte. So ließ Johansson fünf Kilogramm in sieben Tagen im Krankheitsbett liegen. Auch Landin biss auf die Zähne, beide waren von Beginn an wichtiger Bestandteil des Kieler Spielgefüges. Vorne wie hinten. Die knisternde Atmosphäre in der rappelvollen Max-Schmeling-Arena ging an einigen Kielern anfangs allerdings nicht spurlos vorbei: Veron Nacinovic ließ einige Chancen ungenutzt, Dejan Milosavljev war früh in den Köpfen der Zebras. Die Füchse gingen durch einen an Mathias Gidsel verwirkten und von Tim Freihöfer vollstreckten Siebenmeter in Front. Mit dem einzigen (!) Kieler Strafwurf der Partie glichen die Zebras durch Lukas Zerbe aus, wenig später hielt Wolff Gidsels Wurfversuch -Landin brachte seine Farben im Gegenzug in Front.

Zwei Tore Rückstand zur Pause

Ein männlicher Handballspieler in einem weiß-schwarzen Trikot ballt die Fäuste und schreit leidenschaftlich, während im Hintergrund unscharfe Zuschauer und ein weiterer Spieler zu sehen sind.Dann aber hatten die Zebras für lange fünf Minuten ihr Pulver verschossen. Á Skipagötu scheiterte hart bedrängt zweimal am Füchse-Schlussmann, und Gidsel sowie Freihöfer bestraften Kieler Abschlussschwächen zur 5:2-Führung in der neunten Minute. Doch die Zebras kämpften sich wieder heran: Nacinovic nutzte die guten Anspiele von Harald Reinkind und á Skipagötu zum zwischenzeitlichen 5:6, wenig später lagen die Berliner allerdings schnell mit 9:5 vorn. Johansson verkürzte per "Bauerntrick" zum 6:9, á Skipagötu beendete seinen nervösen Beginn und traf nach fünf Fahrkarten erstmals per Solo in der 18. Minute zum 7:10. Der Färinger ließ wenig später Tor Nummer zwei zum 8:11 folgen. Nach dem 8:12 schickte THW-Trainer Filip Jicha Gonzalo Perez de Vargas ins Rennen. Und "Gonshi" zündete sofort, klärte großartig gegen Gidsel, parierte gegen Marsenic und Freihöfer, wurde schnell zum starken Kieler Rückhalt und Impulsgeber für die Aufholjagd nach dem 8:14-Rückstand in der 23. Minute. Johansson traf zweimal, Lukas Zerbe, dann á Skpiagötu und Lukas Laube. Mit einem Kracher in den Torwinkel stellte Johansson schließlich auf 14:16. Halbzeit.

Jichas Auszeit ist Start für die Aufholjagd

Ein Handballspieler in einem weiß-schwarzen Trikot springt, um den Ball zu werfen, während ein Verteidiger in einem grünen Trikot versucht, ihn während eines intensiven Spiels zu blockieren, während die Zuschauer im Hintergrund zuschauen.Die zweite Halbzeit begann mit zwei schnellen Toren von Gröndahl und Freihöfer: Die Füchse waren wieder auf 18:14 enteilt. Aber der junge Kieler Färinger kam jetzt richtig in Fahrt, á Skipagötu tankte sich immer wieder erfolgreich durch die Füchse-Abwehr, stellte schnell auf 16:18 und 17:19. Jicha setzte jetzt auf das "Sieben gegen Sechs": Es entstanden Räume, die á Skipagötu nutzte. Aber die Zebras produzierten auch technische Fehler, scheiterten an Milosavljev und kassierten drei leichte Gegentreffer durch Würfe ins leere eigene Tor. Die Folge: Nach 42 Minuten hatte Berlin sich auf 26:21 abgesetzt. Jicha rief zur Auszeit, forderte ein letztes Aufbäumen, appellierte an das Können seiner Mannschaft. Die Abwehr mit Kapitän Domagoj Duvnjak vorneweg wurde nun zur Mauer und im Angriff mischte á Skipagötu die Berliner Deckung nahezu im Alleingang auf.

