
Die ganz große Bühne für einen ganz großen Sportler: Patrick Wienceks emotionaler Abschied
Die Vorfreude bei Fans, Spielern und allen Beteiligten im Kreise des THW Kiel war enorm groß, das Abschiedsspiel für Patrick Wiencek am frühen Freitagabend in der komplett ausverkauften Kieler Wunderino-Arena übertraf dann aber sämtliche Erwartungen. Über 10 000 Fans waren gekommen, wollten "Bam Bam" Tschüs sagen, oder besser: Auf Wiedersehen. Nach 13 unvergesslichen Jahren von 2012 bis 2025 im Dress des deutschen Handball-Rekordmeisters machte der 36-jährige THW-Kreisläufer und Nationalspieler seine letzten Schritte auf dem von ihm selbst so geliebten Parkett. Und natürlich warf er bei seinem ganz persönlichen Finale alles in die Waagschale, erzielte beim 33:28-Sieg für das Team "Piet & Friends" gegen den THW zehn Tore. Fünf auf der einen Seite, fünf auf der anderen.
Selbst der Ministerpräsident war beim Handballfest mittendrin
Die dreimal 17 Minuten wurden zu einem Handballfest, gefeiert von begeisterten Fans, getragen von großartigen Spielern, alt und jung. Und als Überraschungsgast machte im letzten Drittel sogar Daniel Günther mit, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident. Der 52-jährige Regierungschef, ein erklärter Handballfan, der selbst als Jugendlicher beim Eckernförder MTV aktiv gewesen war, hatte mit Nachwuchscoach Klaus-Dieter Petersen und einigen A-Jugendlichen zwei Geheim-Trainingseinheiten in Altenholz absolviert. Günther ist Linkshänder, ordnete sich fünf Minuten lang auf Rechtsaußen ein und überwand THW-Torhüter Leon Nowottny zum 27:26-Zwischenstand. Selbstverständlich war der Jubel groß. "Hej, Daniel, hej", skandierten die THW-Fans in gewohnter Begeisterung für "ihre" Torschützen.
Star-Auflauf zum Abschied
659 Spiele hat Patrick Wiencek im THW-Dress mit der Nummer 17 absolviert, dabei 1592 Tore geworfen und insgesamt 20 Titel im THW-Trikot gefeiert. Bei sechs Meisterschaften war er dabei, gewann fünfmal den DHB-Pokal, triumphierte international im EHF-Cup und gewann 2020 auch die Champions League. Klar, dass Patrick Wiencek auch andere Ehrungen zuteil wurden, Deutschlands Handballer des Jahres war eine davon.
So versammelte sich am Freitagabend bei der Partie gegen den aktuellen Rekordmeister eine illustre Runde um den bescheidenen Star, der jetzt in die Handball-Rente geht. "Bam-Bam" stellte sie mit dem Mikrofon in seinen Händen vor der Partie alle einzeln vor. Steffen Weinhold war gekommen, Niclas Ekberg, Klaus-Dieter Petersen, im Tor standen Silvio Heinevetter und Nikolas Katsigiannis, Bruder David Wiencek erleuchtete erstmals im großen Rampenlicht, Dominik Klein war gekommen, Karl Wallinius, Pavel Horak und auch Julian Köster, Kiels künftiges Rückraum-Ass, der 2026 aus Gummersbach an die Förde wechselt. Auch ein Flensburger durfte nicht fehlen, Johannes Golla, Wiencek-Freund aus der Handball-Nationalmannschaft, freute sich auf das Ereignis bei der für ihn ungewohnten "Heim-Kulisse".
Erstes Tor der Partie natürlich von Wiencek
Und dann gingen sie auch los, die letzten 51 Minuten für Patrick Wiencek, und das erste Tor der Partie erzielte - selbstverständlich der Jubilar selbst. War "Piet" mit einem Siebenmeter zunächst noch an Andy Wolff gescheitert, verwandelte er wenig später das Anspiel von Filip Jicha, seinem Ex-Trainer, zur 1:0-Führung, Eric Johansson glich aus, Wiencek erzielte die erneute Führung, Emil Madsen hatte viel Freude bei seinem folgenden Dreher zum 2:2. In der Folge ging es hin und her, alle hatten ihren Spaß, zauberten, versuchten sich mit Doppel-Kempa. Nach den ersten 20 Minuten pfiffen die Unparteiischen, Brobeck/Reich, die ihre Karriere nach 23 Jahren mit der Pfeife ebenfalls beendet haben, beim Stand von 8:10 zur ersten Drittel-Pause.
