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Kiel verabschiedet eine Legende

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Kiel verabschiedet eine Legende

Um 21:34 Uhr war die Karriere als Vereinstrainer einer lebenden Legende endgültig Geschichte: Mehr als 9.000 Fans erhoben sich von den Sitzen, skandierten "Alfred, Alfred" und brachen dann in ohrenbetäubenden Jubel aus. Filip Jicha, lange Jahre Kapitän des THW Kiel und Nachfolger von Alfred Gislason als Chef-Trainer des Rekordmeisters, enthüllte unter dem Arena-Dach das Konterfei des Isländers. Ein Gänsehaut-Moment. "Alfred Gislason 2008-2019" steht auf dem Transparent, fortan wird Gislason als erster Trainer überhaupt in der Ehrenriege geführt. Die Enthüllung des Banners war dabei nur einer von vielen Höhepunkten der gut zweieinhalbstündigen Abschiedsshow für einen der größten Trainer aller Zeiten. Kiel verneigte sich vor dem Erfolgscoach Alfred Gislason, bekam seltene Einblicke in das Privatleben des Isländers und feierte mit unzähligen Handball-Weltstars die einzigartige Karriere des 59-Jährigen.

Stars aus allen Teilen Europas

Star-Auflauf zum großen Vereins-Finale von Alfred Gislason

Es war ein Abend, auf den sich nicht nur die Weltstars gefreut hatten: Aus allen Teilen Europas reisten Weggefährten von Alfred Gislason nach Kiel, um einen der erfolgreichsten Bundesliga-Trainer aller Zeiten in den Vereinsruhestand zu verabschieden: Schon die Einlaufzeremonie wurde so zu einem Who is Who des Welthandballs. Olafur Stefansson war aus Island gekommen, Stanislav Kulinchenko hatte sich aus Moskau auf den Weg gemacht, Aron Palmarsson war kurzfristig und nur mit seinen Handballschuhen als Gepäck aus Barcelona angereist, Joel Abati traf wie Igor Anic und Daniel Narcisse mit dem Flugzeug aus Paris ein, und auch die Schwedenfähre war gut gebucht. Die Granden aus Kiel und auch die vielen ehemaligen Spieler des SC Magdeburg, die mit Alfred Gislason Anfang der 2000er deutscher Meister und Champions-League-Sieger wurden, - sie alle wurden von den vielen Fans in Kiel frenetisch gefeiert. Ein Abend im Zeichen des Handballs - und Gislason brachte sie alle zusammen.

Handballerische Finessen en masse

Voller Einsatz auch auf der Bank: Die THW-Allstars wollten gewinnen - und taten es

Im Duell mit den THW-Allstars zeigten Stefan Kretzschmar, Bennet Wiegert, Olafur Stefansson & Co., dass sie zum Teil auch viele Jahre nach dem eigenen Karriereende als Spieler nichts von ihrem Handwerk verlernt haben. Mit 11:9 gewannen am Ende die Allstars, die allerdings auch den deutlich größeren Teil an noch aktiven Spielern in ihren Reihen hatten. Doch das Ergebnis war in diesem Fall nur zweitrangig. Es ging um Spaß, und so protestierte Silvio Heinevetter aus "Gewohnheit" und wurde prompt von den beiden Unparteiischen Schulze/Tönnies mit "Straf-Liegestützen" zur Raison gebracht. Szenen, die die Granden des Sports nicht nur auf den Bänken zum Lachen brachten. Sportlich etwas ernster ging es dann zwischen den ehemaligen Zebras und dem aktuellen THW Kiel zu. Beide Teams spielten mit viel Tempo, handballerischen Finessen und vor allem Marcus Ahlm, Kim Andersson, Momir Ilic, Christian Sprenger & Co. war der Siegeswillen anzumerken. Sprenger, Co-Trainer der Zebras, zeigte "seinem" Torhüter mit einem Dreher, dass auch er noch ein feines Händchen hat. Und so endete die Partie nach einer 9:8-Führung der aktuellen "Zebras" mit einem 18:13-Erfolg der Allstars.