100. Liga-Saisontor von á Skipagötu

Ein Schiedsrichter spricht mit zwei Handballspielern in weißen und schwarzen Trikots auf einem Spielfeld, während ein weiterer Spieler in einem grünen Trikot in der Nähe steht, teilweise außerhalb des Bildes.Der Treffer zum 23:27 war das 100. Saisontor des jungen Färingers in der Bundesliga, mit seinem elften Treffer in der Partie verkürzte er auf 25:27, sorgte gleichzeitig für einen Wutausbruch des Füchse-Torhüters, der das Feld für zwei Minuten verlassen musste. Weil auch Abwehrmann Darj auf der Bank brummte, spielten die Kieler gegen vier Berliner Feldspieler. Allerdings erfolglos, weil das Schiedsrichtergespann aus Magdeburg dem Tor von Rune Dahmke die Anerkennung verwehrte. Kiels Linksaußen soll auf der Auslinie gestanden haben - nur eine von zahlreichen Entscheidungen, die nur auf einer Seite getroffen wurden. Aber die Kieler durften sich weiterhin auf ihren spanischen Weltklassemann zwischen den Pfosten verlassen. So blieben die Füchse sieben Minuten ohne Tor, Lukas Laube netzte das grandiose Zuspiel von á Skipagötu zum 26:27 ein. Und in der 53. Minute rauschte der Färinger ein weiteres Mal durch die Berliner Hinterreihe, stellte den ersten Gleichstand seit der vierten Spielminute her. 27:27.

Kieler Unterzahl in der Crunchtime

Eine Herren-Handballmannschaft in schwarz-weiß gestreiften Trikots steht auf einem Spielfeld und schaut ernst. Im Hintergrund schwenken Menschen in grünen Hemden eine grün-weiße Flagge. Die Atmosphäre wirkt angespannt oder feierlich.Der Krimi in der Max-Schmeling-Halle startete in seine finale Phase. Als Perez de Vargas gegen Gröndahl und wenig später auch Andersson glänzte, glich Petter Överby zum 28:28 aus, kassierte aber Sekunden später beim 29:28 von Andersson eine harte Zeitstrafe. Es blieben drei Minuten Restspielzeit, in denen der THW zwei Drittel der Zeit einen Spieler weniger auf dem Parkett hatte. Dennoch trafen zunächst die Kieler, Domagoj Duvnjak ließ den Kieler Anhang mit seinem Treffer zum 29:29 jubeln. Am Ende ging es dann ganz schnell. Gidsel nutzte eine Lücke in der Kieler Abwehr, Milosavljev wurde mit einer Monsterparade gegen Johansson zum Helden, Freihöfer verwandelte Siebenmeter Nummer sieben - die Partie war entschieden und hatte einen glücklichen Sieger gefunden. Berlin tanzte während sich die Zebras müde und enttäuscht bei ihrem laustarken Anhang unter dem Arena-Dach bedankten.

Rückspiel gegen Bern am Dienstag

Nach der DAIKIN Handball-Bundesliga ist in diesen Tagen vor der EHF European League: Am Dienstag starten die Zebras zu Hause in die Rückrunde der Gruppenphase. Zu Gast in der Wunderino Arena ist dann der BSV Bern, den die Kieler zuletzt auswärts mit 35:27 besiegt hatten und so ihre bisher weiße Vorrunden-Weste wahrten. Die Partie gegen die Schweizer wird vor einer großen Kulisse ausgetragen, wird am Dienstag doch der „Tag der Vereine“ beim THW Kiel gefeiert. Rund 8000 Zuschauer werden die Zebras ab 18:45 Uhr anfeuern. Noch gibt es aber Eintrittskarten unter www.thw-tickets.de und in der THW-FANWELT, die Dienstag von 10 Uhr bis zum Anpfiff geöffnet haben wird. Weiter geht’s gegen Bern, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sylvia Goeres/Füchse Berlin

DAIKIN Handball-Bundesliga, 12. Spieltag: Füchse Berlin – THW Kiel: 32:29 (16:14)

