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KN: Alfred Gislason fordert erneut die “Shot Clock”

Bundesliga

KN: Alfred Gislason fordert erneut die "Shot Clock"

Kiel. Ein zähes Unterfangen: Der Arm der Schiedsrichter ist oben, noch sechs Pässe für den HC Erlangen bis zum Zeitspiel. Nikolai Link rennt sich in der Kieler Abwehr fest - noch drei Pässe, noch zwei, noch einer. Benedikt Kellner lässt sich festmachen. Freiwurf, noch ein Pass, Foul, Freiwurf, noch ein Pass, Freiwurf. Pfiffe auf den Rängen. "Das war Anti-Handball", sagt THW-Kiel-Trainer Alfred Gislason nach dem 27:21-Sieg (siehe THW-Spielbericht) am Donnerstag in der Handball-Bundesliga gegen den HC Erlangen. Die Zebras wollten gern anders, der HC Erlangen konnte nicht. Gislason fordert eine "Shot Clock" wie beim Basketball, also eine begrenzte Zeit für jeden Angriff. "Denn sonst kommen die Leute irgendwann nicht mehr in die Halle."

"Das war Anti-Handball"

Dabei wurde die Sechs-Pässe-Regel gerade erst im Sommer 2016 vom Weltverband IHF eingeführt, um allzu subjektive Entscheidungen der Unparteiischen, um Willkür zu verhindern. Doch die Realität zeigt: Durch die Regel, dass bei einem Freiwurf der erste Pass immer wieder extra hinzugezählt wird, ziehen sich sechs Pässe zuweilen mit Fouls und Freiwürfen unendlich in die Länge, wird die Regel untergraben. "Mit Vorwarnzeichen und nur noch sechs Pässen konnte Erlangen zum Teil zwei Minuten spielen, sich immer wieder in den Freiwurf retten. Da muss was geschehen", sagt Gislason. Immer wieder suchen so genannte "kleine Mannschaften" gegen die haushohen Favoriten der Liga ihr Heil im Verschleppen des Spiels. Erlangen - arg von Verletzungspech gebeutelt - hatte gar keine andere Wahl, wollte nicht wie zuvor die MT Melsungen ins offene Messer des Kieler Tempohandballs laufen. "Unser Matchplan war, das Spiel zu verschleppen, das gebe ich zu", gestand der starke HCE-Keeper Nikolas Katsigiannis ein. "Wir wollten jeden Ball liegen lassen, Kräfte sparen, schnelle Mitte komplett abstellen. Im Spiel haben wir immer diskutiert, ob wir doch noch anfangen, zu laufen, das Tempo anzuziehen. Aber Nikolai Link signalisierte irgendwann: 'Ich kann nicht mehr'."

Was dabei herauskam, beschreibt Kiels Abwehr-Riese Patrick Wiencek so: "Gefühlt war Erlangen 40 bis 50 Minuten des Spiels im Angriff. Da war es schwer, ein normales Handballspiel durchzuführen. Bis der HC seine Angriffe so richtig begonnen hat, waren immer schon 45 Sekunden vergangen, alles wurde in die Länge gezogen. Aber alles, was die Schiedsrichter durchgehen lassen, ist doch legitim." Legitim ist, was erlaubt ist. Darum erneuert Alfred Gislason jetzt seinen Ruf nach einer "Shot Clock", also einer begrenzten Zeit für jeden Angriff, wie es im Basketball angewandt wird und beispielsweise in der russischen Liga bis zum Ende der UdSSR Praxis war. "Erlangen hat ja nur gemacht, was es in seiner Situation machen musste", so Gislason. "Aber das Spiel hat gezeigt, dass wir im Handball dringend eine 'Shot Clock' brauchen. In Russland waren es 35 Sekunden pro Angriff. Wenn wir bis zu drei Minuten in der Abwehr stehen, ist das Anti-Handball. Zu den besten Zeiten um 2010 herum hatten wir 60 bis 65 Angriffe pro Spiel, jetzt sind es nur noch 40-45. Das Spiel ist einfach viel langsamer geworden."

"Die wollten das Tempo verschleppen. Damit muss man in solchen Spielen leben", sagte Steffen Weinhold nach dem "extremen Geduldspiel" (THW-Sportchef Viktor Szilagyi). Immerhin förderte die Partie auch eine positive, neue Qualität der Zebras zutage. "Letztes Jahr wären wir bestimmt noch mal nervös geworden, hätten zwei, drei Bälle weggeworfen. Aber wir wollten unsere alten Tugenden wieder einbringen", sagte Wiencek. Auch Gislason sieht darin, die Nerven zu behalten, die Begegnung am Ende mit sechs Toren Differenz zu gewinnen, eine neue Qualität, lobte das Kombinationsspiel seiner Mannschaft, die einzig unter insgesamt 16 Fehlwürfen litt. Allein zehn Feldtore der Außen, denen allerdings auch sieben Fehlwürfe aus dem Feld unterliefen, sprechen eine deutliche Sprache für die ungeahnte Breite Kieler Bemühungen. Der HCE Erlangen habe sich, gab Geschäftsführer René Selke später zu Protokoll, "teuer verkaufen" wollen. "Wir haben den THW bis kurz vor Ende in die Bredouille gebracht. Das war taktisch clever." Legitim ist eben, was erlaubt ist.

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 02.10.2018, Foto: Nick Jürgensen/saschaklahn.com)