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Erster Sieg seit neun Jahren: Bärenstarke Zebras lassen sich bei PSG nicht vom Weg abbringen

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Erster Sieg seit neun Jahren: Bärenstarke Zebras lassen sich bei PSG nicht vom Weg abbringen

Es war das erwartet schwere, heiß umkämpfte und kraftraubende Auswärtsspiel für den THW Kiel in der Machineseeker EHF Handball-Champions-League beim französischen Spitzenklub Paris Saint Germain. Und es wurde ein beinahe historischer Abend. Weil die bärenstarken Zebras sich in der französischen Hauptstadt nicht von ihrem Weg abbringen ließen. Sie knackten zum ersten Mal seit neun Jahren die schwere Auswärtsnuss mit einer Gala-Leistung in der zweiten Halbzeit. Am Ende gewannen die Kieler das Spitzenspiel der Königsklasse vor rund 4000 Fans im Stade Pierre de Coubertin mit 34:28 (13:14) Toren und sind nach dem sechsten Spieltag alleiniger Tabellenführer der Gruppe A.

THW Kiel imponiert mit Geschlossenheit

Das Team von Trainer Filip Jicha imponierte in Paris mit mannschaftlicher Geschlossenheit, hatte in der Schlussphase mit Samir Bellahcene zudem einen Top-Torhüter zwischen den Pfosten und in Harald Reinkind sowie Elias Ellefsen á Skipagötu treffsichere Schützen in den eigenen Reihen. Beide trafen je siebenmal ins Tor der Pariser. Weil sich auch Nikola Bilyk (5), Rune Dahmke und Hendrik Pekeler (je 4) ausgiebig torhungrig zeigten, erlitten die Champions-League-Ambitionen von PSG einen gewaltigen Dämpfer. Die acht Tore von Kamil Syprzak, der als bester PSG-Schütze herausragte, waren zu wenig für den Tabellenführer der Französischen Liga, der erst die zweite Niederlage überhaupt in dieser Saison kassierte. Klar, dass die Zebras ihren überraschend klaren Sieg gemeinsam mit ihren 16 mitgereisten Fans nach dem Schlusspfiff ausgiebig feierten.

Hektische Anfangsphase

Kiels Trainer Filip Jicha setzte in seiner Startaufstellung auf Mittelmann Elias Ellefsen á Skipagötu, Nikola Bilyk im linken Rückraum und Torhüter Samir Bellahcene, dem er den Vorzug vor dem zuletzt überragenden Tomas Mrkva gab. Die Idee dahinter: Bellahcene ist Franzose, kennt die Spieler von PSG, außerdem ist der 28-Jährige in Montpellier geboren, dem Erzrivalen der Pariser im französischen Handball. Verständlich, dass Bellahcene extrem motiviert in diese für ihn besondere Partie ging. Den Führungstreffer von Nikola Karabatic konnte Bellahcene allerdings nicht verhindern. Niclas Ekberg konterte in einer hektischen Anfangsphase nach drei Minuten, erzielte den Ausgleich für die Zebras von Rechtsaußen. Per Siebenmeter traf PSG-Kreisläuferriese Syprzak dann zur erneuten Führung der Hausherren, die lautstark unterstützt wurden, vor allem von vielen Fußball-Ultras, die freien Eintritt hatten, sich mit viel Krach bedankten. Auf der Platte taten sich beide Teams dagegen zunächst schwer, die Abwehrreihen bestimmten das Spielgeschehen: Großartig war das Kieler Rückzugsverhalten, stark auch der Mittelblock mit Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek.

Reinkinds starker Auftritt

Weil die spanischen Unparteiischen Marin/Serradilla zudem kleinlich pfiffen, in den ersten 30 Minuten bereits insgesamt sieben Zeitstrafen für zum Teil lächerliche Vergehen verhängten, blieben Tore zwischen den beiden Meistern ihrer Länder Mangelware. Harald Reinkind ausgenommen. Kiels Linkshänder, seit Monaten beinahe Alleinunterhalter auf der rechten Rückraumseite, traf in der ersten Halbzeit fünfmal bei fünf Versuchen. Er war auch zur Stelle, als Paris nach 20 Minuten 9:7 vorne lag, Reinkind besorgte den 8:9-Anschluss, PSG nahm die zweite Auszeit. Doch die Kieler hatten auch im Angriff ins Spiel hineingefunden, Niclas Ekberg traf nach einem Einläufer aus der Mitte zum 9:9. Probleme bekam die Kieler Abwehr in erster Linie mit dem Meister des Trashtalks Syprzak, der seinen massigen Körper geschickt am Kreis einsetzte und auch von der Siebenmeterlinie traf. Der Pole erzielte sein fünftes Tor in der 26. Minute zum 11:10, doch á Skipagötu egalisierte per Siebenmeter. 

Knapper Halbzeitrückstand

Reinkind war wenig später ebenfalls zum fünften Mal zur Stelle, traf zum 12:12. Und als Tomas Mrkva, mittlerweile zwischen den THW-Pfosten, gegen Sole parierte, nahm Filip Jicha die erste Auszeit. "Prima. Ihr macht das sehr gut", lobte Kiels Trainer seine Mannen. Wenig später erzielte Eric Johansson den 13:13-Ausgleich mit einem Kracher in den rechten oberen Winkel, die Zebras schienen das gerechte Remis mit in die Pause zu nehmen. Doch wieder war es Syprzak, der Kiels Abwehr narrte, mit seinem sechsten Tor zum Halbzeitstand traf. Doch der THW Kiel war im Spiel, war in Reichweite, hatte offenbar das richtige Konzept gegen die Pariser Weltauswahl gefunden.

Schlagabtausch auf Weltklasse-Niveau

Tomas Mrkva startete dann mit einer Parade gegen Balaguer in die zweiten 30 Minuten, Hendrik Pekeler - glänzend von Nikola Bilyk bedient - veredelte die Glanztat seines Torhüters zum 14:14. Dann folgten prachtvolle Minuten von Linksaußen Rune Dahmke, der nach seiner Einwechslung drei Treffer in nur acht Minuten beisteuerte. Beim 17:16 in der 35. Minute erzielte der "Kieler Jung" auch die erste Führung im zweiten Durchgang für die Zebras. Paris konterte, legte das 19:18 vor. Doch die Kieler antworteten mit einem 3:0-Lauf. "Skippy" war zweimal nicht zu bremsen, einmal traf Dahmke - der THW freute sich beim 21:19 über seine erste Zwei-Tore-Führung. Doch PSG schlug zurück: Weil Patrick Wiencek seine zweite Zeitstrafe für einen harmlosen Schubser gegen Luc Steins kassierte, gerieten die Kieler kurz aus dem Rhythmus. Per 3:0-Lauf gingen die Franzosen in der 43. Minute mit 23:22 in Front, und dann folgte der starke Auftritt von Prandi, der kaum zu stoppen war: Paris führte in der 45. Minute mit 25:23, die "Ultras" feierten. 

Zebras machen mit Bellahcene den Deckel drauf

Doch die Zebras blieben ruhig, verfolgten weiter ihren Matchplan und kehrten an den Drücker zurück: Dahmke erzielte sein viertes Tor, Bilyk Tor Nummer fünf, "Skippy" narrte die PSG-Abwehr in der 48. Minute. Der THW glich zum 26:26 aus, die Partie stand auf des Messers Schneide. Einmal noch konnte Paris kontern, Syprzak traf zum 27:26. Dann ließen die Zebras fünf traumhafte Minuten folgen. Samir Bellahcene war zurück auf dem Parkett, nagelte seinen Kasten einfach zu, parierte gegen Grebille, Syprzak oder Prandi. Allesamt Glanztaten, die zur Basis für einen großartigen Kieler 5:0-Lauf wurden. Der entschied die Partie letztlich. Denn Patrick Wiencek traf vom Kreis, Hendrik Pekeler veredelte ein Reinkind-Anspiel, Harald Reinkind traf zweimal selbst, und als Niclas Ekberg seinen Tempogegenstoß in der 55. Minute zum 31:27 in die PSG-Maschen legte, war der Weg zum Sieg frei. Noch einmal Ekberg und abschließend das Solo von á Skipagötu: Kiel krönte seine großartige Leistung, gewann mit sechs Treffern in der französischen Hauptstadt und ist zurück an der Tabellenspitze.

Zebras reisen direkt weiter nach Göppingen

Bereits am Sonntag sind die Zebras wieder in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga gefordert: Bei Frisch Auf! Göppingen erwartet sie nicht nur ein Hexenkessel in der wohl zum ersten Mal in dieser Saison ausverkauften EWS Arena, sondern auch eine hochmotivierte Mannschaft, die den Kielern das Leben schwer machen wird. Um eine möglichst gute Vorbereitung auf die Partie zu gewährleisten, reisen die Zebras am Freitagvormittag nicht zurück nach Kiel, sondern mit dem Schnellzug TGV direkt weiter nach Baden-Württemberg. So können sie immerhin zweimal vor der Partie, die am Sonntag um 16:30 Uhr angepfiffen und live bei Dyn gezeigt wird, trainieren. Weiter geht’s in Göppingen, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: PSG

Machineseeker EHF Champions League, 6. Spieltag: Paris Saint-Germain – THW Kiel 28:34 (14:13)

Paris Saint-Germain: Palicka (49.-60., 2 Paraden), Green (1.-49., 6/1 Paraden); Marchan, Steins (2), N’Tanzi (1), Keita, Sole, Tönnesen (2), Balaguer (4), Grebille (5), Syprzak (8/2), L. Karabatic, Mathé (1), Holm, N. Karabatic (1), Prandi (4); Trainer: Gonzalez
THW Kiel: Mrkva (21.-45. und 1 Siebenmeter, 3 Paraden), Bellahcene (1.-21., 45.-60., 7 Paraden); Ehrig (n.e.), Duvnjak, Reinkind (7), Landin (1), Øverby, Wiencek (1), Ekberg (4), Johansson (1), Dahmke (4), Gurbindo, Wallinius, Bilyk (5), Pekeler (4), á Skipagøtu (7/2); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Andreu Marin Lorente / Ignacio Garcia Serradilla (ESP)
Siebenmeter: PSG: 3/2 (Syprzak an den Pfosten (16.)) / THW: 4/2 (Green hält Ekberg (9.), á Skipagötu an Pfosten, Nachwurf verwandelt (34.))
Zeitstrafen: PSG: 5 (Tönnesen (9.), 2x L. Karabatic (14., 26.), Grebille (45.), Prandi (54.)) / THW: 5 (Pekeler (10.), Duvnjak (12.), 2x Wiencek (15., 39.), Landin (26.))
Spielfilm: 1:1 (3.), 2:2, 4:2 (9.), 4:4 (13.), 6:5, 6:7 (15.), 9:7 (21.), 9:9 (22.), 12:12 (27.), 13:13 (29.), 14:13
2. Hz.: 16:15 (33.), 17:18 (36.), 19:18 (37.), 19:21 (39.), 20:22, 22:22 (43.), 23:23, 25:23 (45.), 26:24 (46.), 26:26, 27:26 (48.), 27:31 (55.), 28:31, 28:34.
Zuschauer: 3900 (Stade Pierre de Coubertin, Paris (FRA))

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha:Ich bin sehr stolz auf meine Jungs, die eine unglaubliche Energie und Qualität aufs Feld gebracht haben. Sie haben hart für den Erfolg gekämpft, standen immer zusammen und haben sich an den Matchplan gehalten. Auch in Phasen, in denen uns kleine Fehler unterlaufen sind. Aber diese Fehler haben uns nicht rausgebracht. Am Ende hat Samir ein paar ganz wichtige Paraden gezeigt, und wir konnten nach einer langen, langen Zeit endlich wieder in Paris gewinnen – und das gegen eine absolute Weltklasse-Mannschaft. Ich bin glücklich für meine Jungs.

THW-Torhüter Samir Bellahcene: Ich bin unglaublich glücklich für meinen Verein, der hier neun Jahre nicht gewonnen hat, und für meine Mannschaft. Der Sieg war wichtig für unser Selbstbewusstsein – auch im Hinblick auf die schwere Aufgabe am Sonntag in Göppingen. Das heute war einfach ein großes Ding – für mein Team, den THW Kiel und auch für mich. Ich war nicht zufrieden mit meiner Leistung, dann hat mir Filip eine zweite Chance gegeben. Und jetzt bin ich einfach überglücklich, dass ich meiner Mannschaft helfen konnte.