Füchse Berlin: Ludwig (47.-48., keine Parade), Milosavljev (1.-47., 48.-60., 17 Paraden); Darj, Andersson (4), Arino, Gröndahl (3), Gidsel (8),J. Kofler, Freihöfer (10/6), Reichardt, Pichiri, Langhoff, Av Teigum (5), Günther, G. Kofler, Marsenic (2); Trainer: Krickau
THW Kiel: Perez de Vargas (20.-60., 9 Paraden), Nowottny (n.e.), Wolff (1.-20., 4 Paraden); Duvnjak (1), Reinkind (1), Landin (1), Överby (1), J. Dahmke (n.e.), Laube (3), Johansson (6), Ankermann (n.e.), R. Dahmke, Zerbe (2/1), á Skipagötu (12), Imre (n.e.), Nacinovic (2); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies
Zeitstrafen: Berlin: 2 (Darj (47.), Milosavljev (47.)) / THW: 3 (2x Laube (27., 39.), Överby (57.))
Siebenmeter: Berlin: 7/6 (Freihöfer an die Latte (10.)) / THW: 1/1
Spielfilm: 1:0, 1:2 (4.), 5:2 (8.), 5:4, 6:5 (12.), 9:5 (16.), 10:6 (17.), 11:8, 14:8 (23.), 14:11 (24.), 15:13 (27.), 16:14;
2. Hz.: 18:14 (32.), 18:16, 19:17 (34.), 21:17 (35.), 22:19, 24:19 (39.), 27:22 (43.), 27:27 (53.), 29:29 (57.), 32:29.
Zuschauer: 9000 (ausverkauft) (Max-Schmeling-Halle, Berlin)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Ich gratuliere der Füchse-Mannschaft zum Sieg. Was ich heute gesehen und erlebt habe, war ein unglaublich intensives, brutales Bundesliga-Spiel mit komischen Entscheidungen links wie rechts. Um bei einer Weltklasse-Mannschaft wie den Füchsen zu gewinnen, musst du ebenfalls weltklasse spielen. Das haben wir heute nicht auf jeder Position geschafft. Mit unserem Willen und unserer Einstellung bin ich hingegen sehr zufrieden, begeistert war ich von Eric, der lange krank war und sich heute reingehauen hat wie auch Elias und Gonzalo. Dejan Milosavljev war schon nach der Anfangsphase in unseren Köpfen. Die gehaltenen Bälle vom Kreis zu Beginn taten weh, weil wir fortan hinterherlaufen mussten. Leider haben wir dann in der Crunchtime eine Niederlage kassiert, weil wir auch da einige Chancen liegengelassen haben.

Füchse-Trainer Nicolej Krickau: Ich bin total bei Filips Worten. Das war Werbung für den Handballsport, was beide Mannschaften hier heute gezeigt haben. Neun gegen Neun, ein Oldschool-Fight, bei dem alle Spieler alles auf der Platte gelassen haben. Ich bin natürlich froh über den Sieg und unsere mentale Leistung, gerade als wir in den letzten zehn Minuten doch ein wenig müde waren. Milosavljevs Leistung spricht für sich, aber Elias hat uns 45 Minuten lang verarscht. Und Gonzalo Perez de Vargas einige Minuten lang keinen Ball reingelassen. Überhaupt war die Kieler Abwehr im Sechs-gegen-Sechs in der zweiten Halbzeit sehr stark. Am Ende aber waren wir cool, wir sind stolz auf uns, wissen aber auch, dass wir noch viel Arbeit vor uns haben. Denn perfekt war das nicht.

THW-Rückraumspieler Harald Reinkind:
Wir konnten froh sein, nur mit zwei Toren Rückstand in die Pause zu gehen. Dann starten wir schlecht in die zweite Halbzeit, zeigen dann aber eine starke Moral. Über das gesamte Spiel gesehen haben wir aber zu viele Fehler gemacht, die Kleinigkeiten haben sich dann summiert. Jetzt müssen wir die Punkte, die wir heute nicht mitgenommen haben, im Dezember in einem anderen der vielen Top-Spiele holen.