THW Kiel kassiert Niederlage im Viertelfinal-Hinspiel gegen abgezocktes Paris Saint-Germain

Weitere

THW Kiel kassiert Niederlage im Viertelfinal-Hinspiel gegen abgezocktes Paris Saint-Germain

Teil eins im Viertelfinal-Kracher der Machineseeker EHF Champions League ist gespielt, und die erste Runde ging klar an Paris Saint-Germain: In einer mitreißenden und brutal harten Partie am Mittwochabend in dem mit 9821 Zuschauern nahezu ausverkauften Hexenkessel Wunderino Arena setzten sich die Gäste mit 31:27 (13:12) durch. Die Kieler, die drei Tage nach dem schweren Bundesliga-Heimspiel gegen Hannover alles in die Waagschale warfen, lieferten den ausgeruhten Franzosen einen leidenschaftlichen Kampf. Dennoch ist die Hypothek für das Rückspiel am kommenden Mittwoch in Paris groß. Bester Torschütze der Kieler war Sander Sagosen, der neunmal traf.

Brutal-aggressive PSG-Deckung

Luka Karabatic senste Niclas Ekberg um

Auffällig im Duell der beiden europäischen Spitzenteams war eine besondere Härte, das Schiedsrichter-Gespann aus Litauen zeigte nicht immer einen klaren Durchblick: So zeigte es dem Kieler Hendrik Pekeler kurz vor dem Ende die direkte Rote Karte nach einem eher harmlosen Foul gegen Steins. Auf der anderen Seite senste Luka Karabatic den THW-Rechtsaußen Niclas Ekberg ohne Chance auf den Ball um - hierfür gab es zwei Minuten, aber keinen Siebenmeter. Nur ein Beispiel von vielen - dieses Spiel tat weh. Die brutale Aggressivität der Pariser in der Deckung zahlte sich allerdings aus, auch weil dem THW Kiel die Wurfeffektivität und Wechselmöglichkeiten im Angriff fehlten. Das Schiedsrichtergespann erntete für seine Spielführung indes beim Auszug aus der Arena ein gnadenloses Pfeifkonzert. 

Kieler Personalsorgen

Sander Sagosen erzielte neun Tore

THW-Trainer Filip Jicha hatte einmal mehr Personalprobleme, musste neben den Langzeitverletzten Sven Ehrig (Kreuzband) und Steffen Weinhold (Schulter-OP) auch auf Eric Johansson verzichten, der sich drei Tage zuvor beim Bundesligaspiel gegen Hannover die linke Hand gebrochen hatte und für den Rest der Saison ausfallen wird. Nikola Bilyk, gegen Hannover mit Adduktorenproblem nur Zuschauer, saß immerhin schon wieder auf der THW-Bank. In den zweiten 30 Minuten kam der Österreicher für wenige Minuten aufs Feld, entlastete seine voll geforderten Kollegen im Rückraum. Weitere zaghafte Gehversuche nach seiner Knieoperation im Dezember machte zudem Karl Wallinius, der junge Schwede ließ die Zuschauer zudem über sein erstes Tor jubeln, das er in der zwölften Minute mit einem Hammer aus dem Rückraum erzielte.

Zebras mit guten Start

Miha Zarabec begann stark

Den ersten beiden Minuten drückte Miha Zarabec den Stempel auf: Kiels Mittelmann stieß nach 30 Sekunden durch die Lücke, traf schnell zum 1:0. Und nachdem Niklas Landin den Ausgleich mit einer Glanzparade gegen Prandi verhindert hatte, war Miha Zarabec erneut zur Stelle, jagte den Ball per Stemmer zum zweiten Mal ins Pariser Netz. Dann folgten erste fragwürdige Pfiffe der litauischen Unparteiischen. Die Folge: Syprzak, Steins und der 2,15-Meter-Riese Kristopans brachten die Franzosen in Front, legten auf 3:2 vor. Die Torausbeute auf beiden Seiten hielt sich zunächst aber in Grenzen. Niklas Landin im THW-Tor und sein dänischer Nationalmannschaftskollege auf der anderen Seite, Jannick Green, hatten ihre Hände im Spiel. Beide Abwehrreihen ließen zudem nur wenig zu, verschoben großartig, waren auch im Rückzugsverhalten stark. Außerdem war die Wurfausbeute aller Angreifer zunächst bescheiden.

Zweite Zeitstrafe gegen Pekeler verhilft Paris zur Führung

Abwehrarbeit Griechisch-Römisch

Die Gäste lagen zumeist knapp vorn, Nenadic traf nach 16 Minuten zum 6:7 , ehe Niclas Ekberg per verwandeltem Strafwurf und Sander Sagosen den THW ihrerseits mit 8:7 in Front warfen. Aber der enorm kraftraubende Aufwand, den die Zebras betreiben mussten, machte sich schon in dieser Phase bemerkbar. Filip Jicha reagierte frühzeitig und brachte den siebten Feldspieler, um das PSG-Bollwerk in Bedrängnis zu bringen. Das funktionierte, deshalb war die frühe zweite Zeitstrafe gegen Hendrik Pekeler besonders unglücklich. Fortan konnte "Peke" in der Abwehr nur noch selten eingesetzt werden. Paris nutzte zudem die Überzahlsituation: Angeführt von ihrem rasend schnellen niederländischen Mittelmann Steins hatten die Gäste dann wieder die Nase vorn, Sole traf zur ersten Zwei-Tore-Führung, nach Magnus Landins Ausgleich erzielte Syprzak Sekunden vor dem Seitenwechsel die 13:12-Führung für die Franzose.

PSG kommt besser aus der Kabine

Luc Steins war kaum zu stoppen

Gleich nach dem Wechsel kochte die Halle, als Niklas Landin dem frei vor ihm auftauchenden Steins den Ball abkaufte. Doch der THW-Angriff kam nur schwer ins Laufen, Prandi erzielte das 12:14. Dann kassierte Patrick Wiencek eine zumindest diskussionswürdige Zeitstrafe. Hinzu kam auch Pech: Niclas Ekberg vergab einen Strafwurf, der Ball sprang vom Innenpfosten direkt in die Pariser Abwehrarme - Prandi erzielte das 15:12. Die siebenminütige Torflaute der Zebras beendte Magnus Landin mit seinem Strafwurf zum 13:15. Trotzdem: Es lief nicht rund für den THW, Filip Jicha wechselte, brachte jetzt auch Nikola Bilyk, doch die extrem harte Pariser Abwehr ließ ein flüssiges Spiel der Zebras nicht zu - zumal viele überharte Fouls ungeahndet blieben. 14:17 hieß es nach 40 Minuten durch Steins. Minutenlang nahm Magnus Landin den Niederländer jetzt in Manndeckung. Mit Erfolg.

Dahmke: "Wir werden voll angreifen"

Harald Reinkind traf fünfmal

Mit einem 3:0-Lauf durch Harald Reinkind, Magnus Landin und Rune Dahmke schlossen die Kieler auf, glichen in der 44. Minute zum 19:19 aus - die Arena war nun ein Tollhaus. In diesem traf wenig später Harald Reinkind noch einmal zum Unentschieden, 20:20. Doch Paris blieb seiner Linie treu, blieb aggressiv in der Deckung und traf selbst zumeist über den Kreis oder die Außen. In der 56. Minute waren die Gäste durch Prandi auf 28:24 enteilt. Zweimal noch robbten sich die Kieler durch Patrick Wiencek auf drei Tore heran, hatten kurz vor dem Ende sogar noch die Möglichkeit, auf zwei Tore zu verkürzen. Doch Sagosen rutschte unglücklich weg, Reinkind stoppte den Wurf aufs leere Tor, doch der Ball landete direkt bei Gibelin, der zum 31:27 für die Gäste traf. Eine Szene, die irgendwie bezeichnend für die erste Halbzeit dieses Viertelfinal-Krachers war: Am Ende fehlte dem THW Kiel in vielen Szenen auch ein wenig das Spielglück... "Wir haben in wichtigen Phasen zu viele technische Fehler gemacht", analysierte Kiels Linksaußen. "Mit minus vier Toren nach Paris zu fahren, wird nicht einfach. Aber wir werden voll angreifen. Ich habe den großen Glauben an meine Mannschaft, dass wir überall mit vier oder mehr Toren gewinnen können - auch in Paris." 

