In der Magdeburger GETEC-Arena hatten in dieser Saison bereits die SG Flensburg-Handewitt (27:29) und die Rhein-Neckar Löwen (31:31) Punkte liegen lassen. Dennoch ging der neu formierte THW Kiel als Favorit in die Partie, denn beim SCM fielen mit den Spielmachern Michael Haaß und Marko Bezjak, Linkshänder Andreas Rojewski, Linksaußen Yves Grafenhorst und den abwehrstarken Kreisläufern Kjell Landsberg und Marco Oneto gleich sechs Stammspieler aus. Somit rückten einige Akteure der in der 3. Liga spielenden "YoungsterS" in den Fokus: Kreisläufer Tim Willi Ackermann stand ebenso auf dem Spielberichtsbogen wie die Rückraumspieler Maximilian Janke und Bert Hartfiel, die sogar in der Magdeburger Startformation standen.
THW-Coach Alfred Gislason konnte erstmals in der Saison richtig aus dem Vollen schöpfen, auch wenn einige seiner Spieler angeschlagen in die Partie gingen. Aron Palmarsson durfte von Beginn an Regie führen, neben ihm starteten Filip Jicha und Marko Vujin, Gudjon Valur Sigurdsson und Christian Sprenger auf den Außenbahnen, Rene Toft Hansen am Kreis und Andreas Palicka zwischen den Pfosten.
Ausgeglichene Anfangsphase
Dass es trotz der personellen Notlage bei den Gastgebern alles andere als eine leichte Partie für den THW Kiel werden würde, dafür sorgten alleine schon die 6.330 Zuschauer in der nahezu ausverkauften GETEC-Arena, die ihre Mannschaft schon weit vor dem Anpfiff lautstark unterstützten. Dennoch hatten die "Zebras" den besseren Start: Gleich im ersten Magdeburger Angriff schnappte sich Palmarsson den Ball und schickte Landsmann Sigurdsson zum 0:1 auf die Reise. Der Kieler Linksaußen erzielte nach feinem Vujin-Anspiel auch den zweiten Kieler Treffer vom Kreis. Jedoch zeigte Magdeburg schnell, dass man sich keineswegs zu verstecken brauchte: Nationalspieler Stefan Kneer glich jeweils postwendend per Sprungwurf aus, und nach Vujins Hüftgeschoss zum Kieler 3:2 sorgten Musche und ein Weber-Gegenstoß nach Jicha-Fehlpass beim 4:3 sogar für die erste Führung der Grünen. Die GETEC-Arena stand Kopf.
Duell der Angriffsreihen
Die "Zebras" behielten allerdings zunächst die Partie im Griff. Jicha antwortete per schneller Mitte zum 4:4, und nachdem Kneers Wurf an den Pfosten donnerte und Palicka gegen Hartfiel parierte, hatten Sprenger mit einem feinen Leger sowie Vujin aus zehn Metern das Ergebnis auf 6:4 (9.) für die Kieler gestellt. Es war eine rasante, von den Angriffsreihen bestimmte Anfangsphase, weder die beiden 6:0-Defensivreihen noch die Torhüter konnten Akzente setzen.
Gislason stellte weiter um, brachte zunächst kurzfristig Wael Jallouz für Jicha und wenig später Rasmus Lauge für Aron Palmarsson. Und nachdem Vujin in Unterzahl den 11:12-Anschluss markierte und Sjöstrand erstmals Sieger gegen Kneer blieb, hatten der Rekordmeister die Chance zum Ausgleich. Doch wieder machte der nun furios aufspielende Quenstedt den Kielern einen Strich durch die Rechnung: Der 24-Jährige parierte vor der Pausensirene nicht nur gegen Sigurdsson und Lauge, sondern entschärfte auch noch zwei Strafwürfe von Vujin und Ekberg samt Nachwurf. Die GETEC-Arena war spätestens nach dem frechen Treffer Webers, zum 14:11, der einen bereits verloren geglaubten Ball noch aus dem Kieler Kreis fischte und energisch abschloss, endgültig zu einem Tollhaus geworden, Fans und Mannschaft glaubten an den Heimsieg, zumal der Drei-Tore-Vorsprung auch bis zur Pausensirene Bestand hatte.
