36:33 gegen Gummersbach: Der THW Kiel fährt erstmals zum Pokal-Final4 nach Köln!
Geschafft! Mit einer erneuten Energieleistung hat der THW Kiel das Lidl Final4 um den DHB-Pokal erreicht. In einem hochklassigen Pokal-Viertelfinale triumphierte Rekord-Pokalsieger THW Kiel am Donnerstagabend trotz eines erneut reduzierten Kaders mit 36:33 (20:20) über den Bundesliga-Rivalen VfL Gummersbach. In einer unglaublichen Atmosphäre, rund 7500 Zuschauer gaben wie die Zebras alles für den Traum von Köln, war Emil Madsen bester Torschütze der Zebras. Der dänische Alleinunterhalter auf Halbrechts erzielte acht Treffer. Noch Minuten nach der dramatischen Partie, die alles bot, was modernen Handball ausmacht, feierten die Fans gemeinsam mit ihren Spielern. Am 12. und 13. April kämpft der THW Kiel nun zum ersten Mal seit dem Umzug des Finalturniers nach Köln um den Titel des DHB-Pokalsiegers.
"Bin stolz auf unser Team"
Rune Dahmke atmete nach dem herausragenden Pokalfight erleichtert auf: "Ich bin total stolz auf unser Team und unsere Leistung. Gummersbach hat es uns richtig, richtig schwer gemacht. Das war ein echter Kraftakt, in den wir uns mehr und mehr reingekämpft haben. Wir haben es in der zweiten Halbzeit geschafft, unsere Rückwärtsbewegung besser zu gestalten, wurden besser in der Abwehr." Denn auch dieses Mal musste die ausgelaugte Zebraherde einen Kraftakt absolvieren, obwohl sich Elias Ellefsen á Skipagötu zumindest für Kurzeinsätze zur Verfügung stellte. Dennoch musste Kiels Trainer Filip Jicha weiterhin auf drei Leistungsträger verzichten: Harald Reinkind (Ferse, Ellenbogen), Nikola Bilyk (Oberschenkel) und Hendrik Pekeler (Sehnenriss Daumen) blieben wegen ihrer Verletzungen in der ungeliebten Zuschauerrolle.
Extremer Tempohandball in Halbzeit eins
Beide Teams trafen in der DAIKIN Handball-Bundesliga erst vor Monatsfrist aufeinander, am 22. November setzten sich die Kieler beim VfL nach schwer umkämpften 60 Minuten mit 30:24 durch. Am Donnerstagabend aber ging es um mehr als zwei Punkte: Das K.o.-Spiel wurde in den ersten 30 Minuten von extremem Tempohandball bestimmt. Es schien, als ob der ehemalige den amtierenden deutschen Rekordpokalsieger müde laufen wollte - ein Plan, der angesichts der großen Belastungen der dezimierten Zebraherde in den letzten Tagen naheliegend war. Die Kieler aber hielten dagegen: 40 Tore in einer Halbzeit ließen den Fans beider Vereine keine Sekunde Zeit zum Verschnaufen. Dabei erwischten die Gäste den besseren Start, zogen nach technischen Fehlern der Zebras und konsequentem eigenen Angriffsspiel schnell auf 4:0 davon. Doch die Kieler blieben ruhig. Eric Johansson beendete die Torflaute der Anfangsminuten mit seinem Kracher aus dem Rückraum.
Kieler kämpfen sich in die Partie
Gut, dass Andreas Wolff im Tor der Zebras zunächst ein starker Rückhalt war, den Rückstand gegen die schnellbeinigen Gäste mit Glanzparaden in Maßen hielt. Bence Imre verkürzte per Nachwurf nach gehaltenem Siebenmeter von Gäste-Keeper Kuzmanovic auf 2:4. Auch Lukas Zerbe war hellwach, erzielte per Ballklau den Anschlusstreffer zum 3:4. Gummersbach aber ließ nicht locker, setzte sich durch Vidarsson und Schluroff auf 6:3 ab. Johansson verkürzte, Dahmke war nach sehenswertem Einläufer ebenfalls erfolgreich. Dennoch legten die Gäste nach dem Treffer von Julian Köster beim 11:7 erneut vier Treffer vor, verlangten den Kielern alles ab. 10:13 hieß es nach 19 Minuten, erneut hatte Köster getroffen. Der folgende 4:0-Lauf der Zebras sorgte dann für ordentlich Lärm auf den Tribünen: Madsen mit typischem trockenen "Hammer" aus dem Rückraum, Johansson mit Stemmer und Imre, der trotz zwei verworfener Strafwürfe mit breiter Brust ein drittes Mal zur Siebenmeterlinie stapfte, den Ball jetzt sicher am guten Gummersbacher Schlussmann Kuzmanovic vorbeibrachte, waren die Torschützen zum 13:13.