Nächstes wichtiges Spiel Samstag in Stuttgart

Während PSG sich bis zum Rückspiel am kommenden Mittwoch (20:30 Uhr live bei DAZN und beim Public Viewing in Kiel) in Paris auf den THW Kiel vorbereiten kann, steht für die Zebras bereits am Samstag die nächste richtig wichtige Partie an: In der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga wollen die Kieler beim TVB Stuttgart mit einem Sieg ihre Tabellenführung in der stärksten Liga der Welt verteidigen. "Kaum jemand ahnt, wie anspruchsvoll diese Aufgabe in Stuttgart wirklich ist", sagte THW-Trainer Filip Jicha, "unsere Aufgabe wird es sein, unsere Coolness zu bewahren und unser Spiel durchzuziehen - am besten, ohne auf die Anzeigetafel zu schauen. Und dann sehen wir am Ende, was dabei herausgekommen ist." Anwurf in der Porsche-Arena ist um 20:30 Uhr, Sky überträgt das Spiel live. Weiter geht’s in Stuttgart, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn

Machineseeker EHF Champions League, Viertelfinal-Hinspiel: THW Kiel – Paris Saint-Germain 27:31 (12:13)

THW Kiel: N. Landin (1.-60., 12/1 Paraden), Mrkva (n.e.); Duvnjak, Sagosen (9), Reinkind (5), M. Landin (3/2), Øverby, Wiencek (3), Ekberg (2/2), Pabst (n.e.), Fraatz, Johansson, Dahmke (2), Zarabec (2),Wallinius (1), Bilyk, Pekeler; Trainer: Jicha
Paris Saint-Germain: Palicka (2 Siebenmeter, 1/1 Parade), Green (1.-60., 12/1 Paraden, 1 Tor); Steins (3, N’Tanzi, Keita, Kristopans (6), Nenadic (1), Sole (6), Toft Hansen, Balaguer, Grebille (1), Syprzak (6), L. Karabatic, Mathé, Gibelin (1), Prandi (6); Trainer: Gonzales

Schiedsrichter: Vaidas Mazeika / Mindaugas Gatelis (LTU)
Zeitstrafen: THW: 5 (M. Landin (16.), 2x Pekeler (20., 23.), Wiencek (32.), Dahmke (33.)) / PSG: 6 (2x L. Karabatic (25., 60.), Toft Hansen (37.), 3x Kristopans (43., 52., 56.))
Rote Karten: Pekeler (THW, grobes Foulspiel, 59.), Kristopans (PSG, 3. Zeitstrafe (56.))
Siebenmeter: THW:6/4 (Green hält Ekberg (23.), Palicka hält Ekberg (35.)) / PSG: 3/2 (Landin hält Nenadic (27.))
Spielverlauf: 2:0 (2.), 2:3 (7.), 5:6, 6:7 (19.), 8:8 (21.), 8 (25.), 10:10, 12:12 (30.), 12:13;
12:15 (33.), 15:18 (40.), 16:19 (42.), 19:19 (45.), 20:20,. 20:22 (47.), 23:24 (50.), 23:27 (54.), 27:30 (59.), 27:31.
Zuschauer: 9821 (Wunderino Arena, Kiel)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha:Glückwunsch an Raul und PSG zu diesem sehr verdienten Sieg. Wir haben alles versucht, was noch drin war. Aber Paris war da, war ein bisschen schneller. Wir waren nicht in der Lage, PSG mit unserer Abwehr zu stoppen. Aber: Es war das Hinspiel, es ist jetzt Halbzeit. Wir reisen am Samstag nach Stuttgart zum Liga-Spiel, und Paris hat frei. Aber wir werden nächste Woche wieder bereit sein, da bin ich mir sicher. Ich glaube an meine Spieler, sie sind wirklich spezielle Charaktere. Und wir werden versuchen, das Wunder von Paris zu schaffen.

PSG-Trainer Raul Gonzales: Es ist in Kiel immer sehr schwierig zu spielen, der THW hat eine klasse Mannschaft. Deshalb sind wir glücklich, hier gewonnen zu haben. Aber es ist noch nicht vorbei. Filip und der THW Kiel haben die Qualität, um auch in Paris ein starkes Spiel abzuliefern.

PSG-Kreisläufer Kamil Syprzak: Wir wussten, was wir tun müssen, um ein gutes Ergebnis hier zu holen. Dass wir mit vier Toren gewinnen würden, war aber nicht abzusehen. Es ist ein bisschen eine komische Situation: Du gewinnst in Kiel, kannst Dich darüber aber nicht so richtig freuen. Denn in Paris entscheidet sich erst alles.

THW-Linksaußen Rune Dahmke: Gratulation an Paris für diesen fantastischen Auftritt. Aber es ist erst Halbzeit, und ich habe den großen Glauben an meine Mannschaft, dass wir überall mit vier oder mehr Toren gewinnen können - auch in Paris. Wir werden nicht aus dem Wettbewerb gehen, ohne noch einmal einen Riesen-Fight abzuliefern.