Duvnjak: "Es war uns eine Ehre"

Die Zebras ließen ihren ehemaligen Trainer noch einmal hochleben

Doch die Partie endete nicht so, wie normal. Niklas Landin nahm eine Auszeit, und die Mannschaft, die sich beim Auflaufen in typischer Gislason-Manier mit verschränkten Armen und leicht nach hinten gebeugtem Oberkörper aufgereiht hatte, berichtete von einigen einschneidenden Erlebnissen mit ihrem Trainer. "Aber nur die jugendfreien", wie Patrick Wiencek betonte. Die Mitarbeiter der Geschäftsstelle bedankten sich auf isländisch beim Trainer, dem auch von Maik Machulla und dem isländischen Staatspräsidenten Guðni Th. Jóhannesson per Videobotschaft gehuldigt wurde. Es war der Abend der vielen kleinen Momente, zu denen auch Domagoj Duvnjaks kurze Ansprache gehörte. "Es waren elf großartige Jahre von dir in Kiel. Es war uns eine Ehre - danke für alles, Alfred!" 

Private Einblicke

Einträchtig: Alfred Gislason und Kara Melstad

Für die Videoeinspieler hatte Alfred Gislason mit seiner Frau Kara erstmals sehr private Einblicke zugelassen, eine Filmcrew des Rekordmeisters nach Sachsen-Anhalt eingeladen, wo sich die Familie seit rund 18 Jahren ihren Rückzugsort aufgebaut hat. Das Interview mit dem isländischen Ehepaar hatte lustige Momente, zeigte aber auch, wie kraftraubend die 27 Jahre Bundesliga - eigentlich sollten es ursprünglich nur zwei werden - tatsächlich für den Erfolgstrainer und auch seine Familie gewesen sind  (Teil 1 des Videos können Sie auf dem THW-Youtube-Channel sehen). Die Fans dankten es auf ihre Weise: Mit ruhigem Verfolgen, viel lachen und aufmunterndem Applaus. Auch auf den Rängen war zu sehen, wo Gislason Spuren hinterlassen hat. Aus Magdeburg waren Grün-Rote angereist, aus Gummersbach mischten sich Blau-Weiße Trikots unter das Schwarz-Weiß.

Gänsehaut-Momente

Einer der Star-Gäste bei Alfred Gislasons Abschied: Stefan Kretzschmar

Sie alle erhoben sich von ihren Plätzen, als Gislason neben seiner Frau Kara auf einer Gartenbank, umrahmt von Rosen, Platz nahm - und die Gänsehaut-Momente der erfolgreichen Gislason'schen Ära über den Monitor liefen. Dann enthüllte Filip Jicha unter dem Arena-Dach das Konterfei von Gislason, ehe der Isländer selbst das Mikro ergriff. Er sei viel aufgeregter vor diesem Abend als vor jedem anderen seiner Spiele gewesen, gestand der 59-Jährige. "Heute wusste ich nicht, was auf mich zukommt." Er bedankte sich bei vielen Wegstreitern und bei seinem Vorgänger Noka Serdarusic: "Er hat eine super Arbeit gemacht und mir eine fantastische Mannschaft übergeben." Trotzdem seien die elf Jahre nicht leicht gewesen. "Vor allem, weil ich damals mit einem Unentschieden gegen Dormagen gestartet bin." Gelächter. "Ich bin sehr stolz auf diese THW-Mannschaft, die jetzt hier steht. Und ich bin mir ganz sicher, dass jetzt die richtigen Leute das Ruder übernommen haben."

"Werde immer Fan des THW sein"

Danke, Alfred!

Gislason nahm aber auch jeden in die Pflicht, seinen Teil dazu beizutragen, dass in Kiel weiter Top-Handball gespielt werden kann. "Spitzenhandball in dieser Stadt ist nichts Automatisches, die ganze Region muss mitziehen. Wir haben in Kiel keinen Milliardär, keinen Fußballclub und keine Regierung hinter uns. Wir brauchen die lokale und regionale Wirtschaft, um weiter erfolgreich zu sein." Der THW Kiel sei ein einzigartiger Club, so der Isländer. "Einzigartig ist er durch euch, die weiße Wand und die Umgebung", wandte er sich direkt an die Fans. Um dann kurz und knapp zu schließen: "Jetzt ist es vorbei. Aber ich werde immer Fan dieser Mannschaft, immer Fan des THW Kiel sein." Das Schlusswort überließ Gislason dann seiner Frau Kara: "Ich verneige mich vor der Ostseehalle." Der Rest war Jubel.