KN: Kleine Brötchen, große Tortur
Von den Prämien der Fußballer können die Handballer nur träumen
Die Tortur in der europäischen Eliteliga ist groß: Der Spielplan, der in Gruppe A am Donnerstag mit dem 25:24-Sieg von Silkeborg in Schaffhausen seinen Lauf nahm, sieht bis zum 4. Dezember neun der insgesamt 14 Vorrunden-Spieltage vor. Der Weg ins Final Four am 3. und 4. Juni 2017 ist weit und steinig, auch wenn jeweils sechs der acht Mannschaften der Gruppen A und B weiterkommen, während sich in den Gruppen C und D - der "zweiten Liga" des Wettbewerbs - nur die Gruppensieger und -zweiten Hoffnung auf das Achtelfinale machen dürfen. 14 Spiele in der Gruppenphase - während die drei deutschen Teams THW, Flensburg und Rhein-Neckar Löwen sich der Parallelgesellschaft Europapokal neben einer kräftezehrenden Bundesliga mit 18 Mannschaften und reihenweise starken Gegnern stellen müssen, stellen die Spiele in der Champions League für die Vertreter aus Ländern wie Spanien, Polen oder Ungarn, in denen Barcelona, Veszprem, Kielce und Co. in kleinen und schwachen Ligen zuweilen zu Alleinunterhaltern mutieren, die größte sportliche Herausforderung der Saison dar. "Natürlich habe ich Verständnis für das Anliegen der Top-Klubs aus dem Ausland. Aber für die deutschen Vereine ist das beschissen", echauffierte sich Löwen-Spielmacher Andy Schmid jüngst in der "Handballwoche". In der Bundesliga ständig an die Schmerzgrenze, in der Champions League im Dauereinsatz - anders als Barcelona, Paris und Co. können die deutschen Vertreter sich nicht nur auf Europa konzentrieren. Der THW hat seinen Kader auch darum nach dem Verletzungsdilemma der Vorsaison auf 21 Spieler vergrößert. Doch während die Fußballer in der Champions League im Geld baden, müssen die Handballer in der Königsklasse kleinere Brötchen backen. 3,58 Millionen Euro an Garantieprämien schüttet die Europäische Handballföderation (EHF) an die 28 Starter des Elite-Cups aus. Zum Vergleich: Beim Fußball belaufen sich die Champions-League-Startprämien auf 1,3 Milliarden Euro. Der Champion, der am 4. Juni 2017 in der Kölner Lanxess-Arena die Trophäe im Konfettiregen in die Luft stemmen wird, darf sich nach maximal 20 Partien über 665 000 Euro freuen, genau 165 000 Euro mehr als die Fußballer in der Gruppenphase für ein Remis kassieren (für einen Sieg gibt’s 1,5 Millionen). Der Vergleich hinkt ohnehin: Schließlich streichen die 32 Vorrunden-Teilnehmer bei den Rasensportlern schon 12,7 Millionen Euro ein, bevor überhaupt nur ein Ball rollt - pro Verein wohlgemerkt. Da müssen sich die Handball-Eichhörnchen vergleichsweise mühsam nähren: 60 000 Euro gibt es als "Grundgehalt" für die Gruppenphase, die Sieger der Gruppen A und B kassieren weitere 30 000 Euro und dürfen direkt in das Viertelfinale vorrücken. Weitere 30 000 werden für alle Teams in der K.o.-Phase ausgeschüttet, nochmals 45 000 Euro landen in der Schatulle der Mannschaften, die es bis in das Viertelfinale schaffen. Die größeren Prämien fließen erst beim Final Four in Köln: 500 000 Euro für den Sieger, 250 000 Euro für den Zweiten, 150 000 Euro für den Dritten sowie 100 000 Euro für den Vierten. In der vergangenen Saison war der Königsklassen-Vierte THW Kiel mit Prämien-Einnahmen in Höhe von 235 000 Euro erfolgreichster deutscher Klub. Für die CL-Debütanten Andreas Wolff, Raul Santos (nach überstandener Zerrung wieder an Bord), Lukas Nilsson und Nikola Bilyk war all das bislang ein Rauschen aus fernen Galaxien. Das Quartett tritt zum ersten Mal in der Champions League auf, von der Jean Brihault (Präsident der Europäischen Handballföderation EHF) "die spannendste Saison aller Zeiten" erwartet. Spannend ist für den 19-jährigen Nikola Bilyk ("Ich werde in Kiel von Tag zu Tag glücklicher"), der sich in der Bundesliga frech nach fünf Spieltagen mit 28 Treffern auf Rang drei der Torschützenliste wiederfindet, allein der Gedanke an das ganz große Handball-Konzert: "Gegen Karabatic oder Hansen habe ich bisher nur in der Nationalmannschaft gespielt. Champions League wird noch einmal etwas ganz Neues für mich. Die Vorfreude ist riesig." Die Vorfreude ist auch bei den Kieler Verantwortlichen riesig. Manager Thorsten Storm freut sich über insgesamt 7000 verkaufte Champions Cards - Rekord! "Die Zuschauer kommen aus ganz Norddeutschland. Sie wollen den Kult und unsere Mannschaft erleben", so Storm. Und sie wollen alte Bekannte bestaunen - Spieler wie Thierry Omeyer, Daniel Narcisse, Nikola Karabatic (Paris) oder Filip Jicha (Barcelona), aber auch Protagonisten wie das Ex-Zebra Piotr Przybecki, der als Coach in Plock angeheuert hat. "Meine Jungs lieben die Spiele in der Champions League. Das Publikum ist jünger, es ist noch mehr Stimmung als sonst in der Halle", sagt THW-Chefcoach Alfred Gislason, der die Gruppe A so trocken als "Klub-WM" adelte. Die Ambitionen der Zebras umreißt der Isländer gewohnt nüchtern: "Ich erwarte von der Gruppenphase, dass wir lernen und uns weiter einspielen. Ich mache mir keine Illusionen, dass wir Erster oder Zweiter werden, da muss man realistisch sein. Ich werde in der Champions League noch mehr rotieren." (Von Tamo Scharz, aus den Kieler Nachrichten vom 24.09.2106, Foto: Archiv/ Sascha Klahn)