40 Tore nach den ersten 30 Minuten
Die erste THW-Führung ging dann auf die Kappe von Patrick Wiencek, der nach einem Ballgewinn in der eigenen Abwehr das leere VfL-Tor anvisierte und quer übers gesamte Feld in den leeren Gästekasten zum 14:13 traf. Gäste-Trainer Sigurdsson setzte auf den siebten Feldspieler, hatte damit Erfolg - aber eben auch das Risiko. Das Torspektakel in der Wunderino-Arena hatte jetzt richtig Fahrt aufgenommen. Es ging hin und her, Schluroff, Horzen und Häseler warfen Gummersbach erneut in Front. Sie sorgten in der 22. Minute für die 16:14-Führung. Dann waren wieder die Kieler dran: Madsen, Wiencek und á Skipagötu brachten den THW bis zur 27. Minute mit 18:17 in Front. Ein gelungener Einstand übrigens für den Färinger, der den arg dezimierten THW-Rückraum entlastete, zugleich für Torgefahr sorgte und mit der Führung die Arena in ein tosendes Tollhaus verwandelte. Beim Halbzeitpfiff stand's 20:20. Ein gerechtes Resultat nach starkem Beginn der Gäste und gelungener Aufholjagd der Kieler.
Zebras übernehmen die Regie
Den Torreigen der zweiten Hälfte eröffnete dann Bence Imre von der Siebenmeterlinie, Eric Johansson erhöhte wenig später in doppelter Überzahl auf 22:20. Gummersbach hatte Antworten parat: Horzen und Schluroff nutzten Kieler Unaufmerksamkeiten zur erneuten, aber letzten Gästeführung: 23:24 hieß es nach 37 Minuten. Zeit für Kieler Aktionen und noch mehr Einsatz: Johansson schmetterte den Ball unter die Latte, á Skipagötu war am Kreis zur Stell,e und Lukas Zerbe veredelte den Ballklau seines Kapitäns Domagoj Duvnjak zum 26:24. Die Zebras nahmen - gepusht von ihren Fans - das Heft des Handelns mit zunehmender Spielzeit in die Hände. Auch, weil Andi Wolff seinen Kasten zunagelte, vor allem Gummersbachs sonst so treffsicheren Linksaußen Lukas Blohme mit Glanzparaden ärgerte.
THW Kiel bringt den Sieg nach Hause
Und die Kieler Angreifer? Imre blieb von der Siebenmeterlinie weiter eiskalt, "Skippy" netzte in der 50. Minute nach energischem Einsatz zum 30:27 ein. Gummersbach blieb aber weiter dran. Jicha drückte in der 54. Minute bei 32:30 auf den Buzzer, besprach den Plan für die letzten sechs Minuten. Mit Erfolg: Patrick Wiencek bejubelte sein 33:30 nach wunderbarem Madsen-Zuspiel, Domagoj Duvnjak traf unter Zeitnot per Solo zum 34:30. Die Halle stand Kopf, die Fans feierten ihre Helden. Einmal, nach Blohmes 32:34 in der 58. Minute, drohte es aus Kieler Sicht noch einmal ungemütlich zu werden. Dann aber stieg Emil Madsen hoch, drosch den Ball maßgerecht unter die Latte des VfL-Tores: Die Vorentscheidung, der Andreas Wolff in der Schlussphase mit zwei Glanzparaden gegen Blohme noch das Sahnehäubchen aufsetzte. Kiels Handballer feierten mit ihren Fans den Einzug ins Final Four, wo sie im Halbfinale in Köln auf die Rhein-Neckar Löwen treffen werden (Infos zur Auslosung und zur Ticketbestellung).
Sonntag letztes Heimspiel 2024
Für die Kieler geht es fortan in der DAIKIN Handball-Bundesliga noch zweimal im Jahr 2024 um wichtige Punkte: Während die letzte Partie des Jahres am zweiten Weihnachtsfeiertag beim TBV Lemgo Lippe auswärts bestritten wird, ist die nächste Partie am Adventssonntag das letzte Heimspiel des Jahres. Zu Gast ist der starke Aufsteiger SG BBM Bietigheim um Weltmeister Iker Romero und Europameister Julius Kühn. Anpfiff in der Wunderino Arena ist um 16:30 Uhr, nach der Partie wird Kapitän Domagoj Duvnjak wie gewohnt seine traditionelle Weihnachtsansprache halten. Noch ist ein wenig Platz in der Wunderino Arena: Eintrittskarten sind noch unter www.thw-tickets.de , auf dem offiziellen Zweitmarkt von Fans für Fans, sowie bei CITTI und in der THW-FANWELT erhältlich. Diese öffnet die Tageskasse am Sonntag um 13:30 Uhr. Weiter geht’s gegen Bietigheim, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
DHB-Pokal, Viertelfinale: THW Kiel – VfL Gummersbach: 36:33 (20:20)
THW Kiel: Nowottny (n.e.), Mrkva (n.e.), Wolff (1.-60., 14 Paraden); Duvnjak (3), Landin, Överby, Wiencek (4), Pabst, Johansson (7), Dahmke (1), Zerbe (4), Kutz (n.e.), Madsen (8),á Skipagötu (4), Imre (5/4); Trainer: Jicha
VfL Gummersbach: Kuzmanovic (1.-21., 31.-54., 7/2 Paraden), Obling (21.-30., 2 Paraden); Vidarsson (5), Kodrin (2), Vujovic (1), Köster (4), Blohme (2), Häseler (5), Einarsson (3), Schluroff (4), Tskhovrebadze, Pregler (1), Horzen (6), Protsiuk, Zeman; Trainer: Sigurdsson
Schiedsrichter: Steven Heine / Sascha Standke
Zeitstrafen: THW: 2x Överby (7.), Wiencek(47.), á Skipagötu (52.)) / VfL: 3 (Horzen (7.), Einarsson (30.), Vujovic (30.))
Siebenmeter: THW: 6/4 (Kuzmanovic hält 2x Imre (5., 7.), Imre verwandelt einmal den Nachwurf) / VfL: 0
Spielfilm: 0:4 (4.), 3:4 (8.), 3:6 (9.), 5:7, 5:9 (12.), 7.11 (15.), 9:11 (18.), 10:13, 12:13 (20.), 14:13 (21.), 14:16 (23.), 15:17 (24.), 18:17 (27.), 19:18, 19:20 (30.), 20:20;
2. Hz: 22:20 (32.), 23:22 (34.), 23:24 (36.), 26:24 (40.), 27:26 (44.), 29:26 (45.), 31:28 (52.), 32:30 (54.), 34:30 (56.), 34:32 (57.), 36:33.
Zuschauer: 7510 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Wir hatten einen riesigen Respekt vor der heutigen Aufgabe, Gummersbach hat eine fantastische Mannschaft, und wir haben ein K.o.-Spiel mit allem Drum und Dran erwartet. Und genau solch ein Spiel ist es geworden. Die erste Halbzeit hat sich nicht so entwickelt, wie gewollt. Aber ein Pokalfight ist kein Wunschkonzert. Goggis Jungs haben mit so viel Wut im Bauch aufs Gaspedal gedrückt, dass wir sie nicht stoppen konnten. Was mich stolz macht: Wir haben die Ruhe bewahrt, haben uns Schritt für Schritt, Angriff für Angriff in dieses Spiel gearbeitet. Das braucht auch Mut, wie bei Emil in einigen Wurf-Situationen, wie bei Bence, der nach zwei verworfenen Siebenmetern alle weiteren reinmacht. In der zweiten Halbzeit war es dann ein Spiel auf Augenhöhe, bis wir eine sehr gute Phase von 19:20 auf 22:20 haben. Das war wichtig für uns. Jetzt fahren wir das erste Mal zum Pokal-Final4 nach Köln und haben Vereins-Geschichte geschrieben. Das ist außergewöhnlich, und wir freuen uns riesig, dass wir diese Geschichte in diesem Spiel so schreiben konnten. Wir sind seit Mitte November nur noch mit einer Rumpftruppe unterwegs, deswegen möchte ich meine Jungs loben. Ich spüre die Energie in dieser Mannschaft. Morgen habe ich den Jungs freigegeben, ab Samstag muss der Fokus dem Spiel gegen die SG BBM Bietigheim gelten. Wir werden diese Aufgabe mit Demut angehen, das Spiel wird kein Selbstläufer nach solch einem emotionalen Abend. Wir haben heute in der zweiten Halbzeit schlau gespielt und haben langdsamer gemacht. Aber wenn ich ehrlich bin: Wir konnten auch nicht schneller. Das ist Fakt. Sonntag wird daher ein brutales Spiel, und ich appelliere deshalb an jeden einzelnen Fan, unseren Jungs zu helfen!
VfL-Trainer Gudjon Valur Sigurdsson: Glückwunsch an Filip und den THW Kiel. Ich bin heute sehr stolz auf meine Jungs. Das war unser bestes Saisonspiel, im Angriff die mit Abstand beste Leistung in dieser Spielzeit. Insgesamt war es eines der temporeichsten Spiele in diesem Jahr überhaupt in der ersten Halbzeit. Da haben alle viel Spaß gehabt. Wir haben super angefangen, und das Spiel war eigentlich die ganze Zeit ausgeglichen. Gegen Ende konnte sich der THW absetzen und hat mit seiner Erfahrung und seinem cleveren Spiel im Rückraum den Sieg dann sicher nach Hause gebracht.