Duisburger Wolfgang Trepper würdigt Duisburger Wiencek
Wolfgang Trepper, Kommödiant und Schauspieler aus Duisburg, bekannt unter anderem aus dem Fernsehen an der Seite von Dieter Nuhr, ergriff das Wort. Patrick Wiencek sei ein Vorbild in jeder Hinsicht, lobte Trepper, "er ist einer, der nicht nur über die Platte läuft, sondern sich auch um Menschen kümmert." Trepper erwähnte, dass Patrick Wiencek maßgeblich beteiligt gewesen sei an einer Spendenaktion für das UKSH, genauer für die Kinderkrebsstation. Über 150 000 Euro seien so im Laufe der Jahre zusammengekommen. "Eine großartige Geschichte." Weiter ging es auf dem Parkett: Lukas Zerbe traf, Christian Zeitz war dreimal zur Stelle, die Fans bejubelten den ehemaligen THW-Linkshänder. Und Patrick Wiencek machte das, was ihm in seiner aktiven Zeit nie vergönnt war. Tore von der Siebenmeterlinie. Zweimal versenkte er den Ball im Netz, freute sich über sein Geschick vom Punkt.
Humorvolle Einlagen
Und schmunzelte, als sein jahrelanger Mitstreiter im Abwehrblock, Hendrik Pekeler, die Zuschauer mitnahm in kleine Parodien über Wiencek. "Es ist bestimmt aufgefallen, dass Patrick Probleme hatte, Zeitstrafen zu akzeptieren, darüber haben wir ein kleines Video gemacht", verriet "Peke" den Fans. Die Fans waren begeistert über die Schauspielkünste von Rune Dahmke und Co., die ihren einstigen Mitspieler kopierten, ihn fluchen, die Schiedsrichter anflehen ließen. Und Hendrik Pekeler erklärte: "Wir wollen nicht über Patrick lachen, sondern gemeinsam mit ihm." Eine gelungene Einlage, genauso übrigens wie die Tanzvorführungen der "Attitude Dance Company Kiel" oder der Auftritt des Fanfarenzuges TSV Pansdorf, der gleich zu Beginn der Veranstaltung die Blicke der Menschen auf sich zog und die Stimmung anheizte.
Spalier für das letzte Tor
Nach Tor Nummer sieben und acht von "Torjäger" Patrick Wiencek wurden beim 20:11 die Seiten erneut gewechselt. "Pitti" Petersen wurde umjubelt, mühte sich am Kreis, Andy Wolff wechselte die Seite, tauschte sein Torhütertrikot gegen das der werfenden Mitspieler - und traf in der 42. Minute tatsächlich an Silvio Heinevetter vorbei zum 21:22. Selbst Schiedsrichter Hanspeter Brobeck versuchte sein Glück, scheiterte aber an Leon Nowottny. Und dann waren da noch die Treffer der Bald- und der Neu-Kieler: Der Noch-Gummersbacher Julian Köster sorgte für Jubel auf den Rängen, Lukas Laube feierte sein Tordebüt in der Wunderino-Arena, und Veron Nacinovic ließ sich auch nicht lange bitten, traf in der 49. Minute zum 26:26. Dem letzten Unentschieden für die Mannschaft in Weiß, den aktuellen THW. Am Ende gewann Schwarz, auch, weil Johannes Golla zweimal nicht zu bremsen war. Und das letzte Tor des Abends? Ja, klar, Kapitän Domagoj Duvnjak ebnete der neuesten THW-Legende den Weg, alle Spieler standen Spalier, als "Piet" zum 33:28-Schlussresultat einnetzte.
Banner unter dem Hallendach
Patrick Wiencek, der eigentlich nicht gerne im Mittelpunkt steht, war dann am Ende mit Frau Fabiane und den beiden in Kiel geborenen Kindern Paul und Lotta eben genau in diesem. Kapitän Domagoj Duvnjak herzte Wiencek lange, Geschenke gab es auch von seinem Team, den Fanclubs und natürlich vom THW Kiel. Dann der feierliche Moment, in dem das Riesen-Banner unter dem Hallendach enthüllt wurde. Wiencek atmete tief ein, blickte lange auf sein Konterfei in der langen Reihe der Kieler Legenden und bedankte sich dann nicht nur bei den Fans ("Ich hatte wirklich jedes Mal Gänsehaut beim Einlaufen"), den künftigen Geschäftsstellenkollegen, seinen Trainern, Betreuern und medizinischem Personal, sondern ganz besonders auch bei seiner Familie und seiner Mannschaft. Ganz Motivator gab er den - jetzt - ehemaligen Mitspielern mit auf den Weg, die Zeit beim THW Kiel zu genießen: "Ein Sportlerleben ist schnell vorbei. Genießt die Vorbereitung, man weiß nie, wieviel Zeit im Sport man noch hat." Und dann war sie vorbei, die aktive Zeit des Handballers Patrick Wiencek. Ein emotionaler Abschied auf der ganz großen Bühne.
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn