THW Kiel in aller Munde: Deutschland feiert das Wunder gegen Montpellier
Wunder gibt es zwar immer wieder. Doch die magische Nacht von Kiel mit dem 31:21-Erfolg gegen Montpellier HB nach der krachenden Neun-Tore-Niederlage im Hinspiel war dann doch ein besonderes Wunder. Die Einheit aus "weißer Wand" und den Spielern auf dem Feld - sie begeisterte nicht nur alle, die dem THW Kiel nahestehen. "So eine Atmosphäre habe ich hier selten erlebt", suchte der mit allen Wassern gewaschene Kapitän Domagoj Duvnjak nach der 60-minütigen Abrissparty in der altehrwürdigen Wunderino Arena nach Worten für das, was sich zuvor abgespielt hatte. Das Resultat des Kieler Glaubens an eine Sensation und die Wiedergeburt der "Hölle" an der Ostsee - sie ließen Deutschland am Tag danach den THW Kiel feiern.
Auslosung am Dienstag
Am Tag danach mussten sich die Kieler einen weiteren Termin in ihren Kalender schreiben. Den der Auslosung der Halbfinal-Partien beim Truckscout24 EHF Final4 2024 in Köln. Am Dienstag, 7. Mai, werden um 17 Uhr in Budapest die Lose gezogen, wer gegen wen am 8. Juni in der mit 20.000 Zuschauern ausverkauften Lanxess Arena um den Finaleinzug in der europäischen Königsklasse kämpft. Im Lostopf der Titelverteidiger SC Magdeburg, der sich im Siebenmeter-Werfen gegen Kielce durchsetzte, der Rekordsieger aus Barcelona, der Paris Saint-Germain aus dem Wettbewerb schmiss, der Veszprem-Bezinger Aalborg Handbold und eben der THW Kiel.
Einheit aus Fans und Spielern
Mit den Zebras in Köln hatten nach der Neun-Tore-Klatsche in Montpellier eigentlich nur noch sie selbst und ihre Anhänger gerechnet. Dieser Glaube an ein Wunder, an die Stärke der Symbiose aus "weißer Wand" und THW-Stars, hatte am Donnerstag Berge versetzt und für eine der Sternstunden in der an herausragenden Spielen nicht armen Geschichte der Wunderino Arena gesorgt. Die Kieler Fans, die ihre Mannschaft auch dann noch nach vorn gepeitscht hatten, als das Wunder angesichts des 20:24-Anschlusstreffers der Franzosen (45.) in weite Ferne zu rücken schien. Sie pfiffen, schrien, störten mit ihren Tröten die Kommunikation der Franzosen im Angriff. Und feierten jedes der Kieler Tore, jede einzelne Parade, jedes Stoppfoul und jeden Ballgewinn wie einen Titelgewinn. Und die Kieler Spieler? Sie lieferten ab. Mit einer unglaublichen Energieleistung warfen sie sich in jeden Zweikampf und spielten auch nach Rückschlägen einfach weiter. Mit Mut und dem unbedingten Willen, etwas Großes zu schaffen.
Der Glaube versetzte Berge
Die Fans, sie glaubten an das Wunder. Die Kieler Spieler auch. "Montpellier ist einfach gegen unsere weiße Wand gelaufen, die heute niemand brechen konnte", jubelte Rune Dahmke. Als Tomas Mrkva dann den finalen Wurf parierte und das Wunder geschehen war, ging die magische Nacht, die THW-Trainer Filip Jicha schon bei der Kabinen-Ansprache direkt nach der Schlappe von Montpellier beschworen hatte, in die Verlängerung. Dahmke und Duvnjak sanken engumschlungen zu Boden, Niclas Ekberg schaute gedankenverloren auf die tobende Masse aus THW-Fans, Samir Bellahcene und Karl Wallinius formten mit ihren Händen Herzen für die "weiße Wand". Und alle, wirklich alle Zebras, herzten ihren Trainer, der ihnen den Glauben an das Wunder eingeimpft hatte. "Es war eine wirklich brutale Trainingswoche, vielleicht die härteste meines Lebens", sagte der THW-Toptorschütze Eric Johansson. "Aber es hat sich gelohnt. Es war ein unglaubliches Spiel mit einer unglaublichen Stimmung, wie ich sie noch nie erlebt habe."
Stimmung wie lange nicht mehr
Jicha selbst hatte die 60 Minuten an der Seitenlinie beinahe mitgespielt, kniete, redete mit den Spielern, jubelte, forderte. "Wir wollten Montpellier von Anfang an zeigen, dass jedes Tor weh tun wird", analysierte er nach der Pressekonferenz. "Und wir wollten unsere Kult-Arena mitnehmen, unseren Fans etwas zurückgeben. Ich weiß, dass unsere Fans es honorieren, wenn sie spüren, dass du alles für den Verein gibst. Wenn du alles in solch ein Spiel hineinwirfst, was du noch im Tank hast." Die Belohnung war eine Stimmung, wie man sie lange nicht mehr in der Wunderino Arena erlebt hat. Bedingungslose Unterstützung vom Einlaufen bis zum Verlassen der Halle. Die "weiße Wand" - sie machte in dieser magischen Nacht ihrem Ruf alle Ehre. Der Lohn: Zum neunten Mal ist der THW Kiel in Köln dabei. Sicherlich nicht als Favorit, aber als Team mit einem großen Willen. "Wir dürfen unseren Traum weiter leben", erklärte Jicha. "Und wenn wir in Köln wie gegen Montpellier unsere Herzen in die Hand nehmen, kann auch dort alles passieren."
Millionen TV-Zuschauer am Tag nach dem Wunder
Das Wunder von Kiel - es wirkte auch am Tag danach. Sorgte für Aufsehen, selbst in Medien, die ansonsten eher selten über Handball berichten. "RTL aktuell", mit 2,72 Millionen Zuschauern die reichweitenstärkste Nachrichtensendung im privaten Fernsehen, widmete der magischen Nacht einen zweiminütigen Beitrag, in dem Rune Dahmke von den Momenten berichtete, in denen die Halle "explodierte. Da hatten wir alle das Gefühl: Heute ist alles möglich." Die "Heute"-Nachrichten im ZDF, von 2,98 Millionen Zuschauern gesehen, die "Tagesschau" in der ARD und das Schleswig-Holstein-Magazin im NDR-Fernsehen - sie alle feierten den THW Kiel. Genauso übrigens wie die renommierte Süddeutsche Zeitung. Sie titelte: "Neun Tore Rückstand? Macht doch nix. Die spinnen, die Kieler." Genau. Und deshalb steht das Truckscout24 EHF Final4 2024 auch unter dem Kieler Motto: "Sabbel nich' - dat geit!"