THW gelingt Ausgleich nach Wiederanpfiff
Laut sollte es zugegangen sein in der Kieler Kabine, bereits nach fünf Minuten kehrten die "Zebras" aufs Parkett zurück, um eine erneute erfolgreiche Aufholjagd zu starten. Die Vorzeichen standen nicht schlecht, zumal die Magdeburger die zweiten dreißig Minuten in Unterzahl beginnen mussten, nachdem die Schiedsrichter Baumgart/Wild kurz vor dem Seitenwechsel dann doch einmal dazu durchringen konnten, für die harte Gangart in der Magdeburger Deckung eine Zeitstrafe zu verteilen. Und tatsächlich: Vujin und Jicha per Strafwurf verkürzten auf 15:16, und nach einer weiteren Zeitstrafe gegen Wiegert war der SCM nach 36 Minuten durch den vierten Toft-Hansen-Treffer zum 18:18 wieder gestellt. In der Abwehr gelang dann Filip Jicha ein Steal, doch im Kampf um den freien Ball zog er gegen Weber den Kürzeren - Musche wackelte den einzigen nicht bereits aufgerückten Kieler Toft Hansen aus und traf zum 19:18 für die Magdeburger. Statt der ersten Kieler Führung gewannen die Gastgeber ihr kurzzeitig verloren geglaubtes Selbstvertrauen zurück.
Magdeburg legt wieder vor
Und so spielten sich die Magdeburger langsam in einen Rausch. Matthias Musche gelang es, Marko Vujin weitestgehend aus dem Spiel zu nehmen, Quenstedt sorgte in wichtigen Momenten immer mal wieder für eine wichtige Parade, und Stefan Kneer war vorne überhaupt nicht mehr zu stoppen. Rückte die Kieler Abwehr einmal energischer gegen den Nationalspieler heraus, fand Kneer in Bartosz Jurecki zudem einen dankbaren Abnehmer. Auch kam beim THW zunehmend Pech dazu: Als Vujin beispielsweise nach seinem krachigen Treffer zum 21:22 auf dem Parkett liegen blieb, ließen die Schiedsrichter weiterspielen - die Unordnung in der Kieler 5:0-Abwehr nutzte Musche zum postwendenden 23:21. Und nachdem Palmarsson einen Wurf über den Kasten zirkelte und einmal mehr Kneer auf 24:21 erhöhte, war der Magdeburger Drei-Tore-Vorsprung aus dem ersten Durchgang wieder hergestellt.
THW gleicht erneut aus
Immerhin klappte beim THW aber das Spiel über den Kreis: Rene Toft Hansen, der nun zusammen mit Patrick Wiencek im Mittelblock stand, traf entweder selbst oder holte einen Strafwurf heraus. Und vom Siebenmeterstrich blie Filip Jicha stets cool und hielt die Schwarz-Weißen in der Partie. Auch die Kieler Deckung stand nun ein bisschen gefestigter und zwang die Schiedsrichter dazu, desöfteren das passive Vorwarnzeichen zu geben. So scheiterte Kneer aus Bedrängnis, und nachdem Wiencek ein Jicha-Anspiel artistisch mit einer Hand annahm und vollstreckte und wenig später eine Zeitstrafe gegen Hartfiel sowie einen Siebenmeter herausholte, den Jicha zum 24:24-Ausgleich nutzte, schien das Momentum doch wieder auf die Seite der Kieler zu wandern.
Indes - Magdeburg ließ nicht locker: Fabian van Olphen tankte sich in Unterzahl durch die Kieler Deckung, traf zum 25:24 und provozierte obendrein eine Zeitstrafe gegen den mittlerweile gnadenlos ausgepfiffenen Vujin. Da Sigurdsson und Sprenger mit ihren Wurfversuchen an Quenstedt scheiterten, sorgten Jure Natek per Hüftwurf und Tim Hornke von außen sogar wieder für das 27:24 für die Sachsen-Anhaltiner.
Nach dem Bilderbuchstart mit 16:0 Punkten wurde die neu formierte "Zebra-Herde" in Magdeburg auf den Boden der Tatsachen zurück geholt. Es wartet noch immer viel Arbeit auf Alfred Gislason und seine Mannschaft, die sich trotz der Pleite aber weiterhin an der Tabellenspitze der DKB Handball-Bundesliga befindet. Viel Zeit zum Verarbeiten der Niederlage haben die Kieler indes nicht, denn bereits am Samstagabend sind sie in der "VELUX EHF Champions League" bereits wieder gefordert. In Portugal treffen die "Zebras" auf den dortigen Meister FC Porto Vitalis, Eurosport überträgt die Partie (Anwurf: 21.15 Uhr deutscher Zeit) live.
(Sascha Krokowski)